Vizepräsident Christian Heieck bezieht Stellung zur Entwicklung im Deutschen Chorverband.
Zwei spannende und spannungsgeladene Jahre liegen hinter uns – dem Schwäbischen Chorverband, den Landesverbänden und dem Deutschem Chorverband. Prägnante Auseinandersetzungen hat es gegeben, scharfe Worte und reichlich Emotionen. Beim Chorverbandstag 2015 in Stuttgart setzten die Delegierten einen Prüfungsausschuss ein, der die finanziellen und wirtschaftlichen Aktivitäten des Deutschen Chorverbandes, seine organisatorischen und rechtlichen Strukturelemente untersuchen und dem drauffolgenden, dann außerordentlichen Chorverbandstag Bericht erstatten sollte (Eine Entlastung des DCV-Präsidiums erfolgte zunächst nicht).
Ersteres hat der Prüfungsausschuss getan, letzteres nicht: Eine Prüfung und kritisch-sachliche Auseinandersetzung mit den wirtschaftlichen und finanziellen Gegebenheiten beim Deutschen Chorverband fand nicht statt oder zumindest im Prüfungsbericht vom 26.03.2016 keinen Niederschlag. Dafür wurde vom DCV der hoch angesehene, ehemalige Präsident des Bundesrechnungshofes, Prof. Engel, beauftragt. Sein Bericht wurde vor dem außerordentlichen Chorverbandstag in Fulda 2016 vorgetragen. Darin attestierte er die ordnungsgemäße Geschäftsführung und wirtschaftliche Standfestigkeit des DCV.
Das Präsidium des Deutschen Chorverbandes hatte sich parallel dazu seit dem kritischen Chorverbandstag 2015 mit den erforderlichen Neuerungen und Ergänzungen im Bereich der Satzung, der Geschäftsordnung und – daraus abgeleitet – den Entscheidungsstrukturen im hauptamtlichen wie ehrenamtlichen Zusammenwirken beschäftigt und legte in Fulda die Arbeitsergebnisse vor.
Die Ergebnisse
Wir haben berichtet: Der Chorverbandstag in Fulda 2016 beendete nach allgemeiner Einschätzung die Phase der Auseinandersetzung und des Misstrauens; der Chorverbandstag erteilte dem Präsidium einstimmig Entlastung und verabschiedete die neue Dachverbandssatzung und die anderen, vorgelegten Ordnungen, ebenso einstimmig. Die Frage der Beitragserhöhung, die schon in Stuttgart diskutiert worden war, wurde auf die Tagesordnung für 2017 verschoben. Inzwischen haben darüber Gespräche, auch eine Länderpräsidentenversammlung stattgefunden, und es liegen den Landesverbänden Vorschläge des Deutschen Chorverbandes vor. Darüber – und über das geplante und beschlossene Deutsche Chorzentrum in Berlin – entzündete sich abermals eine engagierte Debatte unter den Landesverbänden, die noch im Gange ist und die bei einer Länderpräsidententagung Ende Juni und bei der Mitgliederversammlung des DCV im November 2017 Gesprächs- und Entscheidungsgegenstand sein wird.
Es gibt unterschiedliche Auffassungen
Durch diese Diskussionen wurde offenbart, dass es unter den Verbänden des Deutschen Chorverbandes nach wie vor unterschiedliche Auffassungen zu Auftrag und Rolle des Deutschen Chorverbandes gibt. Es war davon die Rede, der DCV entwickle sich vom Dachverband zum Fachverband. Auch das Verhältnis zwischen hauptamtlicher Geschäftsführung des DCV und dem Ehrenamt im DCV-Präsidium wurde thematisiert – nicht erst heute. Die Diskussion konnte – in abgeschwächter Form – seit 2007, der Fusion zwischen Deutschem Sängerbund und Arbeitersängerbund, verfolgt werden. Die demographische Entwicklung im Deutschen Chorverband, das – nicht neue, aber neu akzentuierte – Stadt-Land-Gefälle tun ein Übriges. Viele fragen sich: Geht hier eine Ära zu Ende?
Die zurückgehenden Zahlen an Chören auf dem Lande, vor allem der Chöre, die keine Jugendarbeit betrieben haben und betreiben – kontrastiert einer deutlich zunehmenden Zahl von Kinder- und Jugendchören, von Projektchören und anderen neuen Formen des Singens und Musizierens. Ist es also nicht so sehr die Entwicklung vom Dach- zum Fachverband, die hin und wieder behauptet wird, sondern sind es nicht viel mehr Vorboten einer Verwandlung unserer Chorlandschaft, die neue Formen der Chormusik braucht und auf dramatische Entwicklungen in unserer Gesellschaft reagieren muss? Ist nicht das Chorsingen in unserer Zeit der medialen Reizüberflutung, der Versingelung unserer Gesellschaft noch nie so wichtig gewesen? Müssen wir nicht die Chance nutzen, ein neues Miteinander von Jung und Alt in dieser sich wandelnden Zeit zu entwickeln? Seniorenarbeit und gemeinsames Singen von Jüngeren und Älteren ist allenthalben zu beobachten.
Wie geht es weiter?
Wir sind mitten in diesem Prozess. Wir wissen nicht, wo er hinführt. Wir wissen nur, wie wichtig das Singen in unserer Gesellschaft ist
und bleiben wird. Und Bindeglied muss das Chorsingen bleiben, an manchen Stellen auch werden, zwischen den Generationen, zwischen den Menschen, als Individuen oder in der Gruppe.
Mit dieser spannenden und grundlegenden Aufgabenstellung sind wir ins Jahr 2017 gekommen und haben schon einige Monate darin zurückgelegt. Im November wählt die Mitgliederversammlung des DCV einen neuen Präsidenten. Er wird die Herausforderungen vor-
finden, die ich hier beschrieben habe. Und er wird sie – da bin ich sicher – offensiv annehmen und zu seiner Aufgabe machen.
Der DCV ist Partner
Manche sagen: Wozu brauchen wir den DCV? Was „bringt er uns“? Die Antwort ist einfach: Er ist ein wesentliches Element unserer Chorzukunft. Auch Chormusik ist nur dann Salz in der Suppe einer Gesellschaft, wenn sie erneuert – und wenn sie sich selbst erneuert. Impulsgeber – nach innen wie nach außen – soll unsere Chorarbeit sein.