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SINGEN 2017-03, Thema

Mut zu thematischen Konzertprogrammen!

Florian Benfer
1. März 2017
Florian Benfer, Chorleiter des Deutschen Jugendkammerchores, erklärt, warum es so wichtig ist spannende Konzertkonzepte zu planen

Thematische Konzertprogramme zu entwickeln ist oft nicht so einfach. Es ist ein langwieriger Prozess, der Zeit, Geduld und immer wieder auch Nerven kostet. Unverbrauchte Themen und spannende Aufhänger liegen bekanntermaßen nicht auf der Straße.

Wir Chorleiter kennen zudem das Dilemma: einerseits hätten wir so gerne alle künstlerischen Freiheiten, führten am liebsten nur die großen Meisterwerke auf und verfügten über unbegrenzte Probenzeit. Doch auf der anderen, der Kreativität scheinbar abgewandten Seite warten nicht selten unabdingbare Gegebenheiten und Zwänge, die so gar keine großen Spiel-räume zulassen. Im Gegenteil, wir müssen auf vieles Rücksicht nehmen: Proben-zeiten, Besetzungen, Aufführungsorte, Wünsche des Chores und der Veranstalter u. v. m.

Da stellt sich die Frage, wie am Ende ein schlüssiges Programm entstehen soll und nicht ein wildes Potpourri mit wenig aussagekräftigen Konzerttiteln à la „Geistliche und weltliche Chorwerke aus vier Jahrhunderten“…

Auch unsere im November erschienene CD „Nachtschichten“ des Deutschen Jugendkammerchores (DJKC) ist ein Beispiel für einen solchen Vorbereitungsprozess. Es ist die erste CD seit der Neuformierung des Chores unter meiner Leitung. Uns war wichtig, die ganze künstlerische Palette dessen zu präsentieren, was den Chor aktuell ausmacht. Die Kombination aus jugendlichem Charme und dem trotzdem (relativ) reifen und ausgebildeten Klang ist etwas Besonderes – dies sollte zur Geltung kommen. Außerdem wollte ich verschiedene Stile präsentieren und Stücke auswählen, die den vielfäl-tigen Ausdrucksmöglichkeiten und der „Frische“ eines Jugendchores entsprechen. Und schließlich war mir die Dramaturgie, der roten Faden, sehr wichtig.

Neben diesen Kriterien gab es aber natürlich auch eine Reihe ganz handfester Gründe, die zur Hinzunahme eines und zur Verwerfung eines anderen Stückes führten. Die ohnehin äußerst knappe Vorbereitungszeit musste genauestens kalkuliert werden. Es galt, die Besetzung während der Aufnahme im Auge zu behalten, und schließlich musste ich einzelne Stücke aus dem Vorjahr mit ins Programm nehmen, da sie quasi schon zum Repertoire des Chores gehören und dadurch schneller vorbereitet werden konnten: Chorleiteralltag eben.

Trotz der oft nicht leichten Umstände (oder vielleicht gerade deswegen) finde ich es sehr spannend und reizvoll, Programme zu entwerfen und auszuarbeiten. Dabei spielt keine Rolle, wie „klein“ oder „groß“ der gegebene Anlass ist oder auf welchem Niveau der Chor sich befindet.
Es gibt im Grunde keinen Tag, an dem ich nicht in irgendeiner Form über Konzertprogramme und Werkzusammenstellungen grüble. Ich stoße immer irgendwo auf ein neues Thema oder eine neue Spur. Wie können wir den vielen verschiedenen Anforderungen an ein Konzert gerecht werden und trotzdem ein schlüssiges, spannendes und themengebundenes Programm entwerfen?

 

Wir haben doch all diese Wunderbaren Texte und Inhalte!

Ich denke, dass eine der möglichen Antworten in den Werken selbst verborgen liegt. Jedes Musikstück weiß in Bezug auf die Umstände seiner Entstehung seine eigene Geschichte zu erzählen, die es sich lohnt nachzuverfolgen. Und vor allem: Wir haben doch all diese wunderbaren Texte und Inhalte!

Fast immer liegen den Chorwerken Texte zugrunde, und sehr oft sind sie von großer Originalität und Qualität, sie sind spannend und vielschichtig. Nicht selten verbinden die Komponisten ganz persönliche Erinnerungen, Emotionen und Gefühle mit den Texten, die sie für ihre Kompositionen auswählten. Dem sollen und können wir Rechnung tragen, denn genau hier liegt oft ein spannender Ansatzpunkt für uns ausführende Musiker. Es ist immer ein Gewinn, die zur Wahl des Textes und zur Komposition eines Werkes führenden Umstände näher zu kennen. Wenn wir vertraut sind mit der Zeit und Lebenssituation des Komponisten, führt dies zu einem tieferen Verständnis der Musik, und eine vielschichtigere Interpretation ist die logische Folge.

Meiner Erfahrung nach hilft es sehr, die zugrunde liegenden Texte gründlich zu studieren und sich mit der Entstehungsgeschichte der Komposition zu befassen, denn auch die Umstände, unter denen ein Musikstück entstanden ist, können durchaus Stoff für Konzertprogramme bieten!

 

Interessante Querverbindungen durch genaue Textrecherche

Bei der genaueren Recherche stößt man – quasi im Vorbeigehen – früher oder später auf interessante Querverbindungen, und auf einmal entsteht womöglich eine ganz neue programmatische Idee.

Als ich auf der Suche nach geeigneten Werken zu den Themenfeldern Kind – Träume – Albträume für die „Nacht-schichten“-CD war, fielen mir die „Trois Chansons“ von Maurice Ravel in die Hände. Ich hatte schon früher an sie gedacht, weil sie eine Herausforderung für jeden Chor darstellen und gerade der DJKC viel an ihnen würde lernen können. Mit den genannten Themenfeldern hatten sie allerdings zunächst nichts zu tun.

Ich fing an mehr über diese wunderbare Komposition zu lesen und erfuhr, dass Ravel die Texte selbst geschrieben hatte (1915, also mitten im Ersten Weltkrieg). Es sind erfundene Geschichten im Stil von Märchen, und die Vermutung liegt nahe, dass Ravel sich hier seinem ganz eigenen Schatz der Kindheitserinnerungen bediente. Die Nr. 3 ist ein wildes Rondo mit allerlei Spukgestalten im Wald, in welchen es den Kindern verboten ist heimlich zu gehen. Man kann sich leicht vorstellen, wie diese Fabelwesen stattdessen nachts durch die Träume der Kinder spuken und geistern – ideal für unsere CD!

Ein anderes Werk im Programm ist das „Wiigen-Lied“ von Per Nørgård. In diesem scheint sich eine Art Dialog zwischen einem Kind und einer erwachsenen Person zu entspinnen. Dass sich das Kind nicht beruhigt, lässt das Ende des Stückes erahnen. Wie die Möbelstücke im nächtlichen Kinderzimmer zu Spukgestalten werden können, verändern auch die gesungenen Silben ihre Gestalt, und das Stück scheint sich mehr und mehr zu einer Art Albtraum zu entwickeln.

Die beiden Stücke, Ravel und Nørgård, haben rein „äußerlich“ fast nichts gemeinsam, die Tonsprache der Komponisten unterscheidet sich sehr voneinander. Nacheinander im Konzert vorgetragen, bestimmt der starke Kontrast das Hörerlebnis. Mit einer kurzen Moderation im Konzert können die oben beschriebenen Gemeinsamkeiten verdeutlicht werden. Beide Stücke handeln von Kindern und vom Kindsein – und beide Komponisten sind zu zwei völlig unterschiedlichen Ergebnissen gekommen. Indem wir in der Situation des Konzerts den Zuhörer auf diese Weise auf das Kommende vorbereiten, wird er die Stücke womöglich mit etwas „anderen Ohren hören“. Er kennt nun die Parallelen und kann die beiden Werke miteinander vergleichen. Er bekommt auf diese Weise konkrete Anhaltspunkte mit auf den Weg, auf die er während des Hörens achtgeben kann.

 

Hintergrundinformationen auch für das Publikum

Meiner Meinung nach können wir die Konzertbesucher ohne Weiteres mit auf die Reise in die Biographien der Komponisten und Textautoren nehmen und teilhaben lassen an diesen spannenden Hintergrundinformationen, die – natürlich wohldosiert und ohne den erhobenen Zeigefinger und oberlehrerhaft vorgetragen – zu einem spannenden Hör- und Konzerterlebnis führen können. Ich mache oft die Erfahrung, dass Konzertbesucher eine gut vorgetragene Moderation oder vorhergehende Einführung sehr schätzen. Es muss keineswegs immer gleich ein musikwissenschaftlicher Vortrag sein. Das Gegenteil ist der Fall: Je persönlicher und einfacher zu verstehen die vorgetragenen Gedanken sind, desto mehr kann der Zuhörer in dem Moment etwas damit anfangen.

Selbstverständlich ist der Bezug auf biographische Aspekte nur ein möglicher Weg. Es gibt viele Arten und Weisen ein Themenfeld zu finden und es sich zu erschließen. Meiner Meinung nach ist es nur in jedem Fall wichtig, immer die Musik und die musikalisch-künstlerische Intention eines Werkes im Kleinen und des Konzertes im Großen im Blick zu behalten. Wir können den Musikwerken keine Stories aufzwingen, die nicht bereits in ihnen angelegt sind. Themengebundene Programme sollen die Rezeption der Musik und das künstlerische Erlebnis des Konzerts unterstützen.

Hilfe bei Konzertplanung und Repertoiresuche bieten viele verschiedene Quellen. Das Internet mit seinen Webseiten, Datenbanken und Foren ist unverzichtbar. Viele Notenverlage bieten mittlerweile clevere Suchfunktionen auf ihren Onlineseiten und ermöglichen eine breitere Suche nach passender Literatur. Streamingdienste wie Spotify, Tidal und Co. ermöglichen den Zugriff auf nahezu unbegrenzt viele Aufnahmen. Auf der Suche nach spezifischen Werkeinführungen mit wichtigen Detailinformationen zu Einzelwerken sind nach wie vor CD-Booklets von großer Hilfe. Unter den einschlägigen Lexika kann ich die Serie „Handbücher“ von Metzler und Bärenreiter sehr empfehlen. Hier findet man – allerdings bislang nur zu ausgewählten „klassischen“ Komponisten – erschöpfende Informationen zu den Werken aller Gattungen.

Über den Autor

Vielseitigkeit und Neugier für Musik aus allen Zeiten zeichnen Florian Benfers Arbeit als Dirigent, Sänger und Organist aus. Er ist künstlerischer Leiter des Deutschen Jugendkammerchores, des Stockholmer Kammerchores und des von ihm 2008 gegründeten jungen und internationalen ARTON Ensembles.

Nach seinem Studium in Kirchenmusik, Chor- und Orchesterdirigieren in Leipzig, Stockholm und Den Haag sammelte er Opernerfahrung als Chordirektor an der Königlichen Oper Stockholm und als musikalischer Leiter in Produktionen der Stockholmer Volksoper. Seit 2011 arbeitet er regelmäßig mit dem Schwedischen Rundfunkchor und dem Eric Ericsons Kammerchor zusammen.

 

Konzert
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