Ein Blick auf die wichtigsten Fakten dieser erfolgreichen Ausbildung und deren Entwicklung
Seit 2007 bilden die Verbände der Amateurmusik in Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Kultus, Jugend und Sport musikbegeisterte Jugendliche der Haupt- und Werkreal-, Real- und Gemeinschaftsschulen zu Musiklotsinnen und Musiklotsen aus. Nachdem die Ausbildung bis 2010 vom Schwäbischen Chorverband (SCV) allein durchgeführt wurde, bietet der Bund Deutscher Blasmusikverbände (BDB) seit 2011 in Staufen einen parallelen Kompaktkurs an. Seit 2015 gibt es die fünftägige Fortbildung sogar an drei Standorten: der Deutsche Harmonika-Verband (DHV) kooperiert mit dem SCV, der Badische Chorverband (BCV) und der Blasmusikverband Baden-Württemberg (BVBW) haben sich für einen weiteren Lehrgang zusammengeschlossen. Auch auf organisatorischer Ebene ist man zusammengerückt: Das Ausschreibungs- und Anmeldeverfahren wird seit 2013 zentral über die Landesmusikjugend (LMJ) organisiert.
Insgesamt 339 SchülerInnen haben zwischen 2007 und 2016 die Ausbildung absolviert, in der sie verschiedenste Erfahrungen aus dem Bereich der Musik sammeln und fachliche Kompetenzen entwickeln konnten. Die Verantwortlichen für die Ausbildung sind dabei stets engagiert, das Kursprogramm qualitativ weiter zu entwickeln. Dabei stellen sich immer wieder die Fragen: Wer sind denn eigentlich unsere Musiklotsen und Musiklotsinnen? Erreichen wir unsere Zielgruppe? Wen erreichen wir noch nicht so gut? Erste Antworten auf diese Fragen erlaubt jetzt eine Auswertung aller Teilnehmerdaten der vergangenen zehn Jahre. Wenngleich die Daten nicht aus allen Jahrgängen und von allen SchülerInnen lückenlos vorhanden sind, lassen sich doch ein paar interessante Tendenzen
und Trends entdecken.
Statistik
Von den insgesamt 339 Ausgebildeten haben 99 den Kurs beim SCV absolviert, weitere 66 den gemeinsamen Kurs von SCV und DHV. 134 MusiklotsInnen brachte der BDB hervor, und BCV und BVBW haben seit ihrem Einstieg in das Programm 2014 bereits 40 SchülerInnen ausgebildet. Dabei nahmen insgesamt etwas mehr Mädchen als Jungen an dem Programm teil (57 zu 43 Prozent). Bei Ausbildungsbeginn waren die meisten SchülerInnen 13 oder 14 Jahre alt. Insgesamt 76 Prozent der TeilnehmerInnen fallen in die Zielgruppe des Programms, die 13 bis 15-Jährigen. Allerdings haben insgesamt mehr 12-Jährige an der Ausbildung teilgenommen als 15-Jährige. Die Wohnorte der MusiklotsInnen waren fast flächendeckend über ganz Baden-Württemberg verteilt; insgesamt kommen sie aus rund 150 verschiedenen Gemeinden. Es ist keine auffällig ausgeprägte Konzentration in Ballungszentren festzustellen; kleinere Lücken bestehen im Norden um Bad Mergentheim / Künzelsau / Blaufelden und im Neckar-Odenwald-Kreis, im Schwarzwald sowie in den Landkreisen Sigmaringen, Konstanz und Bodenseekreis.
Schulen
Die MusiklotsInnen stammen von insgesamt 137 verschiedenen Schulen. Auffällig ist, dass rund 50 Prozent der Schulen nur einmalig vertreten sind, rund die Hälfte der Schulen hat also zwischen 2007 und 2016 nur einmalig eine/n SchülerIn angemeldet. Für die Hälfte der TeilnehmerInnen war es also offenbar kein Hinderungsgrund, ohne MitschülerInnen an der Ausbildung teilzunehmen. Das mag überraschen, geht man doch oft davon aus, dass Teenager alles am liebsten in Cliquen und Freundeskreisen machen. Die Schulen, die im Gesamtzeitraum mehrere SchülerInnen anmeldeten, haben teils in ein paar aufeinander folgenden Jahren, teils einmalig mehrere SchülerInnen in einen Ausbildungsjahrgang geschickt. Nur vier Schulen haben kontinuierlich über mehrere Jahre ein oder mehrere SchülerInnen geschickt.
Der am häufigsten besuchte Schultyp von MusiklotsInnen ist die Werkrealschule (41 Prozent aller Jugendlichen); am zweithäufigsten haben RealschülerInnen (21 Prozent) und SchülerInnen von Gemeinschaftsschulen (11 Prozent) an der Ausbildung teilgenommen. Dabei ist keine Schulart über die Jahre konstant häufiger oder seltener vertreten. Anders die allgemeine Entwicklung nach Schularten in Baden-Württemberg im selben Zeitraum: Die SchülerInnenzahlen an Haupt- und Werkrealschulen sind in den letzten zehn Jahren kontinuierlich und deutlich stärker zurückgegangen, als an Realschulen. Außerdem besuchten in Baden-Württemberg generell deutlich mehr SchülerInnen eine Realschule als eine Werkreal- oder Hauptschule. Es gibt also vermutlich durchaus noch Potential bei der Teilnehmergewinnung an Realschulen.
Vereinsmitgliedschaft und Musikalisches
Von allen ausgebildeten MusiklotsInnen waren mehr als ein Drittel, nämlich 128 SchülerInnen, Mitglied in einem Instrumental- oder Gesangverein. Der Anteil der MusiklotsInnen mit Vereinszugehörigkeit schwankt von Jahr zu Jahr – eine konstant positive oder negative Entwicklung gibt es nicht. Dabei kam – wie bei den Schulen – aus der deutlich überwiegenden Mehrheit der benannten Vereine nur jeweils eine/n SchülerIn zur Musiklotsenausbildung. Gleichwohl fällt auf, dass wenn mehrere SchülerInnen aus einem Verein stammten, diese überwiegend in ein und demselben Jahr die Musiklotsenausbildung (gemeinsam) besucht haben. Die wenigsten Vereine haben also kontinuierlich über mehrere Jahre jugendliche Mitglieder für die Ausbildung motiviert oder motivieren können. Die Vereine, aus denen Musik-
lotsInnen stammen, sind größtenteils Vereine der Blasmusik: 37 Prozent aus dem BDB und 44 Prozent aus dem BVBW. Die Verteilung entspricht den Unterschieden in der Mitgliedersituation der Instrumental- und Chorvereine: Die Blasmusikvereine haben im Vergleich einen deutlich höheren Anteil Kinder und Jugendlicher. Es nahmen aber auch an den Kursen der Chorverbände mehr Jugendliche aus Blasmusikvereinen teil, es könnte also sein, dass die Auswahl des Veranstaltungsortes (Nähe, Erreichbarkeit) für die SchülerInnen eine größere Rolle spielt, als die Verbandszugehörigkeit ihres Vereins.
Dass nur musikinteressierte SchülerInnen auch an einer Ausbildung wie dem Musiklotsenkurs teilnehmen, versteht sich eigentlich von selbst. Tatsächlich hatten die SchülerInnen der letzten zehn Jahre aber auch zumeist bereits eine musikalische Ausbildung vorzuweisen: Fast 80 Prozent spielten bei Anmeldung eines oder mehrere Instrumente, am häufigsten Klavier / Keyboard sowie Blasinstrumente (Trompete, Querflöte, Klarinette, Saxophon) und Gitarre.
Fazit
Was fängt man nun mit diesen Daten an? Aus Sicht der Verantwortlichen und Organisatoren ist es natürlich wichtig, die eigene Zielgruppe zu kennen, um die Angebote inhaltlich, aber auch bezüglich der Rahmenbedingungen noch passgenauer gestalten zu können. Neben der besseren Kenntnis des „typischen Musiklotsen“ bzw. der „typischen Musiklotsin“ können aber auch erste Ideen abgeleitet werden, wo noch Potential zur Gewinnung von TeilnehmerInnen für die Ausbildung besteht. Hier stechen vor allem drei Aspekte hervor: das Alter, „weiße Flecken“ in der Fläche des Landes und „Kundenbindung“.
Während die Ausschreibung sich bisher explizit an 13-15-Jährige richtete, zeigen die tatsächlichen Teilnehmerzahlen, dass schon bei 12-Jährigen großes Interesse an der Teilnahme besteht. Eine generelle Öffnung der Ausschreibung könnte eine mögliche Hemmschwelle für jüngere SchülerInnen weiter senken, sich anzumelden. Zur Erschließung der „weißen Flecken“ könnten die Amateurmusikverbände Schulen und Vereine in den Regionen, die bisher wenig oder gar nicht vertreten sind, gezielt ansprechen und für die Ausbildung werben. Und schließlich sollten die Verbände sich mit der Frage auseinandersetzen, warum nur so wenige Schulen und so wenige Vereine regelmäßig oder kontinuierlich ihre SchülerInnen bzw. ihre jugendlichen Mitglieder zur Musiklotsenausbildung anmelden. Oder anders gefragt: Wie gelingt den Verbänden eine stärkere „Kundenbindung“? Hier könnte der persönliche Kontakt mit der/dem MusiklehrerIn Aufschluss darüber geben, ob Zufriedenheit mit der Ausbildung besteht und damit eine grundsätz-liche Bereitschaft, weitere SchülerInnen zur Teilnahme zu motivieren. Im besten Fall würde dann die Schule bzw. der/die LehrerIn kontinuierlich, jährlich interessierte SchülerInnen auf die Ausbildung aufmerksam machen. Ein zweiter Weg wäre es, die AbsolventInnen der Musiklotsenausbildung zu motivieren, KlassenkameradInnen und jüngere SchülerInnen zur Teilnahme zu ermutigen – vielleicht als eine Art „Musiklotsenbeauftragte/r“ an der Schule? Eine Kontinuität in der Entsendung von SchülerInnen einer Schule würde auch die Nachhaltigkeit der Ausbildung durch – bestenfalls – Institutionalisierung des Musiklotseneinsatzes in den Schulen fördern.
Aus Verbandssicht ist natürlich aber vor allem die Bindung der Vereine wichtig, in denen MusiklotsInnen Mitglieder sind. Hier besteht bisher noch weniger Kontinuität als bei den Schulen. Auch wenn die offizielle Anmeldung über die Schulen erfolgt, und diese natürlich den direkteren und häufigeren Kontakt zu den Jugendlichen haben, könnten mehr Vereine, die bereits einmal eine/n SchülerIn geschickt haben, ermutigt werden, auch in den Folgejahren um Interessierte zu werben. Die Verbände könnten dazu Ansprechpartner in den Vereinen ausmachen und das persönliche Gespräch suchen. In jedem Fall werden sich die Engagierten in der Musiklotsenausbildung noch weiter mit den Ergebnissen auseinandersetzen und versuchen, sie für die nächsten zehn Jahre Musiklotsenausbildung zu nutzen.