Landauf – land ab, wo man hinhört werden die Vereine mit Aufgaben überschüttet.
Auf Vereine kommen heutzutage immer mehr Aufgaben und Herausforderungen zu. Die gesellschaftliche Entwicklung fordert den Vereinen viel ab, bietet aber auch neue Chancen. Ein wichtiges Betätigungsfeld in Vereinen muss die Jugendarbeit darstellen. Im Umgang mit Jugendlichen müssen allerdings auch viele Vorschriften beachtet werden.
Kein Wunder, dass der Zuschussbetrieb „Jugendarbeit“, der ja hauptsächlich Geld kostet und auch noch eine große Menge an Risiken bietet, gescheut oder auch vernachlässigt wird. Zum einen muss man einen Chorleiter finden und bezahlen, der ein Kindermagnet ist, Musik macht, die sowohl am Puls der Zeit orientiert ist, aber auch unseren klassischen Chorgesang nicht aus den Augen verliert, zum anderen muss er vereinstauglich sein. In Vereinen muss der Jugendchorleiter oft eine „All-in-one-Lösung“ für alle Fälle sein und dabei auch noch alle gesetzlichen Vorgaben im Rechtsbereich kennen. Dabei gibt es einen wichtigen Punkt, der hier auf keinen Fall in seiner Dringlichkeit unterschätzt werden darf: Aufsichtspflicht. Hier gibt es einige Risiken und Folgen, die nicht zu unterschätzen sind, auf die man aber auch vorbereitet sein kann.
Mit dieser Problematik möchte ich mich im folgenden Artikel beschäftigen und die Vereinsverantwortlichen im Schwäbischen Chorverband ermutigen, sich doch mehr dem Kinder- und Jugendbereich zu widmen, weil es einfach die ganze Mühe wert ist, wenn man beispielsweise Kindern beim Singen zuhören kann.
Die Aufsichtspflicht ist so eine Sache. Jeder, der ehren- oder hauptamtlich mit aufsichtspflichtbedürftigen Personen zu tun hat, weiß, dass es sie gibt und dass sie irgendwann beginnt und endet. Doch hier ist fundiertes Wissen wichtig:
1. Wer ist eine aufsichtspflicht-bedürftige Person?
Grundsätzlich handelt es sich dabei um Menschen, die nicht in der Lage sind, die Folgen ihrer Handlungen oder Risiken abzuschätzen und dabei auf die Anleitung von Erwachsenen angewiesen sind. Die Aufsichtspflicht endet in der Regel mit dem Eintritt ins Erwachsensein (der Voll-
jährigkeit).
2. Wie kommt der Verein der Aufsichtspflicht nach?
Zuallererst durch Informationspflicht: das bedeutet, die Erziehungsberechtigten sind über Beginn, Ende und Inhalt von Veranstaltungen und Maßnahmen zu informieren. Daraufhin entscheiden die Erziehungsberechtigten, die Kinder in Obhut eines Vereins zu übergeben. Die Aufsichtspflicht beginnt und endet mit der ausgewiesenen Uhrzeit (Beginn und Ende der Chorprobe). Dazu gehört auch, wenn andere Programmpunkte wie Ausflüge oder der Verzehr von Lebensmittel in Betracht gezogen werden, sich über die Umstände der Teilnehmer (Allergien, Nicht-/Schwimmer, sportliche Fähigkeiten) zu informieren.
Pflicht zur Vermeidung oder Warnung vor Gefahrenquellen. Die Aufsichtspflicht schließt auch mit ein, dass mögliche Gefahrenquellen im Vorfeld von der Aufsichtsperson ausgeschaltet oder notfalls auf sie hingewiesen wird. Je nach Alter der teilnehmenden Kinder oder Jugendlichen kann von altersüblicher Einsicht gesprochen werden und auf die bereits gemachten Erfahrungen von Kindern und Jugendlichen zurückgegriffen werden. So z. B. kann bei einem Wanderausflug darauf hingewiesen werden, dass die Kinder nicht das außer Sichtweite gehen sollen. Versuchtein Kind dennoch dies zu tun, dann muss es ermahnt werden.
Und schließlich die Pflicht die Aufsicht auszuführen. Da nicht immer davon ausgegangen werden kann, dass Kinder und Jugendliche gleich auf Anhieb verstanden haben, worauf sie hingewiesen worden sind, muss entsprechend nachgefragt werden, ob alles verstanden worden ist.
3. Wer übernimmt die Aufsicht?
Da der Verein Chorproben oder Singstunden anbietet, ist auch er grundsätzlich dafür verantwortlich, dass den oben erwähnten Pflichten nachgekommen wird. Nun ergeben sich je nach Anzahl der Kinder, Gefahrenquellen u. a. größere oder kleinere Herausforderungen, denen ein Chorleiter alleine nicht gerecht werden kann, und wenn ein Schaden entsteht, der Verein hier die Folgen zu tragen hat.
Deshalb gibt es die Möglichkeit einen ausgebildeten Jugendleiter zu beschäftigen. Er unterstützt den Chorleiter grundsätzlich bei der Ausübung und Erfüllung der Aufsichtspflicht und soll auch gewähr-leisten, dass organisatorische Aufgaben, getrennt vom musikalischen Auftrag, erfüllt werden. Solange alles gut geht, ist alles in Ordnung. Sobald aber etwas passiert, muss die Vereinsführung Rede und Antwort stehen. Ein Verein braucht deshalb nicht nur einen Jugendleiter, sondern eben auch ein kleines Team, das diese Aufgabe umsetzen und verteilen kann.
Welche Aufgaben und Funktionen ein Jugendleiter zu erfüllen hat, kann in einem Seminar (im SCV Jugendleiterschulung genannt) erlernt werden. Die Grundlage dieser Ausbildung bietet der Landesjugendring, die politische Vertretung der Vereine und Verbände in Baden-Württemberg, der hierfür Standards eingeführt hat. Im Gegenzug bietet der Landesjugendring den Jugendleitern ein kleines Geschenk – die sogenannte Jugendleitercard (kurz Juleica), die zum einen Ausweis für qualifizierte Jugendarbeit, aber auch eine Art Bonuskarte mit Vergünstigungen ist.
Hier können z. B. Jugendliche bei örtlichen Fahrschulen einen Rabatt auf den Führerschein mit bis zu 25% oder freien Kinobesuch für den Gruppenleiter beim Besuch mit einer Gruppe erhalten. Schnuppern sie ruhig etwas auf der Seite der Landesjugendringe unter www.juleica.de oder fragen sie mich, Matthias Wallisch.
Matthias Wallisch
Matthias Wallisch studierte in Tübingen Mathematik, katholische Theologie und Religion. Er ist Lehrer an der Kaufmännischen Schule Göppingen, 1. Vorsitzender der Chorjugend im Chorverband Karl Pfaff, 1. Vorsitzender des Gesangvereins Neckarlust Esslingen e. V. und leitet seit dem Jahr 2000 Jugendleiterschulungen für die katholische Kirche und den SCV.