Nach Jahrzehnten als Dozent im Vokalbereich geht Klaus Brecht in den verdienten Ruhestand.
Zur Eröffnung der Landesakademie Ochsenhausen vor mehr als 30 Jahren wurde ein Dozent für den vokalen Bereich gesucht. Die Wahl fiel auf den jungen und vielseitigen Musiklehrer Klaus Brecht – aus Baden direkt ins schwäbische Oberland. Es sollte eine gute
Wahl sein, denn in Klaus Brecht hatte die Akademie einen absolut verlässlichen und allseitig kompetenten Mann gefunden.
Ein Eckpfeiler der Akademie
Verlässlich: er wurde in Ochsenhausen ansässig und blieb als Eckpfeiler im großen Gebäude fest am Platz. So die eine Seite – die andere aber die stets umsichtige: nach den Seitenströmungen der Musik in der Zeit. Das erforderte Offenheit und Flexibilität.
Er wurde zum Fachmann für das Notenschreiben am Computer, er arbeitete sich in der zeitgenössischen Musik ebenso voran wie im Bewahren der standardisierten gültigen Stimmtechnik.
Viele der Chöre haben ihn als stimmlichen Berater eingeplant, vielen Menschen hat er den Hals zum Singen zurechtgebogen. Klaus Brecht arbeitete mit den Laienchören wie mit den Profis, mit den jungen Stimmen und den gestandenen.
Wegweisende Veröffentlichungen
Aus der fundierten Kenntnis dessen, was man in der Zeit und den Generationen singen könnte und sollte, hat er Wege gewiesen in einer Reihe von guten Veröffentlichungen, welche teilweise zusammen mit Dr. Weigele, dem Leiter der Akademie, in großer Verantwortung entstanden sind.
Ich denke an die umfangreiche Substanz der Reihe „Chorissimo“, einer Wegweisung und Wegzehrung für Schule und junge Ensembles. Ich denke an die gemeinsame Arbeit am Chorbuch „Weitersingen“, dem Fundus für die ältere Chorgeneration und dem Fingerzeig für zeitlos gültige Mehrstimmigkeit, und an das gelungene Taschenbuch „Stimmband“.
Ein wichtiger musikalischer Impulsgeber
Klaus Brecht haftete in Ochsenhausen fest, aber er dehnte seine Impulse aus, gründete einen vielfach aufgeschlossenen Chor, dessen Name „Tritonus“ schon das offene Programm bis zur Spannungsdissonanz verrät. Nicht erst Reinhard Meys Song „Wie Orpheus möchte ich singen“ bezeugt die uralte Tradition des Orpheus, der singend seine Euridike aus der Unterwelt zurückzuholen versucht. Klaus Brecht führt seine Chorgründung „Orpheus Vokalensemble“ zu hoher Professionalität; dadurch wurde das ProfiEnsemble mit namhaften Gastdirigenten in vielerlei innovativen Produktionen zu einem der Leuchtzeichen der Akademie.
Trotzdem – er selbst blieb gerne im Hintergrund, selten stellte er sich selbst mit seiner schön geführten sonoren Stimme an die Rampe. Er arbeitete mit musikalischen Menschen, zielklar, vornehm, immer gerne mit leichtem Humor, den seine Augen zeigten. Wenn überlegen, dann nicht überfahrend; wenn bewusst, dann nicht dozierend. Ein bester Lehrer eben.
Die Akademie hat mit dem altersbedingten Ausscheiden von Klaus Brecht einen Eckstein verloren; die Chöre im Land danken einem echten Vorsänger, der Schwäbische Chorverband und das Amateurchorwesen einem verständigen und stets zugewandten Sachwalter, und ich einem frohen und kritischen musikalischen Weggefährten.
Was bedeutet jedoch für solch einen Menschen das Wort „Ruhestand“?