Die Haftung des Chorleiters für Sorgfaltspflichtverletzungen
Soweit ersichtlich, ist dieses Thema im Bereich des Schwäbischen Chorverbandes noch nie konkret geworden. Glücklicherweise! Denn es gibt sie – die Haftung des Chorleiters für die Verletzung von Sorgfalts-, Aufsichts- und Verkehrssicherungspflichten.
Über die Haftung von Vorständen und von im Auftrag des Vereins tätigen Vereinsmitgliedern wird häufig gesprochen. Auch an dieser Stelle wurde schon öfter darüber berichtet. Die Haftung erfährt bei diesem Personenkreis zwei wichtige Einschränkungen: Zum einen schützt § 31 BGB den Vorstand/das Vereinsmitglied in den meisten Fällen vor direkter, persönlicher Inanspruchnahme durch einen Geschädigten; Ansprechpartner für die Haftung ist zunächst immer der Verein. Zum anderen schützt die Haftungsbeschränkung in §§ 31 a, 31 b BGB auf Vor-
satz und grobe Fahrlässigkeit Vorstände und tätige Vereinsmitglieder vor der Inanspruchnahme durch den Verein im Wege des Regresses oder der Innenhaftung. Der Verein kann sich also bei seinen tätigen Personen nur schadlos halten, wenn diese vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt haben, in der Praxis also sehr selten.
Ganz anders ist die Situation beim Chorleiter. Denn: Der Chorleiter genießt das Haftungsprivileg der §§ 31 a, 31 b BGB nicht. Er wird nicht als Vereinsmitglied tätig, sondern als freier Mitarbeiter oder Angestellter des Vereins, der für seine Tätigkeit eine Vergütung erhält.
Ob Angestellter oder freier Mitarbeiter: Der Chorleiter hat im Rahmen seiner Tätigkeit Sorgfaltspflichten zu beachten, deren Verletzung unmittelbar und direkt zu einer Inanspruchnahme durch den Geschädigten (auch den Verein!) führen kann.
Augenfälligstes und unmittelbar einleuchtendes Beispiel einer solchen Sorgfaltspflichtverletzung ist die Verletzung der Aufsichtspflicht bei Chören mit Minderjährigen, insbesondere Kindern und Jugendlichen. Hier obliegt dem Chorleiter ein besonderes Maß an Verantwortung, das sich am Alter und damit der Einsichtsfähigkeit der anvertrauten Jugendlichen orientiert. Klassischer Fall: Der Ausflug mit dem Kinderchor, während welchem ein Kind durch ungenügende Beaufsichtigung zu Schaden kommt.
Aber auch gegenüber erwachsenen Chormitgliedern besteht eine Sorgfalts- und Verkehrssicherungspflicht, die weniger an den Handlungen der erwachsenen Chormitglieder anknüpft, sondern an konkreten, erhöhten Gefahrenlagen, beispielsweise im Vereinsheim, auf Konzertreisen oder Vereinsveranstaltungen. Hier sind viele Gefahrenlagen denkbar, die der Chorleiter erkennen kann – und muss! –, und bei dessen Nichtreaktion eine Haftung für etwaige Schäden ausgelöst sein kann, wobei – wie gesagt – die Schuldform der einfachen Fahrlässigkeit ausreicht.
Dabei stehen sich als Haftungsgrund das aktive Tun und das Unterlassen (der Beseitigung einer erkannten Gefahrenlage) im Hinblick auf den Fahrlässigkeitsvorwurf gleichwertig gegenüber.
Selbstverständlich gibt es auch für den Chorleiter die Entlastungsmöglichkeit des Mitverschuldenseinwandes nach § 254 BGB; dieses Mitverschulden eines Geschädigten kann die Ersatzpflicht des Chorleiters so weit mindern, dass sein Haftungsbeitrag völlig hinter dem Eigenverschulden des Geschädigten zurück bleibt und eine Haftungsinanspruchnahme ausschließt.
Auch das Mitverschulden der Vereinsverantwortlichen kann zu einer Reduktion der Verantwortung des Chorleiters (oder einer gemeinsamen Haftung!) führen. Eine vom Verein geschaffene Gefährdungslage (Baumängel im Vereinsheim, Stolperfallen auf dem Weg zum Übungsraum etc.) kann das Verschulden des Chorleiters ausschließen oder reduzieren. § 840 BGB ermöglicht im Übrigen auch die Inanspruchnahme mehrerer Schädiger, deren jeweiliges Verschulden zu einem Schaden zusammengewirkt hat. Sie haften dann sogar als Gesamtschuldner. Der Geschädigte kann sich den Anspruchsgegner in diesem Falle „heraussuchen“.
Zwei Gesichtspunkte sind geeignet, aber auch erforderlich, um diese Haftungssituation beim Chorleiter zu minimieren oder auszuschließen oder jedenfalls die wirtschaftlichen Folgen zu mindern: Die vorbeugende Gefahrenanalyse und Abstimmung der notwendigen Maßnahmen zur Gefahrenabwehr einerseits, der ausreichenden Absicherung durch Versicherung andererseits.
Es empfiehlt sich dringend, im Zusammenwirken zwischen Vorstand und Chorleiter eine Gefahrenanalyse der möglichen Risiken bei der Chorleitertätigkeit vorzunehmen. Das bezieht sich naturgemäß vor allem auf die Lokalität des Übungsraums und der Aufführungsräume; hier sind ggf. auch andere Verantwortliche (Gemeinde, privater Veranstalter etc.) einzubeziehen.
Die bei der Gefahrenanalyse ermittelnden Risiken müssen sodann durch entsprechende Absprachen und Maßnahmen minimiert oder ausgeschlossen werden. Dazu gehört zunächst die eindeutige Zuweisung der Verantwortlichkeit für die Überwachung und Kontrolle. Der Verantwortliche hat dem Vorstand unverzüglich Gefahrensituationen zu melden und ihnen im Rahmen des ihm Möglichen und Zu-
mutbaren zu begegnen. Der Vorstand hat einen Verantwortlichen für diesen Bereich zu benennen, der im regelmäßigen Kontakt mit dem Chorleiter und anderen Verantwortlichen (Hausmeister etc.) die Gefahrensituationen überprüft und notwendige Maßnahmen zur Beseitigung beim Vorstand veranlasst. Er hat zu überprüfen, ob diese gemeldeten Maßnahmen durchgeführt wurden.
Das Gleiche gilt für Reisen und die in diesem Zusammenhang zu beachtenden Risiken. Wichtig ist immer eine eindeutige Zuständigkeits- und Verantwortungszuordnung und deren Überwachung. Die Erhebung und Einhaltung von gesetzlichen Unfallverhütungsvorschriften ist selbstverständlich. Darüber hinaus sollte in der Geschäftsordnung des Vereins der Mechanismus der Verantwortungen geregelt sein und die Einhaltung regelmäßig vom Vorstand überwacht werden.
Im Versicherungsvertrag zwischen der ARAG und dem DCV sind unter II 1.3 als versicherte Personen auch die Chor- und Übungsleiter genannt. Sie unterfallen also dem Versicherungsschutz im Rahmen der Veranstalterhaftpflichtversicherung, der sich auf alle Veranstaltungen bezieht, also auch auf solche, die nicht nur der Erfüllung des Vereinszwecks dienen. Chorproben sind also ebenso mitversichert wie gesellige Veranstaltungen und Reise- und Fahrtveranstaltungen (A I Ziff. 4 des Gesamtvertrages).
Dieser Versicherungsschutz entbindet aber nicht von der Verpflichtung zur Risikominimierung im oben beschriebenen Sinne. Im Übrigen hilft der schönste Haftpflichtversicherungsschutz nicht gegen strafrechtliche Folgen etwa in Form eines Ermittlungsverfahrens wegen fahrlässiger Körperverletzung.
Es spricht also alles dafür und ist wirklich zu empfehlen, in jedem Verein dem Risikomanagement ausreichend Aufmerksamkeit und Interesse zu widmen.
Christian Heieck