Der Musikdirektor des Schwäbischen Chorverbandes, Marcel Dreiling, spricht über Kompetenzen, die ein guter Chorleiter unbedingt haben sollte.
Ein guter Chorleiter ist Garant für einen erfolgreichen Chor. Dieser Aussage können sicherlich alle zustimmen – diejenigen, die einen guten Chorleiter haben und diejenigen, die einen guten Chorleiter wollen.
Welche Kompetenzen muss ein guter Chorleiter haben?
Eine musikalische Kompetenz, die es ihm erlaubt dem Chor angemessene Chorwerke auszuwählen und diese zunächst selbst zu verstehen. Nur wenn eine Komposition in ihrem Aufbau oder Bauplan verstanden ist, kann dieses Werk richtig eingeschätzt und dem Chor effektiv beigebracht werden. Nur wenn erkannt wird, warum das Werk auf dem Klavier zwar gut klingt, durch seine haarsträubende Stimmführung in den Mittelstimmen die Chorsänger (und den Chorleiter) aber an den Rand der Verzweiflung bringt, werden geeignete Kompositionen ausgewählt. Nur wenn ich „edle Einfalt und stille Größe“ von Primitivismus unterscheiden kann handle ich verantwortungsbewusst und anspruchsvoll.
Eine textliche Kompetenz und moralische Verantwortung wird dann wahrgenommen, wenn ich den Text kritisch auswähle und dann verständlich mache. Das gilt beileibe nicht nur für ausländische Texte. Auch deutsche Texte wollen entschlüsselt sein (…“und der wilde Knabe brach’s Röslein auf der Heiden“). Augustinus (354-430) wird der Spruch zugeschrieben „bis orat qui bene cantat“ (doppelt betet wer gut singt). Für uns mag das bedeuten „Wisst ihr denn überhaupt was ihr singt?“ und „Haben wir unseren Zuhörern denn etwas zu sagen?“ Dies unterscheidet uns von den Instrumentalmusikern. Sie können sich nur mit Musik mitteilen. Wir haben den Text, eine Botschaft als wichtigen Partner zusätzlich. Jeder einzelne Chorsänger muss die von ihm verstandene und akzeptierte Nachricht als Botschafter verkünden!
Eine pädagogische Kompetenz ermöglicht es dem Chorleiter sein musikalisches Wissen gutgelaunt und zielstrebig anzubringen. Als Motivator versteht er es, das Optimale aus seinem Chor herauszuholen und dabei stets motivierend zu sein. Die Sänger kommen fitter aus der Probe als sie hingegangen sind.
Eine Methodenkompetenz erlaubt ihm jedes Chorwerk auf seine dem Werk eigene Art anzugehen. Nicht zeitraubende Einzelproben sondern vielfältige Ansätze im klugen Zeitmanagement führen effektiv zum Ziel. Eine künstlerische Kompetenz ist der persönliche Motor des Chorleiters. Nur wer für die Musik brennt, kann das Feuer weitergeben. Aber Feuer wollen entfacht und am Brennen gehalten sein. So ist der Chorleiter immer auf dem Weg, und niemals am Ziel. Er lernt sein Leben lang.
Diese Liste erhebt natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Wie können diese Kompetenzen initiiert oder optimiert werden?
Die musikalische Weiterbildung ist eine der zentralen Aufgaben des Schwäbischen Chorverbandes. Diese leisten wir selbst, mit unserem Dachverband dem Deutschen Chorverband oder mit unse-ren Partnern wie z. B. der Bundesakademie in Trossingen oder der Landesakademie in Ochsenhausen. Immer wieder weisen wir auf zentrale Fortbildungsveranstaltungen hin, wie z. B. die Chor.com in Dortmund und subventionieren sogar teilweise die Teilnahme. In Chorwettbewerben und Chorbegegnungen schaffen wir Ziele, auf die eine längerfristige Chorerziehung gerichtet werden kann. Wir wissen: ohne Ziele kein Fortschritt.
Weiterbildung ist wichtig
Unseren Chorleitern den Zugang zu Weiterbildungen ermöglichen, das ist unser gemeinsames Ziel – aber auch unser gemeinsamer Nutzen. Hier können und sollen die Mittel, die wir aus der Landesförderung für unsere Chöre erhalten, eingesetzt werden. Ist die Teilnahme an einer Weiterbildung nicht auch das ideale Geschenk für einen Chorleiter? Eines ist sicher: Es gibt dann zwei Nutznießer – den Dirigenten und den Chor. Schauen Sie doch gleich in der Mitte dieses Heftes. Da finden Sie viele Möglichkeiten der Fortbildung . Sicherlich haben Sie auch die Fortbildungsbroschüre zur Hand oder finden die Fortbildung auf unserer neuen, übersichtlichen Homepage im Internet. Auch bei anderen Anbietern können passende Fortbildungen gefunden werden. Hier sind neben den Kirchen nochmals die Akademien in Trossingen und Ochsenhausen und der AMJ zu nennen.
Neue Ausbildungswege
Die Ausbildung zum Chorleiter ist im Chor-verband neu strukturiert und vernetzt worden. Als Grundsäulen stehen die C1-Ausbildung (bisher Vizechorleiter), die C2 Ausbildung (C-Kurs mit C-Prüfung im Wochenkurs) und die C3-Ausbildung (bisher Hugo-Herrmann-Seminar) zur Verfügung. Angeknüpft ist die GCA und die Mentoren-Ausbildung. Eine Anknüpfung oder Vernetzung für die Chorlotsen-Ausbildung ist leider noch nicht geschafft. Das hängt mit dem jungen Alter (13-15) der Teilnehmer zusammen.
Eine Vernetzung der Ausbildungsstufen ist durch den Prüfungsvorsitz der Verantwortlichen der nächst höheren Stufe gewährleistet. Eingangsvoraussetzungen, Kursinhalte und Dauer, sowie Lehrgangsziele sind definiert und in einer Ausbildungsordnung festgeschrieben.
die Einzelnen Ausbildungsmodule
Die C1 Ausbildung steht in der Verantwortung des Regionalchorverbandes. Sie wird dezentral durchgeführt. Die Ausbildungen werden auch in der Zeitschrift SINGEN veröffentlicht. So können Teilnehmer aus Nachbarregionen an diesem Kurs teilnehmen. Der Abschlussprüfung sitzt ein Mitglied des Musikbeirats vor. Eine Urkunde wird vom Schwäbischen Chorverband ausgestellt. Die Ausbildungsordnung ist beim SCV erhältlich. Diese Ausbildung sollte von jedem Chor beschickt werden. SIE haben die Verantwortung, geeignete Personen zur Teilnahme zu motivieren. SIE, ihr Chor und ihr Chorleiter sind Nutznießer davon. Wie häufig wird durch Krankheit oder Verhinderung des Chorleiters eine Vertretung benötigt? Muss nicht jeder Chorleiter ein großes Interesse daran haben, jemanden für Stimmproben oder Vertretungen zur Seite zu haben? Geben Sie aber dem ausgebildeten Vizechorleiter eine feste regelmäßige Aufgabe, und denken Sie an die Notwendigkeit einer wohl bemessenen Vorbereitungszeit, eventuell mit besonderer Einweisung des Dirigenten.
Ausbildungfähige und ausbildungsbereite Absolventen der C1-Ausbildung werden motiviert auf diesem Weg weiter zu gehen. Diese Ausbildung ist jedoch der erste und wichtige Schritt auf einem langen, erfolgreichen Weg. Manch ein Kollege kann rück-blickend mit Stolz für sich in Anspruch nehmen, durch einen motivierenden Hinweis und „Schubser“ jemandem den Weg zum erfolgreichen Dirigenten initiiert zu haben. Wahrlich ein guter und berechtigter Grund für Stolz!
Die auf die C1-Ausbildung aufbauende C2-Ausbildung findet im SCV schon seit über 60 Jahren als „C-Wochen-Kurs“ in der Woche nach Ostern statt. Konzipiert und gegründet wurde diese Ausbildung, wie auch die C3-Ausbildung vor über 60 Jahren von Prof. Hugo Herrmann, dem damaligen Bundeschormeister des SCVs. In der C2-Ausbildung werden die Teilnehmer kompakt und intensiv im Dirigieren, in den Grundlagen der Musiktheorie und Stimmbildung geschult. In „Methodik und Didaktik der Chorprobe“ lernen die Teilnehmer die Grundlagen einer eigenständigen Chorarbeit. Am Ende der Ausbildung steht eine Prüfung im Liedvortrag, Dirigieren mit Tonangabe von der Stimmgabel und einem Musiktheorie-Test. Im Rahmen dieser Ausbildung kann für gute Absolventen gleich die Aufnahmeprüfung für das sich anschließende C3-Seminar absolviert werden. In dieser Zusatzprüfung sind Grundlagen des Klavierspiels durch Vorspiel eines einfachen Stückes nachzuweisen.
Das C3-Seminar steht unter dem Vorsitz der Bundesakademie für musikalische Jugendbildung, Trossingen. So erhalten die Absolventen eine vom Ministerium, der Akademie und dem SCV unterzeichnete Urkunde, die sie als „Staatlich geprüfte Chorleiter“ auszeichnet. Die Ausbildung geht über 2 Semester – also ein Jahr an 12 Samstagen und zwei Wochenenden. Vier Fachbereiche werden ausgebildet: Chorleitung, Stimme/Sprache, Musikgeschichte und Musiktheorie. Diese Prüfung wird auch von beiden großen Kirchen als C-Prüfung eingestuft (TBQ). Hierfür muss allerdings ein Erweiterungsmodul „Gottesdienst“ besucht werden.
Erweiterungsmodule vermitteln den C2- und C3-Absolventen eine Spezialisierung. So müssen sich die C2-Absolventen ein, die C3- Absolventen zwei dieser Module aus einem Pool auswählen. Ein Modul dauert ca. zwei Samstage und bietet eine Spezialisierung in den Bereichen Kinderchor, Jugendchor, Jazz/Pop/Spiritual, Senioren und Gottesdienst.
… und was kommt danach?
C3-Absolventen können im Anschluss die B-Chorleitungs-Ausbildung der Bundesakademie besuchen. Diese Absolventen sind berechtigt, so ist geplant, zu einem Masterstudium Chorleitung an der Musikhochschule. So kann auf der Weiterbildungsschiene ein durchgehender Weg vom Vize-Chorleiter bis zum Master-Studium gegangen werden. Diese neue Ausbildungsordnung gewinnt dadurch ungemein an Qualität und Attraktivität.
Marcel Dreiling
„Lebenslang lernen ist ein Stück Selbstverständlichkeit, und doch wird ein aufmerksamer Beobachter feststellen, dass sich die Menschen seiner Umwelt in zwei Lager aufzuteilen scheinen: die einen schon mit 40 vergreist, lustlos am Leben vorbei lebend, phlegmatisch, nicht nur körperlich feist und dick, auf dem Weg zur Senilität. Andere im Alter von 70 machen einen wendigen, optimistischen, agilen und positiven Eindruck, sind unabhängig von der Berufslaufbahn aktiv geblieben und beobachten ihre Umwelt aufmerksam und positiv. Analysiert man beide Gruppen, dann zeigt es sich, dass erstere verlernt haben zu lernen, während letztere sich analytisches Denken und den Drang zum Leben bewahrt haben.“
Reinhold Würth