Verhältnis von Mitgliederversammlung zu Vorstand bei finanziellen Anschaffungen
Es gehört zu den ehernen Gesetzen des Bürgerlichen Gesetzbuches, dass jeder Verein eine Mitgliederversammlung und einen Vorstand haben muss. Der Vorstand wird von der Mitgliederversammlung gewählt, die ihm das Vertrauen entgegenbringt, die Geschäfte des Vereins nach den Gesetzen, der Satzung und dem Willen der Mitgliederversammlung zu führen.
Es ist eine Sache des Vertrauens
Das Vertrauen ist in der Regel groß. Manchmal ist es beschränkt: Die Vertretungsmacht des Vorstandes kann sowohl durch die Satzung als auch durch einen Beschluss der Mitgliederversammlung beschränkt werden.
§ 26 Abs. 1 Satz 3 BGB besagt, dass die Vertretungsmacht des Vorstandes, die grundsätzlich nicht beschränkt ist, beschränkt werden kann. Das heißt: Der Vorstand kann gegenüber Dritten rechtsgeschäftlich nur in einem beschränkten Umfang handeln, beispielsweise ohne einen Beschluss der Mitgliederversammlung keine Immobilienkäufe oder –verkäufe tätigen, Verträge mit einem Volumen von mehr als 5.000 € nicht ohne Beschluss der Mitgliederversammlung abzuschließen oder keine Dauerschuldverhältnisse einzugehen, die ein Jahresvolumen
von gleicher Höhe haben.
Eine solche Beschränkung muss, wenn sie gegenüber Dritten wirksam sein soll, in der Satzung stehen oder ins Vereinsregister eingetragen werden. Dann kann jeder Vertragspartner des Vereins von dieser Beschränkung Kenntnis nehmen; er weiß deshalb, dass der Vorstand den Verein nur bis einem bestimmten Umfang verpflichten kann. Auf diesen Umfang ist dann auch sein Vertrauensschutz beschränkt.
Haftung bei Befugnisüberschreitung
Ein Beschluss der Mitgliederversammlung, dass der Vorstand den Verein eben nur bis zu einem bestimmten Umfang verpflichten darf, bindet den Vorstand im Verhältnis zum Verein, hat jedoch nach außen keine Wirkung. Überschreitet der Vorstand seine durch Beschluss der Mitgliederversammlung beschränkte Vertretungsbefugnis, kann er sich gegenüber dem Verein schadenersatzpflichtig machen; die Mitgliederversammlung kann ihn auch abberufen.
Die Mitgliederversammlung oder die Satzung können auch bestimmen, dass der Vorstand bestimmte Geschäfte nur mit Zustimmung eines anderen Vereinsorgans treffen kann. Auch eine solche Beschränkung muss in die Satzung aufgenommen werden, da die Satzung ins Vereinsregister eingetragen wird und für jedermann dadurch diese Haftungsbeschränkung sichtbar ist.
Die Mitgliederversammlung kann sich auch selbst eine solche Zustimmung vorbehalten.
Regelung in der Satzung
Hat die Mitgliederversammlung die Vertretungsbefugnis des Vereins beschränkt, ohne dass dies in die Satzung eingefügt oder ins Vereinsregister eingetragen wurde, kann eine Vertretungsbeschränkung des Vorstandes einem Dritten nur entgegengehalten wer-
den, wenn dieser die Beschränkung kannte oder kennen musste. Das Kennenkönnen und Kennenmüssen ist neben dem Publizitätsgrundsatz des Vereinsregisters die einzige Möglichkeit, das Handeln des Vorstands mit Außenwirkung zu beschränken, § 38 Abs. 1 BGB.
Ein Vertragspartner des Vereins sollte deshalb immer – von den kleinen Geschäften des täglichen Lebens vielleicht einmal abgesehen! – einen Blick in das Vereinsregister werfen, bevor er mit dem Vorstand ein größeres Geschäft abschließt.
Was tun, wenn der Vorstand sich nicht an den Beschluss hält?
Was nun, wenn ein Vereinsmitglied davon Kenntnis erhält, dass der Vorstand beabsichtigt, sich über einen Beschluss der Mitgliederversammlung hinwegzusetzen oder eine dem Verein nachteilige Maßnahme zu treffen?
Dazu hat das Oberlandesgericht Celle in einem Beschluss vom 12. Dezember 2017 (20 W 20/17) eine Entscheidung getroffen. Diese wurde zwar im Zusammenhang mit einem Beschluss von Vorstand und Aufsichtsrat eines Bundesligavereins getroffen, sie gilt aber sinngemäß für jeden Verein.
Im dortigen Fall hatte der Vorstand mit Billigung des Aufsichtsrates die Entscheidung getroffen, einen Vertrag abzuschließen, der aus der Sicht eines Vereinsmitgliedes den Interessen des Vereins diametral entgegenstand. Er versuchte deshalb, den Vollzug des Vorstandsbeschlusses mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu verhindern.
Das Oberlandesgericht Celle hat es abgelehnt, auf Antrag des betreffenden Vereinsmitglieds den Vorstand durch Erlass einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Vollzug dieser Entscheidung – insbesondere durch notarielle Urkunde – zu unterlassen. Stattdessen führte das OLG aus, der Vorstand habe in der Mitgliederversammlung für eine entsprechende Entscheidung freie Hand erhalten und sei auch ansonsten nicht durch Satzung oder den Mitgliederversammlungsbeschluss in seiner Entscheidungsfreiheit eingeschränkt gewesen.
Zu eben dieser Entscheidungsfreiheit gehört selbstverständlich auch die Vollzugsfreiheit, also die Freiheit, getroffene Entscheidungen – beispielsweise auch durch Abschluss von notariellen Verträgen – umzusetzen.
Wie kann die Maßnahme unterbunden werden?
Verschiedentlich ist entschieden worden, dass Vorstandshandeln unterbunden werden kann, wenn beispielsweise der Vorstand das vollständige Vereinsvermögen oder wesentliche Teile davon deutlich unter Wert veräußert. Die Beschränkung soll aber nur im Innenverhältnis gelten, mit der Folge, dass Schadenersatzansprüche gegen den Vorstand begründet sein können.
Ansonsten ist das Mitglied, welches durch das Vorstandshandeln eine Gefahr für wesentliche Interessen zu erkennen glaubt, auf seine Rechte in der Mitgliederversammlung beschränkt. Das heißt: das betroffene Vereinsmitglied müsste die Einberufung einer außerordentlichen Mitgliederversammlung durchzusetzen versuchen, was allerdings nur in den Grenzen einer diesbezüglichen Satzungsregelung möglich ist. In der Regel kann ein einzelnes Vereinsmitglied nicht die Einberufung einer außerordentlichen Mitgliederversammlung erzwingen, sondern nur eine in der Satzung festgelegte, zahlenmäßige Minderheit (Quorum), § 37 BGB. Einen solchen Beschluss müsste das Vereinsmitglied mit anderen Vereinsmitgliedern zusammen vom Vorstand fordern und ihn auffordern, bis zur außerordentlichen Mitgliederversammlung den Vollzug der für rechtswidrig gehaltenen Maßnahme zu unterlassen.
Vom OLG Celle nicht zu entscheiden war, ob der Vorstand durch einstweilige Verfügung gezwungen werden könnte, von Vollzugsmaßnahmen bis zur Entscheidung einer außerordentlichen Mitgliederversammlung abzusehen. Dies müsste nach meiner Auffassung möglich sein und sollte in einem solchen Fall versucht werden.
Bei allem Respekt für die Kompetenzordnung und –verteilung zwischen Mitgliederversammlung und Vorstand: In einer solch grundlegenden Frage und im Fall des Verlangens einer doch nicht ganz geringen Anzahl von Vereinsmitgliedern, eine außerordentliche Mitgliederversammlung einzuberufen, sollte der Vorstand vom Vollzug einer solchen Entscheidung bis zu einer außerordentlichen Mitgliederversammlung absehen. Dies jedenfalls dann, wenn nicht ganz unerhebliche Anzeichen dafür bestehen, dass dem Verein Schaden droht – und dem Vorstand Schadenersatzansprüche.