Mit der Qualität steht und fällt der Erfolg und die Attraktivität eines Chores. Doch wie definiert man eine gute Chorarbeit?
Der Musikbeirat im Schwäbischen Chorverband ist das Fachgremium, das die musikalische Ausrichtung des Verbandes vorantreibt. Hier wird unter anderem auch immer wieder darüber diskutiert, wie man die Vereine in ihrer täglichen musikalischen Arbeit unterstützen kann. Grundlegend hierfür ist natürlich Qualität.
Die Mitglieder des Musikbeirats Kathrin Achmüller (Schwerpunkt Kinderchor), Andreas Schulz (Schwerpunkt Jugendchor) und Tabea Raidt (Schwerpunkt Erwachsenenchor) äußern sich zu diesem Thema:
Was versteht ihr unter Qualitätsvoller Chorarbeit?
Kathrin Achmüller: Man muss die Kinder sinnvoll und behutsam an das Singen und die Chorarbeit heranführen. Material, Instrumente, Bewegung – das alles muss gut abgestimmt sein. Es geht um Klasse, nicht um Masse. Qualität im Kinderchor bedeutet immer ein hohes Maß an pädagogischer Ausbildung. Hier muss noch viel passieren.
Andreas Schulz: Grundlage von Qualität im Chor ist eine gut ausgebildete Stimme: Qualitätsvolle Chorarbeit ist zu 100 Prozent verknüpft mit einer guten gesanglichen Ausbildung. Hier geht es vor allem um das Schulen der eigenen Stimme, aber auch um musikalisches Verständnis und die Mündigkeit der einzelnen Sänger.
Tabea Raidt: Der erste Anspruch an einen Chor liegt ja auf der Hand: er soll schöne Musik hör- und erlebbar machen. Dabei sollte es jedoch nicht nur um einen gelungenen Auftritt, um ein erfolgreiches Konzert gehen. Jede einzelne Chorprobe sollte so sein, dass es das Beste ist, was die SängerInnen an jedem Dienstagabend machen können. Besser als der Krimi auf dem Sofa, besser als das Essen im Restaurant, besser als das Fußballtraining. Leider sind aber die Zeiten vorbei, in denen die SängerInnen aus Verbundenheit zum Verein zähe Chorproben erduldet haben, um dann ein schönes Herbstkonzert präsentieren zu können. Auch die Einkehr nach der Chorprobe ist nicht mehr das Zugpferd fürs Mitsingen. Es muss die Chorprobe selbst sein, die ein Erlebnis ist. Entspannend, belebend, sozial, erfolgreich. Das ist ein hoher Anspruch, den alle Beteiligten Woche für Woche zu stemmen haben, allen voran natürlich die Chorleitung.
Wo liegt die Verantwortung dafür? Chorleiter, Sänger, Vorstand?
Kathrin Achmüller: Im Kinderchor ist klar der Chorleiter verantwortlich dafür, was mit dem Chor passiert. Der Vorstand muss die Arbeit aber unterstützen mit Geld, Engagement und Ideen. Ein Verein muss sich entscheiden: Will ich Jugendarbeit machen, oder habe ich eben nur einen Kinderchor.
Andreas Schulz: Ein guter Chorleiter bindet seine Sänger mit ein, entwickelt den Chor so auch weiter. Damit übernimmt der Chorleiter den Hauptteil der Verantwortung. Der Vorstand muss durch die organisatorische Arbeit ein gutes Fundament legen. Dennoch geht nichts, ohne den Einsatz des einzelnen Sängers.
Tabea Raidt: Chorleitung, SängerInnen und Vorstand tragen zu gleichen Teilen Verantwortung für erfolgreiche Chorarbeit. Dabei brauchen alle Beteiligten vor allem: Passion und Disziplin. Die Chorleitung muss in jeder Chorprobe und bei jedem Auftritt den SängerInnen und allen ZuhörerInnen vermitteln, wie begeistert sie selbst von dem ist, was sie tut.
Interessant ist die Frage, inwiefern der Vorstand hauptsächlich organisiert und formal regelt oder inwiefern der Vorstand die Leitlinien und Entwicklung des Chors gestaltet. Oft ist diese Frage zwischen Chorleitung und Vorstand nicht geklärt, so dass jeder vom Anderen Impulse erwartet und letztlich eine gefährliche Leerstelle bleibt. „Wo sehen wir uns in fünf Jahren und sind wir auf dem richtigen Weg“ sollte Kernthema einer jährlichen Besprechung mit allen Beteiligten sein.
Ist Qualität auch eine Frage der Definition? Anspruch und Können?
Kathrin Achmüller: Qualität ist eine Frage der Definition. Hinter einem guten Kinderchor steckt mehr als nur Technik allein. Wir legen den Grundstein für Musikalität im Kindesalter.
Andreas Schulz: Es gibt Qualität und es gibt „qualitätsvolle Chorarbeit“: Diese beiden Begriffe hängen zwar zusammen, müssen aber dennoch unterschieden werden. Qualität geht nicht ohne qualitätsvolle Arbeit.
Zum Thema Anspruch: Nur mit einem vernünftigen Anspruch kann Qualität einhergehen: Zu hoher Anspruch erzeugt Frust, zu geringer Anspruch verlangsamt und verursacht im Endeffekt auch Frust.
Tabea Raidt: Qualität bedeutet ja das Erfüllen von Anforderungen. Das Profil eines Chors sollte also zu seinem Können und zu den Rahmenbedingungen passen. Bei vielen Chören scheint das Profil nicht ganz geklärt zu sein. Zwar gibt es einen Namen (z. B. „Singkreis“, „Gospelchor“, „Liederkranz“), dies sagt aber noch nichts darüber, welche Genres der Chor singt, a cappella oder mit Instrumenten, drei- oder sechs-stimmig, in welchen Stimmqualitäten, homophon oder rhythmisch, beim Auftritt mit oder ohne Noten, mit Choreografie oder ohne, mit oder ohne technische Verstärkung, gegen Gage oder nicht, mit Wettbewerbsteilnahmen oder nicht, mit oder ohne Aufnahmeverfahren, mit oder ohne Üben zu Hause.
Qualität muss Entwicklung sein. Wie steht ihr zu dieser Aussage?
Kathrin Achmüller: Der Chorleiter muss ein Bild davon haben, was er mit seinem Chor erreichen will. Als Kinderchorleiter hast du immer Nachwuchs im Chor, da musst du auch immer das Niveau anpassen.
Andreas Schulz: Qualitätsvolle Chorarbeit muss mit Verbesserung und damit auch mit Entwicklung des einzelnen Sängers, aber auch des gesamten Chores einhergehen. Man muss die Jugendlichen mit Qualität motivieren.
Tabea Raidt: Rahmenbedingungen und Hörgewohnheiten entwickeln sich immer weiter. Ein Chor, der auf einem einmal erreichten guten Niveau angekommen ist, muss immer wieder überprüfen, ob der aktuelle Stand noch zu ggf. veränderten Ansprüchen passt. Also ist es die Aufgabe der Chorleitung, das Können der SängerInnen weiterzuentwickeln. Es kann also nicht alleinige Aufgabe sein, jedes Jahr neue Stücke zu erlernen, sondern auch die Stimmen, das Rhythmusgefühl, das Wissen über Musik, die Bühnenpräsenz u.s.w. weiterzuentwickeln.