Zu Herausforderungen und Chancen des Oberschwäbischen Chorverbands:
Wenn die Zukunft zur Gegenwart wird.
Wie geht es weiter mit den schwäbischen Chören und wie wird sich die Chorlandschaft während der nächsten Jahre und Jahrzehnte verändern? Welche Problemfelder ergeben sich durch den demographischen Wandel, welche Herausforderungen sind zu erwarten und wie kann man diesen entgegensteuern? Oder birgt die Veränderung etwa sogar neue Chancen und frisches Potential, das es nur aufzugreifen und zu nutzen gilt, um alteingesessene Chöre in eine gangbare, positive Zukunft steuern?
All diese Fragen kommen heutigen Chorleitern und Verbänden nur allzu vertraut vor und auch Eugen Kienzler, der Geschäftsführer des Oberschwäbischen Chorverbands (OCV), kennt die Thematik seit langem. Bereits im Jahr 2008 hielt der OCV eine Arbeitstagung für Vorstände, Vorstandsmitglieder und Chorleiter unter dem Titel „Chor im Wandel – Qualität, Erwartung, Anforderung“ ab, die sich mit den verschiedensten Herausforderungen alteingesessener, aber auch neu gegründeter Chöre beschäftigte. Neben einem ausführlichen Referat über die aktuelle Situation und mögliche Perspektiven konzentrierte sich die Tagung vor allem auf die konkrete Lösungsorientierung innerhalb von Arbeitskreisen. Diese beschäftigten sich mit einem breitgefächerten Spektrum, angefangen bei der Nachwuchsarbeit, über Vereine und Projekte im Allgemeinen, die Rolle des Chorleiters im Speziellen, generelle Motivationsarbeit und zu guter Letzt auch mit den Möglichkeiten der Öffentlichkeitsarbeit bis hin zur spezifischen Mitgliederwerbung.
In die Zukunft denken
Hierbei kam es zu zahlreichen gewinnbringenden Erkenntnissen. Im Bereich der Nachwuchsarbeit werden vor allem Kooperationen als besonders hilfreich und wertvoll angeführt. Diese können mit Kindergärten, Schulen, aber auch Vereinen im Allgemeinen angestrebt werden. Einig war man sich, dass hier das Hauptaugenmerk auf der Durchführung durch kompetentes Personal liegen muss und dass „Nachwuchsarbeit Geld kosten darf und muss“.
Kienzler ist hierbei besonders die Nachhaltigkeit einer solchen Nachwuchsarbeit ein Anliegen. „Man darf eben nicht den Fehler machen, einen Kinderchor zu gründen und dann zu erwarten, dass die Teilnehmer weitermachen“, es müssen auch Angebote für die Übergangszeit zwischen Kindes- und Erwachsenenalter geschaffen werden, um die jungen Menschen langfristig zu binden.
Es braucht ein gutes organisatorisches Fundament
Bezüglich organisierter Chöre im Vergleich zu losen Chorprojekten zeigt sich bei letzteren der Vorteil, dem Individualismusgeist der heutigen Zeit weit mehr zu entsprechen. Kienzler merkt hierbei allerdings das Risiko an, dass ab einer gewissen Größe und im Sinne der Nachhaltigkeit eine Organisationsstruktur unerlässlich sei. Auch die finanziellen Vorteile, wie z. B. der enthaltene GEMA-Betrag seien unbedingt positiv an der Angliederung an einen Chorverband zu erwähnen.
Besonders schwierig sei es, so Kienzler, geeignete Chorleiter zu finden, die sowohl fachlich als auch pädagogisch in der Lage sind, einen Chor zukunftsorientiert zu führen. Er hält die notwendige Chorleiterqualifizierung deshalb „für ein Gebot der Stunde“ und eine unbedingte Notwendigkeit, um dem weithin prophezeiten Chorsterben entgegenzuwirken.
Ganz so schwarz sieht Kienzler die Welt der oberschwäbischen Chöre jedoch bei weitem nicht. Er spricht von einem Wandel statt von einem Sterben, von innovativen Neugründungen vor allem im Frauenbereich, von kleinen Chorprojekten statt klassischen, großen Männerchören und lobt die Aktivität der Sängerinnen und Sänger in Oberschwaben.
Bei der nächsten Konferenz „Projekt OCV 2020“ im Jahr 2013, ging es nunmehr maßgeblich um Umstrukturierungen innerhalb des Präsidiums, um strukturellen Wandel und weniger um die Vereinsarbeit nach außen. Diese funktioniere, so Kienzler, dort, wo engagierte, kompetente Sänger und Sängerinnen, sowie Chorleiter und Vorstände am Werk seien. Zwar sei es aufgrund der aktuellen Arbeitsmarktsituation und des bereits erwähnten Individualismus nicht mehr so einfach, Ehrenämter zu besetzen, er selbst jedoch freut sich, die Geschäftsführung im kommenden Jahr an eine kompetente Kollegin weitergeben zu können, die die oberschwäbischen Chöre weiter auf dem Weg in die Zukunft begleitet. Als weiteres Projekt mit Blick nach vorne ist hier besonders die Aktion Musik hilft Menschen der Region Bodensee Oberschwaben e. V. zu erwähnen. Getreu deren Motto „es ist wunderbar, schöne Momente zu erleben, aber diese werden zu besonderen, wenn diejenigen, die auf der Schattenseite des Lebens stehen, auch etwas davon haben“, unterstützt der 2019 gegründete gemeinnützige Verein Kinder und Jugendliche in schwierigen Lebenssituationen. Durch musikalische Darbietungen und Aktionen rund ums Thema Musik werden Spenden gesammelt, die sozial schwächergestellten zu Gute kommen.