Warum jedes Mitglied im Verein einen eigenen Wert hat
Ich gebe es zu: Ich bin eine Leiche. Ich bin das, was jeder Vereinsvorstand hasst, ich bin das, worüber die Aktiven die Nase rümpfen, ich bin der, der immer fehlt: Ich bin in meinem Verein eine Karteileiche. Ich schau kurz über die Schulter, wenn ich die Einladung zum Sommerfest (Wer bringt mir was mit? Wer hilft bei Auf- und Abbau?) aus meinem Posteingang wegklicke. Ich wechsle die Straßenseite, wenn mir die Oberaktiven mit ihren vollen Einkaufskörben (fürs Sommerfest?) entgegenkommen. Ich fühle mich mies, wenn ich die Jahresbeiträge von den Steuern absetzte.
Und überhaupt: Schaut mich doch nicht so an! Ich würdet doch rot anlaufen vor Frust, wenn plötzlich alle Vereinsmitglieder zum Tennisspielen kommen wollen – so viele Tennisplätze habt ihr doch gar nicht! Seid doch froh, dass ich euch bei eurem Hobby in Ruhe lasse! Möchtet ihr wirklich hunderte Wortmeldungen bei den Vorstandswahlen, sodass die Sitzungen länger dauern als die bei der Eurorettung? Wollt ihr das? Und wollt ihr wirklich mit übersäuerten Oberarmen noch mehr Grillwürste für Karteileichen wie mich zum Sommerfest schleppen? So könnt ihr unter euch bleiben – ist doch auch schön: Man kennt sich, man mag sich.
Ganze Geschäftsmodelle fußen auf Karteileichen: Die kriselnden Tageszeitungen können morgen die Fenster vernageln, wenn alle ihr Abo kündigen, die die Zeitung nicht lesen. In Deutschland gäbe es nur halb so viele Fitnessstudios, wenn jeder konsequent austräte, den nur noch sein Kontoauszug an die Mitgliedshaft erinnert. Wir Karteileichen schaffen Arbeitsplätze, wir halten den Laden am Laufen! Naja, ein bisschen.
Habt doch etwas Nachsicht mir Menschen wie mir! Wir möchten doch eigentlich nur gemocht werden. Und unser Dasein als Karteileiche ist unser Ausdruck von Liebe und Bewunderung für euch Aktiven. Mailt mir doch einfach mal ein dickes „Danke“. Ach, habt ihr schon? Pardon, muss ich versehentlich weggeklickt haben …