Führung im Chor
Das Thema Führung ist im Vereinsmanagement ein sehr zentrales, aber oftmals unterschätztes Element. Wie jede andere Organisation auch muss ein Verein, ein Chor, eine musikalische Gruppe geführt werden – durch Projekte, hin zu Zielen, in die Zukunft. In den meisten Chören und Vereinen gibt es hierbei eine Doppelspitze, die aus Chorleiter und Vereinsvorstand besteht und sich, möglicherweise unterstützt von weiteren Gremien, in ihren Aufgaben und Verantwortlichkeiten ergänzt. Der Chorleiter zeichnet für die musikalische Arbeit, die Weiterentwicklung des Chores und das Gelingen von Konzerten verantwortlich, der Vorstand hat bei der Organisation und Finanzierung von Projekten und Vereinsveranstaltungen das Heft in der Hand und hat ein Auge auf die personelle, finanzielle und möglicherweise politische Entwicklung des gesamten Vereins. Doch sind damit alle Führungsaufgaben abgedeckt, die in einem Verein anfallen?
Vergleicht man die Situation mit einer Führungskraft wie beispielsweise einem Abteilungsleiter in einem Unternehmen, so wird deutlich, dass die geschilderten Aufgaben, egal ob musikalischer oder organisatorischer Natur, in erster Linie Fachaufgaben der betreffenden Personen sind. Die eigentliche Führung besteht in der Arbeit mit und an den Menschen. Jeder, der Teil eines Vereins oder einer Gemeinschaft ist, weiß, dass inhaltliche Ziele zwar wichtig und zentral sind, aber zwischenmenschliche Themen nicht vernachlässigt werden dürfen: Das spannendste Konzertprogramm, die beste Organisation und der musikalisch bestausgebildetste Chorleiter nützen nur wenig, wenn die Motivation im Chor fehlt, Konflikte unlösbar scheinen oder allzu konträre Vorstellungen von Weiterentwicklung und Veränderung vorliegen. Diese und zahlreiche andere psychologische Herausforderungen bilden die Grundlage, auf der dann fachliche, also musikalische und organisatorische Arbeit aufbauen kann. Es ist also unerlässlich, dass diejenigen, die im Verein führende Rollen bekleiden, also in der Regel Chorleiter und Vorstände, sich auch als „Führungskräfte“ verstehen und für diese Themen die Verantwortung übernehmen.
Doch kann gute Führung „gelernt“ werden? Welche Themen sind ganz besonders zentral? Und wie gelingt es, diese Themen in der Chor- und Vereinspraxis einzubringen?
Im Folgenden möchte ich eine Auswahl grundlegender Führungskompetenzen vorstellen und anhand von Beispielen aus der Praxis verdeutlichen, wie diese den Choralltag bereichern können.
Wichtige Führungskompetenzen
Eine erste wichtige Kompetenz einer Führungskraft ist die Beziehungskompetenz. Dabei geht es um alles, was das direkte Zusammenspiel und die Interaktion von Menschen anbelangt.
In unserem Fall möchte ich dies beispielhaft an den Themen Kommunikation und Konfliktmanagement / Konfliktfähigkeit aufzeigen: Kommunikation kann jeder; fast alle Menschen sprechen, jeder hat bereits in frühester Kindheit gelernt, sich in irgendeiner Art und Weise auszudrücken. Kommunikation, so scheint es, ist dem Menschen geradezu in die Wiege gelegt.
Und doch machen wir immer wieder die Erfahrung, dass durch Kommunikation Konflikte und Missverständnisse entstehen, dass etwas, was wir sagen, bei anderen Menschen völlig anders ankommt, als wir es gemeint haben, dass unterschiedliche Menschen eine Botschaft völlig unterschiedlich verstehen und dass möglicherweise harmlos gemeinte Aussagen am Schluss zu großen Problemen und Zerwürfnissen führen. Können wir also Kommunikation doch nicht ganz so gut, wie wir dachten?
Gewaltfreie Kommunikation
Der Psychologe Marshall D. Rosenberg hat ein relativ einfaches, aber sehr wirkungsvolles Konzept entwickelt: das der Gewaltfreien Kommunikation (vgl. Marshall D. Rosenberg: Gewaltfreie Kommunikation – Eine Sprache des Lebens, 2009). Dies klingt im ersten Moment vielleicht etwas komisch: gewaltfrei? Unter Gewalt verstehen wir landläufig vor allem körperliche Härte, manchmal noch psychischen Zwang. Da glücklicherweise ja die meisten Chorleiter und Vorstände in ihren Chören in der Regel keine körperliche Gewalt anwenden, scheint zunächst verwunderlich, was an gewaltfreier Kommunikation zu ungewöhnlich sein soll. Rosenberg betrachtet den Begriff der Gewalt in der Kommunikation noch etwas differenzierter: Aus seiner Sicht sind auch Vorwürfe, Verurteilungen, Bewertungen oder Forderungen bereits Formen von Gewalt, die beim Gegenüber bewirkt, dass dieser sich verteidigen und rechtfertigen will oder sogar zum Gegenangriff ausholt. Diese Formen der Kommunikation kommen also in den meisten Fällen nicht dem gegenseitigen Verständnis zugute, sondern werfen weitere Probleme auf.
Was Marshall D. Rosenberg mit seinem Konzept stattdessen bezwecken möchte, ist eine Art zu kommunizieren, die gegenseitige Empathie fördert und die Möglichkeit schafft, möglichst viele Bedürfnisse der beteiligten Personen erfüllen zu können. In der Theorie dieses Konzepts gibt es vier aufeinander aufbauende Schritte: Zunächst soll eine (wertfreie) Beobachtung ausgedrückt, diese dann mit einem eigenen Gefühl verbunden und im Anschluss dieses Gefühl durch ein persönliches Bedürfnis begründet werden. Am Schluss wird eine konkrete Bitte an den / die Gegenüber formuliert.
Ein sicherlich weithin bekanntes Beispiel aus dem Choralltag, anhand dessen sich dieses Kommunikationskonzept praktisch erläutern lässt, stellt die Situation dar, dass Chorleiter und / oder Vorstand nicht zufrieden mit der Regelmäßigkeit des Chorprobenbesuchs sind. Eine nach Rosenbergs Konzept gewaltfreie Lösung, dies auszudrücken, wäre zum Beispiel: „Wenn ich sehe, dass wir in jeder Chorprobe nur eine kleine und überdies häufig wechselnde Besetzung haben (Beobachtung), dann macht mich das traurig (Gefühl), weil ich mir für mich und meine Arbeit hier im Chor eine angemessene Wertschätzung wünschen würde (Bedürfnis). Ich würde euch bitten, mit mir nach einer Lösung zu suchen, wie wir in Zukunft einen regelmäßigeren Probenbesuch sicherstellen (Bitte).“
In diesem Satz liegt kein Vorwurf, keine Verurteilung und kein Zwang, aber er stellt dennoch klar, dass es eine Situation gibt, die es zu lösen gilt. Durch den Fokus des Redners auf die eigenen Gefühle und Bedürfnisse wird mit hoher Wahrscheinlichkeit beim Gegenüber Empathie gefördert, mit der Bitte am Ende wird dem jeweiligen Adressaten die Möglichkeit gegeben, freiwillig zur Lösungsstrategie beizutragen.
Als kleine „Gegenprobe“: Stellen wir uns einen Chorleiter vor, der wütend in die Runde poltert: „Jetzt reicht‘s mir aber! Das kann nun wirklich nicht sein, dass ihr immer kommt und geht, wie es euch gefällt – ab jetzt gilt folgende Regel: Wer mehr als zwei Mal fehlt, darf nicht beim nächsten Konzert mitsingen!“
Welche Form der Kommunikation ist wohl vielversprechender in Hinblick auf gegenseitige Empathie und zielgerichtetes Arbeiten? Und wenn auf den ersten Blick ein vierstufig aufgebauter Satz auch etwas umständlich erscheinen mag: Missverständnisse und Konflikte rauben am Schluss deutlich mehr Zeit!
Unternehmerkompetenz
Eine zweite wichtige Führungskompetenz ist die Unternehmerkompetenz. Das mag zunächst abwegig erscheinen, denn ein Verein bzw. ein Chor ist ja in aller Regel kein Unternehmen im klassischen Sinne und die Menschen, die in diesen Gruppen geführt werden, sind der Führungskraft nicht disziplinarisch unterstellt, sondern sind Teil einer Gruppe, in der sie in ihrer Freizeit ihr Hobby, ihre Leidenschaft ausleben. Dennoch gibt es auch im Choralltag Bereiche, in denen sich die Anforderungen an Chorleiter und Vorstände kaum von denen an „klassische“ Unternehmer unterscheiden. Zentral sind hierbei vor allen Dingen die Themen Risikobereitschaft und die damit verbundene Motivation.
Wie ein Wirtschaftsunternehmen, so ist auch ein Chor in der Regel daran interessiert, sich weiterzuentwickeln, neue Herausforderungen zu meistern und gesteckte Ziele zu erreichen, jeweils natürlich in Bezug auf das individuelle Leistungsniveau und die begleitenden Umstände. Was für den einen Chor ein kleiner Auftritt im lokalen Rahmen ist, ist für einen anderen die Teilnahme an einem internationalen Wettbewerb. Gleich bleibt aber: Mit jedem Auftritt und jedem Ziel ist ein gewisses Risiko verbunden. Welche Stilistik, welcher Schwierigkeitsgrad des Programms ist angebracht? Welche Konzertform spricht das Publikum an, was überfordert potenzielle Zuhörer oder langweilt sie gar? Was kann der Chor ein einer festgelegten Vorbereitungszeit auch erreichen? Eng verbunden mit der Risikobereitschaft ist die Motivation der Beteiligten: Wie kann ein Programm so gestaltet werden, dass die Sänger über längere Zeit hinweg Freude an der Erarbeitung behalten? Wie können die Proben organisiert werden, damit alle mit Engagement dabei sind und sich das vorgenommene Ziel zu eigen machen?
Die Motivation der Vereinsmitglieder
Unter Motivation wird „die situative Umsetzung einer Bereitschaft, eines Motivs“ verstanden, es ist also wichtig, dass nicht nur eine grundsätzliche Bereitschaft vorhanden ist, sondern diese auch konkret umgesetzt wird. Diese Unterscheidung ist wesentlich: Die Mitgliedschaft in einem Chor und die Freude am Singen sind Voraussetzung, aber noch keine Motivation. Diese wird erst durch die Umsetzung, also durch regelmäßige Anwesenheit und Mitarbeit in den Proben, möglicherweise auch durch individuelle Vorbereitung zu Hause oder zusätzliche Mitarbeit im Verein deutlich.
In der Motivationspsychologie gibt es zahlreiche Modelle, die Erklärungsansätze dafür liefern, wie Menschen motiviert werden. Wir wollen uns hier auf drei Aspekte beschränken, die für die Arbeit in Chören essentiell wichtig sind:
Grundlage für die Motivation ist das Interesse. Wer sich für eine Sache, ein Konzert in einem bestimmten Musikstil, ein gestecktes Ziel nicht interessiert, wird nicht motiviert sein, darauf hinzuarbeiten. Dies klingt logisch, ist in der Arbeit von Chorleitern und Vorständen aber immer wieder zu beachten und zu reflektieren. Wie sehr trifft die Auswahl von Programmen tatsächlich das Interesse der Sänger? Welche Konzertformen motivieren die Beteiligten? Welche zeitliche Intensität von Proben und Auftritten passt zum Interesse der Sänger? Hierbei gilt es auch immer wieder, Routinen und Rituale, die sich im Vereinsalltag vielleicht über Jahre hinweg entwickelt haben, zu hinterfragen.
Der zweite Aspekt, der große Auswirkung auf die Motivation hat, ist das Anspruchsniveau. Dies betrifft im Choralltag vor allem die Schwierigkeit der zu singenden Stücke. Der Anreiz, bei einem Vorhaben erfolgreich zu sein und die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Erfolg eintritt, sollten dabei ungefähr ähnlich hoch sein. Werden zum Beispiel für ein Konzertprogramm ausschließlich Stücke gewählt, die ein Chor seit langer Zeit im Repertoire hat und die keine besondere Herausforderung darstellen, ist die Erfolgswahrscheinlichkeit extrem hoch, der Anreiz aber sehr niedrig, weil ein sicheres Gefühl der Beherrschbarkeit ja bereits vorhanden ist. Ist im Gegenteil ein Konzertprogramm so ambitioniert, dass ein Chor nicht sicher sein kann, dass es auch nur annähernd bewältigt wird, ist der Anreiz sehr hoch, sich an eine solche Herausforderung zu wagen, die Erfolgswahrscheinlichkeit aber eher gering. In beiden Extremfällen ist die Gefahr groß, dass die Motivation gering ist oder zumindest während der Vorbereitungsphase stark abnimmt. Gelingt es, das Anspruchsniveau so zu wählen, dass sowohl ein Anreiz für neue Herausforderungen besteht, aber gleichzeitig auch der entsprechende Erfolg wahrscheinlich und eine gewisse Sicherheit vorhanden ist, so sind der Motivation aller Beteiligten die Wege geebnet.
Als dritter Aspekt sei hier die Kontrollierbarkeit genannt. Je mehr jeder einzelne Beteiligte das Gefühl hat, seinen eigenen Beitrag zum Erfolg unter Kontrolle zu haben, desto motivierter wird er daran mitarbeiten, ein Ziel zu erreichen. Für die Führungskräfte ist hier zu überlegen, in welchem Maß sie die Kontrollierbarkeit durch die Beteiligten fördern können: Sind die Chorproben so gestaltet, dass die Sänger zwischen regelmäßigem und unregelmäßigem Probenbesuch einen Unterschied bemerken? Können Hilfsmittel zur Verfügung gestellt werden, die die individuelle Vorbereitung zu Hause fördern (z. B. Übe-CDs, Noten …)? Besteht eine allgemeine Offenheit gegenüber speziellen Vorschlägen und Wünschen aus dem Chor? Je mehr jeder Einzelne die Selbstwirksamkeit spüren kann, desto höher wird die Motivation auf ein gemeinsames Ziel hin sein.
Veränderungskompetenz
Eine weitere zentrale Kompetenz im Hinblick auf die Führung von Menschen ist die Veränderungskompetenz. Unsere Gesellschaft unterliegt einem stetigen Wandel und zahlreiche Auswirkungen zeigen sich auch in den Vereinen. Einerseits gibt es hier oftmals die Gelegenheit, gewisse Traditionen und Rituale zu pflegen, die an anderer Stelle keinen Raum mehr haben. Andererseits können auch hier manche Dinge nicht mehr wie vielleicht lange Zeit gewohnt weitergeführt werden und es besteht eine gewisse Notwendigkeit zur Anpassung an veränderte Umstände. Dies kann zu großen Sorgen und auch Konflikten innerhalb von Chören und Vereinen führen.
Wichtig für Chorleiter und Vorstände ist zunächst zu wissen, dass Menschen ganz unterschiedlich auf Veränderungen reagieren: Den einen kann es nicht abwechslungsreich genug sein und sie freuen sich daran, immer wieder Neues auszuprobieren, die ande-ren möchten liebgewonnene Gewohnheiten ungerne loslassen und stehen Veränderungen möglicherweise kritischer gegenüber. Nicht selten finden sich diese gegensätzlichen Parts auch innerhalb einer Vorstandschaft oder zwischen den Rollen des Chorleiters und des Vorstands wieder. Beides hat in der gemeinsamen Arbeit seine Berechtigung und sollte entsprechend gewürdigt werden, die Thematisierung dieser Unterschiede und der Versuch, Verständnis für die jeweils andere Gruppe aufzubringen, kann jedoch schon vieles erleichtern.
Darauf aufbauend können dann Veränderungen angestoßen werden, die in ihrer Art und in ihrem Ausmaß zu den betreffenden Menschen passen. Dabei hat sich in verschiedensten Experimenten gezeigt, dass zahlreiche Menschen auf allzu große, plötzliche Veränderungen zunächst irritiert reagieren, während sie viel veränderungsbereiter sind, wenn sie schrittweise an neue Bedingungen herangeführt werden.
Veränderungen behutsam einführen
In der Chorpraxis könnte dies beispielsweise bedeuten, dass ein jahrelang feststehender Konzertturnus von einem Weihnachts- und einem Sommerkonzert nicht unbedingt komplett aufgebrochen werden muss, sondern zunächst nur ein Element durch eine andere Konzertform ersetzt werden könnte oder jährlich abwechselnd eine neue und eine alte Regelung Anwendung findet. Geht es um neue Gestaltung der Probenmodalitäten, also zum Beispiel ein Wechsel von regelmäßigen zu projektbezogenen Proben, bietet sich möglicherweise auch eine Phase des Ausprobierens an, an deren Ende gemeinsam entschieden wird, wie weiter verfahren werden soll. In jedem Fall ist der Einbezug aller beteiligten Personen ein wichtiger Faktor in Veränderungsprozessen. Dazu gehört auch, die Sinnhaftigkeit von Änderungen zu kommunizieren und damit die Grundlage für gegenseitiges Verständnis zu schaffen. Eine einfache Erhöhung eines Jahresbeitrags mag jedem Vereinsmitglied zunächst unverständlich sein, wenn es aber Informationen über damit verbundene Ziele oder Verpflichtungen erhält und möglicherweise selbst in die Entscheidung zur Verwendung einbezogen wird, löst das Thema möglicherweise gleich weniger Widerstand und Konflikte aus.
Wenn Veränderungen also passend zu den beteiligten Menschen möglichst schrittweise, sinnvoll und unter offenem Einbezug der Betroffenen vorgenommen werden, dann können diese großen Gewinn bringen und die allgemeine Freude und Motivation aufrechterhalten.
Persönlichkeitskompetenz
Als vierte wichtige Führungskompetenz sei hier die Persönlichkeitskompetenz zu nennen. Gute Führung ist immer eng ver-bunden mit der Selbstreflexion derjenigen Person, die andere Menschen führt. Je besser sich eine Führungskraft selbst kennt und ihre eigenen Charaktereigenschaften, Verhaltensweisen und Vorlieben zu analysieren und einzuschätzen weiß, desto besser kann sie sich auch in andere Menschen hineinversetzen und ihnen in der Interaktion empathisch begegnen.
Zunächst spielen hier verschiedene Führungsstile eine Rolle: Dabei wird zum Beispiel zwischen autoritärer Führung, die unbedingten Gehorsam fordert, charismatischer Führung, bei der eine Führungspersönlichkeit durch persönliche Ausstrahlung einen besonderen Reiz auf andere Personen ausübt, repressiver Führung, die sich Druckmittel und Sanktionen bedient, demokratischer Führung, bei der vieles durch Abstimmungen entschieden wird oder kooperativer Führung, bei der die Beteiligten durch offene Kommunikation in Entscheidungsprozesse einbezogen werden, unterschieden.
Viele Menschen tendieren intuitiv zu einem oder mehreren der Führungsstile, aber klar wird auch: Keiner dieser Stile ist ein Allheilmittel für die Arbeit mit einer Gruppe von Menschen. Verschiedene Situationen erfordern unterschiedliches Führungsverhalten, daher wird ein sinnvoller und personenbezogener Einsatz der verschiedenen Stile auch situative Führung genannt. Der passende Einsatz der jeweiligen Stile ergibt sich aus der Situation sowie aus den Rollenanforderungen, denen die Führungskraft, also der Chorleiter oder der Vorstand in diesem Moment unterliegt. Wichtige Entscheidungen im Chor erfordern zum Beispiel oftmals demokratische Abstimmungen, ob allerdings jedes einzelne Stück auf diese Art und Weise zu Disposition gestellt werden sollte, ist fraglich. Hat der Chor einmal beschlossen, dass eine bestimmte Anzahl des Zuspätkommens zu einer gewissen Sanktion führt, so sollte sie der Chorleiter in dieser Situation durchsetzen. So mancher Chorleiter profitiert möglicherweise von seiner charismatischen Art und versteht es, Menschen dadurch in den Bann zu ziehen, sollte dies aber andererseits nicht dazu missbrauchen, in jeder Situation Entscheidungen im Alleingang zu treffen. Während oftmals ein kooperativer Umgang miteinander zu möglichst großem Konsens in der Gruppe führt, vertragen manche Entscheidungen ein klares Wort der Führungsperson, das nicht in Frage gestellt wird.
So wird also deutlich, dass der Einsatz verschiedener Führungsstile in den jeweils passenden Situationen zwar herausfordernd, aber auch sehr erfolgversprechend sein kann. Eine gute Selbstreflexion der Führungsperson ist dazu unerlässlich.
Ein weiterer wichtiger Aspekt der Persönlichkeitskompetenz, der alle anderen Kompetenzen abrundet und einschließt, ist die persönliche Sinnstiftung und Vision einer Führungskraft. Wenn einem Chorleiter oder Vorstand klar ist, welche Vision er für seinen Chor bzw. Verein verfolgt und was ihm besonders wichtig ist, so hat dies Auswirkungen auf sein ganzes Tun und Handeln, auf alle Kommunikation und Interaktion mit anderen Menschen.
Es lohnt sich, diesen persönlichen Sinn, den jeder Einzelne in seiner Tätigkeit sieht, immer wieder an eigenen Entscheidungen und Verhaltensweisen zu spiegeln. Wenn hier weitestgehend Kongruenz herrscht, dann kann auch nach außen hin ein authentisches Bild abgegeben werden.
Wenn Chorleiter und Vorstände sich also ihrer Rolle als Führungskräfte und der zahlreichen Situationen bewusst sind, in denen es weniger um fachliche als um psychologische Arbeit geht, so sind einem empathischen, kooperativen und motivierten Miteinander im Chor und Verein alle Wege geebnet.
„Checkliste“ für Führungskräfte
Beziehungskompetenz
Kommuniziere ich weitestgehend „gewaltfrei“ oder kann ich möglicherweise öfter auf Vorwürfe, Verurteilungen, Bewertungen oder Forderungen verzichten und mehr über Gefühle und Bedürfnisse ausdrücken?
Unternehmerkompetenz
Fördert mein persönliches Ausmaß an Risikobereitschaft die Motivation meiner Sänger / Vereinsmitglieder? Wie kann ich Ziele so stecken, dass sie möglichst viel Motivation hervorbringen?
Veränderungskompetenz
Wie ist meine persönliche Einstellung zum Thema Veränderung? Wie kann ich Veränderungsprozesse so gestalten, dass ich alle Beteiligten „mitnehme“?
Persönlichkeitskompetenz
In welchen Situationen sind welche Führungsstile angebracht? Welchen Sinn sehe ich in meiner Tätigkeit und was ist meine Vision?
Über die Autorin
Fabienne Schwarz-Loy ist Trainerin und Coach für Führung, Kommunikation und Stimme sowie Sängerin und Chorleiterin. Sie bietet regelmäßig spezielle Führungstrainings für Chorleiter und Vereinsvorstände an, so z. B. im Auftrag des SCV als nächstes vom 7. – 8. Oktober 2017
www.fabienneschwarzloy.com