Einige Beispiele:
Beispiel 1:
Der nicht als vertretungsberechtigt gemäß § 26 BGB ins Vereinsregister eingetragene Kassier, der auch keine Vollmacht des Vorstandes hat, schließt mit einer Brauerei einen Vertrag über 40 Bierbänke und –tische. Die Bänke und Tische werden geliefert, die Rechnung kommt. Der Vorstand wundert sich. Der Kassier sagt, er dachte, er sei bevollmächtigt gewesen, was die übrigen Vorstandsmitglieder verneinen. Die Brauerei ging davon aus, dass der Kassier Vollmacht hat. Einen Blick in das Vereinsregister versäumte die Brauerei.
Beispiel 2:
Der Vorstandsvorsitzende ist der Meinung, der Chor habe sich für die Probenarbeit einen neuen Flügel verdient. Der alte löst sich in seine Einzelteile auf. Er geht ins Klaviergeschäft, lässt sich beraten und kauft für den Verein einen Flügel für 25.000,00 €. Den Vorstand hat er ebenso wenig konsultiert wie den Chorleiter. In der Satzung ist eine Beschränkung seiner Vertretungsvollmacht nicht eingetragen, ebenso wenig deshalb im Vereinsregister.
Abwandlung: Nicht der alleinvertretungsberechtigte Vorsitzende, sondern der Chorleiter schafft den Flügel an.
Der Vorstand will die Erfüllung des Vertrages (Abnahme des Flügels bei Lieferung, Zahlung des Kaufpreises) verweigern. Das Klaviergeschäft beruft sich auf die Vertretungsbefugnis des Vorsitzenden, die sie dem Vereinsregister entnommen hat.
Beispiel 3:
Gleiches Beispiel wie Zweitens, jedoch ist der Vorsitzende vier Woche vor seinem einsamen Flügelkauf in der Mitgliederversammlung „hochkant“ abgewählt worden. Der Haussegen hängt schon lange schief zwischen Verein und Vorsitzendem. Er schließt den Vertrag trotzdem ab. Im Vereinsregister ist er noch nicht ausgetragen, da die übrigen Vorstandsmitglieder des bisherigen Vorstandes versäumt haben, die Austragung des alten Vorstandes (also auch des Vorsitzenden) und die Eintragung des neu gewählten Vorstandes zum Vereinsregister anzumelden mit notarieller Unterschriftsbeglaubigung.
Drei Beispiele, die so oder ähnlich immer wieder vorkommen. Ärger und Streit bis hin zu gerichtlichen Auseinandersetzungen sind vorprogrammiert. Es lohnt sich daher, einmal einen Blick auf das Thema zu werfen.
1. Wer ist Vertragspartner?
Bei einer natürlichen Einzelperson ist diese immer Vertragspartner seines Gegenüber, also des „Dritten“. Er verpflichtet und berechtigt sich aus dem abgeschlossenen Vertrag selbst. Das gilt für Kaufverträge, Dienst- und Arbeitsverträge, Werkverträge, Darlehensverträge und viele andere Verträge auch, für die gesamte Vertragstypologie des BGB.
Ähnliches gilt für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts, § 705 BGB. Grundsätzlich wird der Vertrag zwar mit der BGB-Gesellschaft abgeschlossen, doch bleiben die Gesellschafter in der Haftung und können direkt oder zusammen mit der GbR verklagt werden, wenn diese ihre Verpflichtungen nicht erfüllt.
Anders der Verein: Der Verein ist eine Körperschaft, also eine eigene Rechtspersönlichkeit, die durch die Eintragung in das Vereinsregister entsteht, § 21 BGB. Das geschieht nur, wenn der Verein ordnungsgemäß gegründet wurde, eine Satzung und einen Vorstand hat. Ist dies der Fall, ist grundsätzlich der Verein Vertragspartner des Dritten. Er hat für die Erfüllung der gegenseitigen Vertragspflichten einzustehen; er haftet für die Personen, die für ihn handeln, §§ 31 ff. BGB.
Der Verein wird vom Vorstand vertreten. Wird der Verein aufgefordert, einen Vertrag zu erfüllen, den ein Vorstandsmitglied abgeschlossen hat, muss der Vorstand prüfen, ob der Verein wirksam aus diesem Vertrag verpflichtet wurde. Dazu gehört in erster Linie, ob ein vertretungsberechtigtes Vorstandsmitglied den Vertrag abgeschlossen hat.
Dabei kommt es zunächst nicht darauf an, ob das vertretende Vorstandsmitglied vom Vorstand bevollmächtigt oder beauftragt war; maßgeblich ist allein, ob das Vorstandsmitglied berechtigt war, den Verein zu vertreten, was sich aus § 26 BGB und der Eintragung ins Vereinsregister oder einer entsprechenden Vollmacht ergibt. Ist dies nicht der Fall, ist der Verein nicht wirksam verpflichtet worden; er kann die Erfüllung des Vertrages verweigern. Der Vertragspartner muss sich dann an das vollmachtlose Vorstandsmitglied halten, § 179 Abs. 1 BGB. Er haftet dem Vertragspartner nach dessen Wahl auf Erfüllung oder Schadenersatz.
Das allerdings dann nicht, wenn entweder der Vertragspartner die fehlende Vertretungsmacht kannte (§ 179 Abs. 3 BGB) oder wenn der Vorstand, vom Verein oder vom vollmachtlosen Vertreter hierzu aufgefordert, den Vertrag genehmigt. Bis dahin, also bis zu dieser Entscheidung des Vorstandes, ist der vollmachtlos abgeschlossene Vertrag „schwebend unwirksam“, wie die Juristensprache so blumig formuliert.
Ist also der vollmachtlos abgeschlossene Vertrag für den Verein ohne jegliches Interesse oder schädlich, oder ist der vollmachtlose Vertragsabschluss ein Racheakt eines abgesetzten Vorstandsvorsitzenden, so wird der Verein den Vertrag nicht genehmigen, also nachträglich legalisieren; der Vertrag wird durch die Ablehnung endgültig nicht zustande kommen. Genehmigt er ihn (nachträglich), ist der Vertrag wirksam, als wenn er von Anfang an wirksam geschlossen worden wäre.
2. Vorstandswechsel
Vorstandsmitglieder, auch Vorsitzende, wechseln. Sie werden gewählt und abgewählt, scheiden durch Krankheit, Alter oder Ausschluss aus dem Vorstand aus oder in anderer Weise. Die Konstante ist der Verein selbst, § 31 BGB. Deshalb muss sich der Vertragspartner immer an den Verein halten können; er muss nur sicherstellen (vor Vertragsabschluss!), dass der Vertrag mit dem Verein auch durch ein außenvertretungsberechtigtes Vorstandsmitglied abgeschlossen wird. Dazu muss er sich entweder im Vereinsregister über die Vertretungsbefugnis des Vorstandsmitgliedes vergewissern oder sich eine schriftliche Vollmacht der übrigen Vorstandsmitglieder vorlegen lassen.
Ergebnis:
Der Verein kann sich nicht „herausreden“ (gegenüber dem Dritten), dass das den Vertrag abschließende Vorstands- oder sonstige Vereinsmitglied nicht mehr Mitglied des Vorstandes oder überhaupt nicht mehr existent ist, auch nicht damit, dass der Vertragsabschluss ohne Billigung oder Zustimmung des übrigen Vorstandes (im Innenverhältnis) erfolgte (Merke: Die Zustimmung zum Vertrag geschieht vor Vertragsabschluss, die Genehmigung im Nachhinein, also nach Vertragsabschluss).
Ist also der Verein gegen den Willen seines Vorstandes durch den vertretungsberechtigten Vorstand verpflichtet worden, muss er den Vertrag erfüllen, auch wenn die Erfüllung keinerlei Interesse für ihn hat. Er kann in einem solchen Fall allerdings den treulosen Vertreter auf Schadenersatz verklagen und den Schaden ersetzt verlangen, der dem Verein dadurch entsteht, dass er den Vertrag erfüllen, also die Ware abnehmen und den Kaufpreis bezahlen muss.
Auch wenn der Verein durch geschicktes Verhandeln mit dem Vertragspartner erreicht, dass dieser den – im Beispiel – Flügel zurücknimmt, wird dieser im Zweifel eine Rücknahmeentschädigung verlangen. Diese Entschädigung wäre dann Schadensposition und vom treulosen Vertreter zu ersetzen, ebenso die Kosten eines etwaigen Rechtsstreits, soweit dieser nicht vom Rechtsschutzversicherer des Vereins gedeckt ist. Ist er das, wird der Rechtsschutzversicherer versuchen, beim treulosen Vorstandsmitglied Regress zu nehmen.
Das bedeutet für die Vereinspraxis:
- a) Jedes Rechtsgeschäft muss im Vorstand erörtert und beschlossen werden, von Bagatellgeschäften des täglichen Lebens abgesehen. Der handelnde Vertreter des Vereins muss vertretungsberechtigt sein (§ 26 BGB); die Vertretungsberechtigung muss im Vereinsregister eingetragen sein. Er muss sich an die Beschlüsse des Vorstandes halten.
- b) Scheidet ein vertretungsberechtigtes Vorstandsmitglied aus dem Vorstand aus, ist baldmöglichst dafür zu sorgen, dass seine Austragung zum Vereinsregister angemeldet und die Austragung veranlasst wird. Dies geschieht durch unterschriftsbeglaubigte Anmeldung unter Zuhilfenahme eines Notars oder Ratschreibers.
- c) Ein etwa dem Verein entstandener oder verbleibender Schaden kann beim Vermögensschadenhaftpflichtversicherer des Vereins angemeldet werden. Der vollmachtlos handelnde Vertreter kann sich nämlich im Einzelfall nach § 31a BGB darauf berufen, dass er nur fahrlässig und nicht grob fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt hat.
Eine Haftung des Vereins gegenüber dem Vertragspartner des vollmachtlosen Vertreters nach § 179 BGB besteht hingegen nicht. In diesem Fall muss sich der Vertragspartner an den vollmachtlosen Vorstand halten.
Man kann sich vorstellen, dass hier eine ganze Vielzahl von Fallstricken und Fallgestaltungen denkbar sind, die auch hier nicht alle erörtert werden können. Umso erstaunlicher ist, dass es nur wenige Vertragshaftungsfälle gibt, die – im Innen- wie im Außenverhältnis – vor die Gerichte kommen. Deshalb: Werden die hier aufgeführten Grundsätze beachtet, kann eigentlich weder dem Verein noch dem handelnden Vorstand etwas „passieren“.
Zum Verfasser:
Rechtsanwalt Christian Heieck
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Dieser Beitrag gibt die Auffassung, Kenntnisse und Erfahrungen des Autors aus vielen Jahren Vereinsrechtpraxis wieder. Wir bitten dennoch um Verständnis, wenn im Hinblick auf die Vielfalt der individuellen Fallgestaltungen, die im Vereinsrecht vorkommen, eine Haftung für die gegebenen Auskünfte im Hinblick auf konkrete Einzelfälle nicht übernommen werden kann.