Bereits zweifach ist es Vereinen im Zabergäu gelungen, genau dies zu erreichen: Ein Projektchor wird zum festen Bestandteil der Vereinsstruktur.
Viele Vereinschöre, die hierzulande als „Stammchöre“ bezeichnet werden, sorgen sich in der heutigen Zeit um ihr Fortbestehen. Der singende Nachwuchs bleibt aus. Die Vereinsstruktur und das größtenteils traditionelle Liedgut erscheinen in der schnelllebigen, informationsgeladenen Zeit nicht mehr attraktiv und werden von der Jugend nicht wahr-
genommen.
Weichen Stellen für die Zukunft
Umso wichtiger ist es, als Verein in einer solchen Situation schnell und klug zu reagieren, alte Strukturen aufzubrechen und damit das Fortbestehen der Singtradition zu wahren. Denn mit dem Loslassen kann auch etwas Neues und Junges Raum gewinnen. Solch innovative Schritte werden von vielen Singgemeinschaften herbeigesehnt, doch oftmals zerschellt die Vision an vielen Fragen: Wie soll das gehen? Was muss getan werden? Wer soll die Aufgaben umsetzen?
Natürlich gibt es für solche Maßnahmen nicht „das eine Rezept“. Vielmehr ist es eine Reihe von unterschiedlichen und maßgeschneiderten Puzzleteilen, die zusammenfügt zum Erfolg führen können. Einige dieser Bausteine und Ideen haben sich bereits als sehr effektiv erwiesen, zum gewünschten Erfolg geführt und sollen nun als Vorlage für andere Vereine dienen. Hier gilt: Nachahmen ausdrücklich erwünscht! Um nun der blanken Theorie ein Gesicht zu geben, möchte ich zwei Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit schildern, die ich als Chorleiterin selbst konzipiert und begleitet habe. Mein Heimatverein, der Liederkranz Pfaffenhofen e. V., beauftragte mich, ein attraktives Singprojekt zu gestalten und umzusetzen. Dabei gewährte mir die Vorstandschaft stets freien Spielraum und unterstützte meine Ideen und Schritte tatkräftig. Auch für mich war diese Aufgabe eine Premiere und gleichzeitig eine Herausforderung, die ich gerne annahm.
Projektchor (mit) „Pepp“ und Potenzial
Ich begann mit meinen Recherchen zum Thema „Projektchor“ und stieß bei dieser Suche auf viele, sehr interessante Formationen, die allesamt eines gemeinsam hatten: Spaß am Singen! Attraktives Repertoire mit modernen und spannenden Arrangements, außergewöhnliche Performanceideen und freundschaftlicher Umgang miteinander, sind die Hauptbestandteile erfolgreicher Chorarbeit. Somit entwarf ich einen kurzen und aussagekräftigen Werbetext, der genau dies zum Ausdruck brachte.
Gemeinsam legten die Vereinsmitglieder ein Datum und damit den Projektbeginn fest. Die üblichen Werbemaßnahmen, Plakate, Flyer, Medien folgten. Rund 15 Personen fanden den Weg in den Proberaum und damit in das Projekt.
Im Verlauf der folgenden Monate wuchs diese Gemeinschaft auf 32 begeisterte Sängerinnen und Sänger heran. Wie jeder Chor, entwickelte auch dieser seinen speziellen Charakter, musikalische Vorlieben und seinen besonderen Klang. Von Beginn an stand fest, dass wir gemeinsam ein musikalisches Highlight in Form eines Konzertes anstreben, welches in naher Zukunft stattfinden sollte. Ein klares Ziel in greifbarer Nähe ist von entscheidender Bedeutung, wenn es um Motivation und Ausdauer geht. Diese Gemeinschaft zeichnete sich durch lockere, zielorientierte und stimmige Atmosphäre aus. Eine längere, ferienbedingte Pause erschien vielen als unnötig und somit entschlossen wir uns kurzerhand zur Teilnahme am Karl-Fiedrich-Zelter Chorwettbewerb in Göppingen, der im Oktober 2015 stattfand. Ein Zwischenziel, welches wir hoch-
motiviert angingen und die Sommerferien zur Vorbereitung nutzen. Ja, wir sangen den ganzen Sommer durch und es hat sich ausgezahlt!!! Unsere Darbietung wurde von der Jury mit einer Urkunde honoriert, die uns die „sehr gute Teilnahme“ bescheinigt, was zu einem Jubelsturm führte und Ansporn für alle kommenden Herausforderungen war.
Diese Erfahrung bleibt unvergessen und hat die Sängerinnen und Sänger endgültig zusammengeschweißt. Wir konnten uns ein Projektende und damit ein Auseinandergehen dieser Gemeinschaft nicht mehr vorstellen. Die Chemie stimmte einfach! Uns allen war klar: Was anfänglich als Projekt begann, war schon lange viel mehr! Wir sind zu einer jungen Chorgemeinschaft mit Zukunft herangewachsen!
Schnell entwickelte sich „pepp!“ zu einem bekannten und gefragten Chor in der gesamten Region und über das Zabergäu hinaus. Regelmäßige Einladungen als Gastchor bieten uns neue Ziele und bestärken uns heute regelmäßig aufs Neue, dass wir mit „pepp!“ auf dem richtigen Weg sind.
Dass über die Gründung und Entwicklung von „pepp!“ gesprochen wurde, wusste ich. Dass aber Nachbarvereine den Ehrgeiz entwickelten, es uns gleichzutun, erfuhr ich durch einen Anruf im November 2015.
Die Vorstandschaft des Gesangvereines „Frauenzimmern“ kontaktierte mich und lud zu einem Gespräch ein, um zu fragen, wie die Gründung von „pepp!“ gelingen konnte.
Ein anderes erfolgreiches Projekt
„EN VOGUE“
Nicht ohne Stolz berichtete ich über die noch junge Geschichte. Da man auch in Frauenzimmern ebenfalls die Notwendigkeit eines neuen Konzeptes erkannt hatte, den Fortbestand des Vereines zu sichern, erklärte die Vorständin mir, dass man beabsichtigte, es meinem Heimatverein aus Pfaffenhofen gleichzutun. So wurde es ein langer Abend, währenddessen ich im Detail die zahlreichen Fragen beantwortete. Dass ich hiermit überzeugt habe, verstand ich, als man mich kurzerhand fragte, ob ich mir vorstellen könne, auch in Frauenzimmern einen jungen Chor zu gründen und zu leiten. Da auch hier die Chemie auf Anhieb stimmte, sagte ich zu und wir begannen sogleich mit der Projektplanung. Durch die vorherige Erfahrung war die Schrittfolge nun klar: spannendes Konzept entwerfen, Projektstart terminieren, Werbemaßnahmen einleiten und dabei niemals auf die persönliche Einladung verzichten. Bereits nach drei Wochen fand die ersehnte Schnuppersingstunde statt, zu der wir 32 Damen und einen mutigen Herrn begrüßen konnten, der den Rückzug anbot, um geballter Frauen-Power nicht im Wege zu stehen.
Was lag auch näher, als in Frauenzimmern eine Chorformation aus Frauenzimmern zu gründen? „En Vogue“ war als Projektchor geboren. Und wieder zeigten sich Parallelen zu „pepp!“, denn auch diese Formation wollte nicht mehr auseinandergehen. Bis heute sind alle Gründungsmitglieder an Bord und der Chor wächst weiter. Heute besticht „En Vogue“ durch gute Qualität, einen konsequenten Singstundenbesuch und vor allem durch eine großartige Gemeinschaft, deren Zusammenhalt nach so kurzer Zeit beeindruckend ist.
Zurück zu „pepp“
Womit zu Beginn niemand gerechnet hat, ist ein unermesslicher Mehrwert, der sich erst ca. anderthalb Jahre nach dem Projektbeginn in Pfaffenhofen herauskristallisierte: Da sich „pepp!“ beinahe ausschließlich aus jungen Eltern zusammensetzt, entwickelte sich fast im Alleingang die Idee, für die Kinder der „pepp!er“ einen Kinderchor zu gründen. So lud der Liederkranz Pfaffenhofen wiederum zu einer Schnuppersingstunde ein – für die Kinder. Sofort fanden sich knapp 20 Sängerinnen und Sänger im Alter von 3 bis 12 Jahren im Sängerheim ein, die seither mit großer Begeisterung als die „smartees“ ihr eigenes Repertoire entwickeln. Die Kinder sind, schon aus versicherungstechnischen Gründen, allesamt Mitglied des Gesangvereins und arbeiten gemeinsam mit großer Begeisterung und Fleiß an einem Projekt, an dessen Ende eine Aufführung steht, nach der jedes Kind entscheiden darf, ob es den Verein verlassen oder auch am nächsten Projekt teilnehmen möchte. Somit bleibt Kindern, wie auch deren Eltern jederzeit die Freiheit, bei Nichtgefallen ihre Mitgliedschaft zu beenden.
Dieser Aspekt hat vielen Eltern die Entscheidung erleichtert, einen Antrag auf Mitgliedschaft zu unterschreiben. Ausgetreten ist noch niemand. Heute steht der ehemals in seiner Existenz bedrohte Verein auf drei festen Standbeinen: Stammchor, junger Chor „pepp!“ und Kinderchor „smartees“.
Und wieder einmal wiederholt sich die Geschichte: auch der Liederkranz Frauenzimmern denkt derzeit intensiv über die Gründung eines Kinderchores nach. Die Mütter der Frauenzimmerner Kinder finden sich zahlreich in den Reihen von „En Vogue“.
Nelli Holzki