Der Belcanto Code von Franziska Dieckmann.
Das Praxisbuch für den kontinuierlichen Gesangsunterricht ist auf der Grundlage der funktionalen Stimmentwicklung konzipiert und führt schrittweise in die Technik des klassischen Belcanto-Stils ein. Es ist gleichermaßen für die Frauen- und Männerstimme konzipiert.
Das 86 Seiten umfassende, in der Edition Fokus Vokal 2017 erschienene Buch ist in 20 aufeinander aufbauende Lektionen gegliedert. Die Basisübungen sind in die vier Bereiche, Kopfstimme (blau), Bruststimme (rot), Übungen für Höhe und Geläufigkeit (gelb) sowie Legatoübungen (grün) aufgeteilt. Durch die farbige Markierung einzelner Übungen ist klar, welches Ziel bzw. welche Ziele mit einer Übung erreicht werden.
Ein klarer Aufbau des Buches:
Alle Übungen werden konsequent im Metrum rhythmisch im Ablauf Ausatmung, Einatmung und Singen ausgeführt und sind klar gegliedert. Durch viele Fotos wird bildlich die exakte Beschreibung, wie eine Übung durchzuführen ist, veranschaulicht. Die Notation der einzelnen Übungen im Notensystem ist ebenso exakt und deutlich.
Die 20 aufeinander aufbauenden Lektionen haben in den ersten sieben Lektionen die körperlichen Grundvoraussetzungen im Fokus. So wird, von den Füßen ausgehend, das Knie, das Becken, die Schultern, der Kopf, die Wirbelsäule und die gesamte Körperhaltung, der richtige Stand beim Singen erarbeitet. In jeder Lektion wird auch sofort die Verbindung mit der Stimme und dem Singen hergestellt, und zwar mit sehr genau beschriebenen Stimmübungen. Beginnend mit dem Vokal u werden alle Vokale, die Konsonanten, Schwa-Laute und Umlaute thematisiert. Ebenfalls von Anfang an wird auch sehr fundiert auf die Atmung eingegangen, auch wenn ab den Lektionen 8 bis 17 der richtige Atem besonders im Zentrum steht, die gelöste Vollatmung, die aktive, die vertiefte sowie die schnelle Einatmung, die bewusste, die aktive und die geführte Ausatmung, das bewegliche Zwerchfell sowie die geweiteten Flanken intensiv behandelt werden.
Gezieltes Üben und Spüren
Das Buch ist sehr verständlich geschrieben und bietet eine Fülle an exakt beschriebenen Übungen. Immer wieder stellt Franziska Dieckmann Wahrnehmungsfragen, die die Übenden zu gezieltem Spüren und zum vertieften Wahrnehmen hinführen. Auch die Hinweise, wann vor bzw. mit dem Spiegel geübt werden soll, ist für die Kontrolle der Wahrnehmungen im (Klang-) Körper hilfreich. Dabei macht sie auf häufige Fehler in der Ausführung der Übungen aufmerksam, indem sie z.B. schreibt: ,,Sprich ein starkes w und bilde es in der Schnute, ziehe also die Mundwinkel nicht in die Breite.“ Und:,, Öffne zum O die Lippen nicht! Die Veränderung findet im Mundraum statt. Es reicht, wenn du O denkst. Schau es dir im Spiegel an, die Öffnung der Lippen ist ungefähr so groß wie eine Kirsche.“ Oder: ,,wiederhole es und rühre dabei heftig mit den Fingern der rechten Hand auf dem linken Handteller“. An so einer Stelle wäre für manche Schüler manchmal eine kurze Erklärung hilfreich. Es wird zwar im Vorwort der Hinweis gegeben, dass Linkshänder die Bewegungsabläufe entgegengesetzt ausführen können, warum die Verbindung von Fingerspitzen und Zungenspitze so hilfreich die Ausführung unterstützt, wird jedoch nicht genauer erklärt. Es ist wie in manchem Gesangsunterricht: Es erfordert die Neugier des Ausprobierens und weniger die Begründung, warum sich bestimmte Bewegungen positiv auf die Stimmgebung, die Lautbildung und/oder die Atmung auswirken. So wird deutlich, dass wir es hier mit einem sehr fundierten Praxis-Buch für die differenzierte Arbeit mit der Stimme zu tun haben.
Fachwissen als Basis des Buches
Die Autorin Franziska Dieckmann verfügt über extrem fundiertes Wissen, Erfahrung und Können, um so detailliert auf alle Nuancen, wie genau eine Übung durchgeführt werden muss, einzugehen. Alle Übungen werden so beschrieben, dass jedem Leser klar wird, worauf er genau achten muss. Wer sich auf diese Genauigkeit einlässt, wird immer wieder staunend feststellen, wie sich der Stimmklang verbessert. Man wünscht sich auch bzw. gerade als Fachfrau Fortbildungen mit dieser Autorin.
Sehr viele Praxisbücher haben das Problem, dass die Übungen an sich gut wären, wenn man sie denn richtig ausführt. Meist wird genau diesem WIE zu wenig bis keine Bedeutung beigemessen. Die absolute Stärke dieses Praxisbuchs besteht darin, dass bei jeder Übung genau beschrieben wird, WIE sie ausgeführt werden muss. Das erfordert ein sehr diszipliniertes Üben und schult die Wahrnehmungsfähigkeit der Schüler. Damit der Übende seinem Ziel, Singen zu lernen, näherkommt, ist allerdings einige Zeit nötig, um die Übungen nicht nur kennenzulernen, sondern regelmäßig mit zunehmendem Verständnis der Abläufe und Zusammenhänge zu üben. Dann allerdings lernt der Schüler nicht nur die Kunst des klassischen Gesangs, sondern vor allem, sehr gut mir seiner Stimme umzugehen, und darf sich über stimmliche Klangzuwächse freuen.
Auch auf die Sprachbehandlung geht Franziska Dieckmann in diesem Fachbuch sehr qualifiziert ein. Die Unterschiede in der Behandlung der Nachsilben beim Sprechen und beim Singen erklärt sie am Beispiel des Liedes „Bruder Jakob“ unscheinbar im Kapitel über das richtige Atmen. Das ist ein Beispiel, wie ungeheuer viel in diesem Praxisbuch steckt und wie umfassend damit geübt werden kann. Auch jeder interessierte Chorleiter wird eine Fülle an Übungen für die Stimmschulung seiner Sänger finden und in einem Nebensatz so hilfreiche Tipps bekommen, die in mach anderen Publikationen zum Buch bzw. zur Methode aufgeblasen werden. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass dieses Werk für alle, die mit Sängern arbeiten, vom klassischen Singen fasziniert sind und an fundierten differenzierten systematischen Übungen Interesse haben ein Muss ist. Für dieses Buch wünsche ich mir große Verbreitung in den interessierten Fachkreisen.