Fünf Tipps, die ihren Chor sicher nicht zukunftsfähig machen: ein zynischer Blick auf das Vereinsleben.
[Hinweis: dieser Artikel spielt explizit mit Klischees, ist absichtlich überspitzend, ironisch und unfair. Leser, die das nicht vertragen, werden gebeten, diese Seite zu überspringen und mit einem hübschen Urlaubsbild zu überkleben]
1. Richtige und wahrheitsgemäße Außendarstellung
Sorgen Sie dafür, dass ihr Chor immer wieder im Gespräch ist. Gut konzipierte Konzerte, ein homogener und stilsicherer Chorklang oder eine schlüssige und gut vernetzte Öffentlichkeitsarbeit sind dazu weniger geeignet. Kommen Sie möglichst wenig mit Menschen über den Chor ins Gespräch oder sprechen Sie ggf. vor allem den Nachwuchsmangel an. Geben Sie dabei möglichst auch dem Gegenüber die Schuld am Sterben des Chores, das wird ihn mitleidig stimmen.
Andere geeignete Themen sind u. a. die Unfähigkeit der Vereinsfunktionäre und des Chorleiters, die Schwächen einzelner Sänger und die treulosen Vereinsmitglieder und Konzertbesucher. Sorgen Sie auch dafür, dass der Nicht-Sänger erfährt, dass es eine Zweiklassengesellschaft gibt, Sänger und Nicht-Sänger, bei der ähnlich dem indischen Kastensystem gilt: entweder man ist hineingeboren oder nicht. Der Chor ist schließlich seit alters her ein Elitenprojekt, in dem man nicht einfach so mitmischen kann. Schnupperproben oder ein „Tag der offenen Probe“ unterspülen dieses Bild und sollten somit unbedingt vermieden werden.
Schonen Sie Ihre Vereinskasse! Geben Sie darüber hinaus kein Geld für Öffentlichkeitsarbeit oder lokale Künstler aus, sondern bedenken Sie immer: Das Gute liegt so nah! Mit den gängigen Textverarbeitungsprogrammen (Word, Open-Office etc.) lässt sich im Handumdrehen ein tolles Plakat zaubern. Benutzen Sie am besten viele verschiedene Schriftarten und nutzen Sie die phantastische Möglichkeit der WordArts! Für eine gute Corporate Identity benutzt man in der Regel bekannte Schriftarten wie zum Beispiel Comic Sans.
2. Pflegen Sie ihr Repertoire
Schränken Sie Ihr Repertoire ein, das verschärft das Profil des Chores. Proben Sie möglichst wenig neue Stücke, um die alten warmhalten zu können. Außerdem verschwenden Sie damit weniger Zeit für Proben und können früher in die Gastwirtschaft, was eindeutig zur Erhaltung entsprechender Lokalitäten beiträgt. Je weiter Sie ihr Repertoire auf einen Stil verkleinern, umso ansprechender wird der Chor für neue Sänger, denn wer liebt z. B. Jäger- oder Weinlieder nicht. Auch ABBA und Udo Jürgens sind noch topaktuell, sie tauchen so gut wie nirgends in Konzertprogrammen auf.
Generell empfiehlt es sich, möglichst bekannte Stücke zu singen. Vor allem Literatur mit einer kreativen Klavierbegleitung eignet sich dafür hervorragend. Der Chor muss keine komplexen Strukturen erfassen, sondern singt einfach nur die ausgeterzte Melodie. Man spart dadurch Zeit und Nerven und der Chor kann das Stück nicht so leicht umschmeißen. Fordern Sie den Chor überhaupt nicht so sehr, die Menschen kommen schließlich, um nach der Probe in die Wirtschaft gehen zu können. Ihre wenige Freizeit möchten sie nicht im Leistungsdruck ver- bringen. Besonders zu bevorzugen sind somit einfache, isorhythmische und im kleinen Kadenzbereich operierende Chorsätze mit Klavierbegleitung, um intonatorisch nicht in die Bredouille zu kommen.
3. Experimentieren Sie nicht mit Konzertformaten
Wenn Sie etablierte Konzertformate haben (Frühlingsfeste, Jahresfeiern etc.), belassen Sie auf jeden Fall diese Konzertformate. Schließlich hat es schon immer gut funktioniert, so wie es ist. Auch die bewährte Räumlichkeit hat sich sicher auch logistisch schon eingespielt. Akustische Gesichtspunkte sind in jedem Fall zu vernachlässigen, schließlich ist eine Turnhalle ja eine Turnhalle und kein Konzertsaal. Machen Sie sich nicht die Mühe, alternative Formate wie. z. B. Werkhallen- oder Schlosskonzerte zu denken. Singen Sie möglichst viel draußen, weil der Chor im Freien immer viel besser klingt als in Kirchen und anderen halligen Räumen, die den Chorklang nur verwaschen und den Text unverständlich machen. Geben Sie auch nicht zu viel Geld für Beschallungsanlagen aus, meist besitzen Gemeinden eine kleine Anlage mit Mikrofon auf dem Friedhof, die kostenlos ausgeliehen werden kann. Ein Mikro reicht völlig aus, ein Mischpult und eine große Endstufe ist für Chor ja auch nicht nötig und durch die externe Beschallung hört man einzelne Stimmen ebenfalls viel besser heraus.
Auch Kooperationen haben sich noch nie bewährt. Ziehen Sie klare, musikalische Grenzen! Der Musikverein oder das örtliche Streichorchester haben bei einem Vereinskonzert des Chores nichts zu suchen. Mögliche Synergien sind auch hier nur marginal und schwächen die Position des Chores.
4. Verlassen Sie sich auf Ihre Erfahrung
Sie machen Vereinsarbeit schon seit vielen Jahren? Dann sollten das alle erfahren! Stellen Sie sich immer wieder zur Wahl und betonen Sie in Gesprächen mit jüngeren, potentiellen Vereinsfunktionären immer wieder Ihre immensen Leistungen für den Verein. Sätze wie „als ich noch Vorstand war …“, „in der Zeit, als man noch deutsch gesungen hat“ und „ich habe schon zwei Vereine aufgelöst“ beeindrucken Ihr Gegenüber und ermutigen ihn / sie bei der Wahl anzutreten.
Scheuen Sie sich auch nicht, Ihre Erfahrung möglichst oft und möglichst detailreich zu verschiedensten Anlässen in Gremien, Vollversammlungen und im privaten Zurechtweisungsgespräch mit angehenden oder kürzlich gewählten Vorstandsmitgliedern mitzuteilen. Vor allem Sätze wie „das hat noch nie funktioniert“, „das macht der Chor nicht mit“, „selbst ich bin daran gescheitert“ oder „das haben wir schon immer so gemacht“ sind wirkungsvolle und verlässliche Wegweiser für den Weg als neues Vorstandsmitglied. Geben Sie auch nie zu viel aus der Hand! Selbst wenn Sie nicht mehr Teil des Vorstandes sind, haben Sie durch Ihre jahrelange Ar-beit ein Recht auf das Bestimmen. Neue Vorstandsmitglieder sind meist ohnehin nur für die Pressemitteilungen und -bilder geeignet. Auch ist jegliche Form zeitgemäßer Vorstandsarbeit (E-Mail-Verkehr, Arbeitsgruppen, etc.) konsequent zu torpedieren. Gute Vorstandsarbeit funktioniert nur im persönlichen Kontakt!
Stellen Sie sicher, dass die Tagesordnung voll genug ist. Vergessen Sie dabei vor allem Ehrungen nicht! Menschen wollen sich in ihrer Freizeit gerne ausufernde Laudationes anhören, vor allem, wenn sonst nur Arbeit auf der Tagesordnung steht. Sorgen Sie überdies dafür, dass genug Grußworte gehalten werden, fragen Sie also nicht nur den Bürgermeister, den Schulleiter und den Vorsitzenden des Sportvereins an, sondern holen Sie sich frische Grußworte ins Boot, z. B. vom Friedhofsverwalter, der Hallenpächterin, dem Klärwärter oder dem Besitzer des örtlichen Klobrillenladens. Merke: Es kann nie genug Grußworte geben, denn Sie lockern die Atmosphäre auf und beanspruchen nicht die Konzentration der Anwesenden.
Weiter muss die Tagesordnung ganz klar am Vereinszweck ausgerichtet sein: Themen wie „Weinauswahl Herbstfest“, „Serviettenfarbe Weihnachtsfeier“ oder „neue Spülbürste für das Vereinsheim“ müssen auf der Tagesordnung ganz oben stehen. Wenn Sie ihre TO nicht ganz voll bekommen, können Sie ggf. auch minder wichtige Themen wie „strategische Vereinsausrichtung“, „Thinktank Liederkranz 2030“ oder „Satzungsänderung“ aufnehmen, sodass Sie auf mindestens 3-4 Stunden Sitzung kommen. Sitzungen sollten nie kürzer sein als 3 Stunden, sonst lohnt sich der Weg für die Teilnehmer nicht. Verzichten Sie dazu auf ein Zeitmanagement und stellen Sie immer sicher, dass auch wirklich jeder seine Befindlichkeiten adäquat zum Ausdruck gebracht hat. Vor allem neue, produktive Vorstandsmitglieder sind immer interessiert an alten Geschichten und investieren gerne Zeit, um sich ein Bild des Gemütszustandes der „alten Hasen“ zu machen.
5. Der Chor ist super, so, wie er ist
Lassen Sie sich nicht von Verbandszeitschriften oder Verlagen beeindrucken, vor allem die Verbandszeitschrift SINGEN ist nur dazu da, die unmöglich hohen Kosten der Mitgliedschaft im Schwäbischen Chorverband zu rechtfertigen und Einnahmen zu generieren. Auch die Fortbildungs- und Seminarbroschüren sind nur Makulatur! Sie haben, egal in welcher Position Sie tätig sind, keinen Bedarf an Fortbildung. Die Fortbildungsangebote der Verbände gehen meist an der Realität vorbei, außerdem investieren Sie so viel Zeit in Ihre Vereinsarbeit, dass Sie es nicht verantworten können, noch mehr Zeit für Fortbildungen zu investieren. Zudem hat auch der Chor ein Recht auf seine Ruhe.
Stimmbildung ist generell eine rein kosmetische Maßnahme. Stehlen Sie nicht die wertvolle Zeit der Sänger mit solchen Aktionen. Ähnlich ist es bei probenmethodischen Ansätzen. Das Textvokal- und Silbensingen, das Auseinandernehmen oder Umstellen der Stimmen haben sich als vollkommen wirkungslose Mittel und als eine Idee des Chorleiters herausgestellt, Zeit zu schinden. Vor allem und überhaupt sind Chorleiter nur daran interessiert, den Chor vorzuführen und die Leute zu strietzen. Geben Sie auch möglichst wenig Geld für eine gute Chorleitung aus. Je besser die Chorleiter ausgebildet sind, umso mehr wirkungslose Mittel werden sie ausprobieren und damit nur den Chor nerven.
Also merken Sie sich die einfache Grundregel: der Chor ist einfach super, so wie er ist!