Neue Wege des Familienreferat des SCVs: Projekt in der JVA Schwäbisch Gmünd
Bei der ersten Chor.com in Dortmund gab es einen gut besuchten Workshop, der sich mit dem Thema „Chorarbeit im Strafvollzug“ beschäftigte. Die Studentin Lia Bergmann aus Berlin hatte sich sowohl in ihrer Bachelorarbeit als auch in weitergehenden Studien mit der spannenden Fragestellung beschäftigt, ob Chorarbeit im Strafvollzug sinnvoll ist bzw. welche Auswirkungen sie für die Gefangenen und den Gefängnisalltag hat.
Hier ein Auszug aus dem Vorwort des Portfolios von Lia Bergmann:
[…] die Rückfallquoten im deutschen Strafvollzug sind erschreckend hoch. Knapp die Hälfte der Entlassenen begeht erneut eine Straftat, gut ein Drittel wandert einzweites Mal hinter Gitter. Ein Gefängnis-aufenthalt verbessert die Lage eines Straftäters in der Regel nicht, sondern er verschlimmert sie noch. Neueste Forschungs-ergebnisse belegen, dass die Rückfälligkeit mit der Härte des Strafmaßes zunimmt. Das bedeutet in eindeutiger Konsequenz: Ein Umdenken ist mittlerweile dringend erforderlich. […]
Die eingangs formulierte Frage, ob die Chorarbeit zur Resozialisierung Straf-fälliger beitragen kann, ist […] im abschließenden Teil dieser Arbeit eindeutig positiv zu beantworten. Die theoretischen Vorüberlegungen haben gezeigt, dass der Aufenthalt in deutschen Justizvollzugs-anstalten ein hohes Maß an strafrechtlich nicht legitimen Belastungen birgt. Sowohl die schädlichen Prisonierungserscheinun-gen als auch der Einfluss der Gefängnis-kultur auf den Einzelnen wurden dabei als Faktoren herausgestellt, die ihren Teil zu der hohen Rückfallquote beitragen. Als
im Folgenden das Potential der Chorarbeit beleuchtet wurde, stellte sich heraus, dass es durchaus möglich ist, damit gegen die anstaltsinternen Probleme anzugehen sowie auch ganz konkret auf die Zeit nach der Entlassung vorzubereiten. […]
So bleibt letztlich auf Initiatoren zu hoffen, die sich des quantitativen und qualitativen Ausbaus der Chorarbeit annehmen. Sowohl Neugründungen von Chören als auch korrigierende Eingriffe in bereits bestehende Modelle können dem idealen Konzept eine Chance bieten, sich zu profilieren. Wo einige wenige Initiativen bereits ansetzen, besteht noch erheblicher Ausbaubedarf, um eine Bewegung in Gang zu setzen: Erst wenn die Öffentlichkeit von dem Sinn der Chorarbeit im Strafvollzug überzeugt ist, können Politik, Justizaufsichtsbehörden und schließlich potentielle Chorleiter und externe Chöre mobilisiert werden. Das Potential der Chorarbeit ist groß und birgt Nutzen für die Besserung der Straftäter und damit auch für die Sicherheit in der Gesellschaft. Deswegen sollte man Schritte einleiten, es zu nutzen.
Wer Interesse an der Studie hat, kann sich gerne beim SCV melden. Die Ergebnisse waren so beeindruckend, dass der SCV, genauer das Familienreferat beschloss, ein Pilotprojekt zu starten. Als Partner konnte die Justizvollzugsanstalt Schwäbisch Gmünd (Gotteszell) mit der Kath. Gefängnisseelsorgerin Schwester Sabine Götz gewonnen werden. Sie musste nicht lange überzeugt werden, denn auch sie ist von der Kraft des Singens und den positiven Wirkungen einer Chorgemein-schaft fest überzeugt. Die Chorleitung wurde vom SCV ausgeschrieben. Sieben Interessenten meldeten sich. In einem Probedirigat wird nun eine Chorleiterin/ein Chorleiter ausgewählt.
Zunächst wird mit der Probenarbeit begonnen, um dann nach und nach die weiteren Vorschläge aus der Studie von Lia Bergmann umzusetzen. Wir werden Sie auf dem Laufenden halten, wie sich das Projekt entwickelt.