Sein Leben: Singen, singen, singen …
Diesen Lebensauftrag hat sich Gotthilf Fischer schon in früher Jugend gegeben. Er hat ihn erfüllt: ein Leben lang, mit unendlich vielen Menschen, mit vielen Liedern, an vielen Orten, gegen manche Beschwernis, fast rund um die Welt.
Der Sohn einer Handwerkerfamilie aus Deizisau bei Plochingen war ein begabter Selfmademan. Ohne eine fundierte Chorleiterausbildung, ohne Musikstudium und ohne große theoretische Beschwer hatte er ein untrügliches Näschen für das Singen mit den Menschen in Chören entwickelt. Abhold der Einbindung in eine Verbandsarbeit und der dort gebotenen Hilfen aller Art ging er seinen Weg mehr und mehr zur spektakulär großen Choreinheit und damit zur unkomplizierten Volkstümlichkeit.
Das „Chorimperium“, das er sich dabei aufbaute, hatte rund um seinen Heimatort begonnen und in der Zentralregion um Stuttgart seine Ausweitung erfahren. Von hier strömten sie aus: Die „Fischer-Chöre“ sangen in Übersee und vor Präsidenten und Potentaten, sie sangen vor dem Hl. Vater in Rom und zur Fussballweltmeisterschaft 1974 in München.
Das deutschsprachige Volkslied, das die Menschen direkt und emotional anspricht, war Fischers Lebensanliegen, mit ihm wollte er Frieden stiften, die Menschen singend glücklich machen – und dabei selber glücklich sein. Die Idee zog die Massen in den Bann – auch die Neider meldeten sich, denn er hatte gute Sendeplätze im Fernsehen und fuhr dabei mit dem Bus singend durchs Land. Organisierte Wettbewerbe waren ihm abhold – die Spontaneität des Singens allüberall war sein Ziel.
Er wollte damit erst aufhören, wenn er vom Podium fiele, sagte er mir einmal bei einer Begegnung auf dem Liederweg in seiner Heimat Weinstadt, unweit von Silchers Geburtshaus.
Dort ist der große Barde des Volksliedes nun still verstorben. Jetzt wurde er still zu Grabe getragen – ohne die Ehrerbietung durch seine vielen singenden Freunde – ganz unspektakulär, wie sein Leben niemals abgelaufen war.
Alfons Scheirle
Thomas Preiß
Die Sonne bricht durch die winterlichen Wolken, ein einsamer Vogel zwitschert in den Hecken und am Grabkreuz von Gotthilf Fischer flattert das von ihm komponierte Lied „Frieden sei dieser Welt beschieden“ im Wind…Neben seiner großen Leidenschaft, dem Singen mit Chören, war das wohl seine größte Lebensaufgabe: Gemeinsam und friedvoll mit den Menschen singen, egal in welchem Alter, aus welchem Land oder welcher religiösen Überzeugung sie sind. Und damit hat er auf seine lebensfrohe Art und Weise dem Deutschen Volkslied und dem Singen im Allgemeinen einen großen Verdienst erwiesen. „Ich will die Menschen zum Singen bringen“ betonte er immer wieder, und das ist ihm weltweit erfolgreich gelungen. An meinem zehnten Geburtstag ging ich zum ersten Mal in die Kinderchor-Probe mit Gotthilf. Schon damals war ich davon begeistert, wie spielend er es schaffte, jeden Menschen im Raum in seinen Bann zu ziehen, mit seiner guten Laune anzustecken und mit seiner Gestik und Mimik für die Chormusik zu begeistern. Als ich ihm in meiner kindlichen Vorstellung erzählte, dass ich nur einen Berufswunsch hatte, nämlich Chorleiter zu werden, war er der Erste, der mich nicht belächelte, sondern mich in meiner klaren Vorstellung bestärkte und mir mit 15 Jahren die Leitung des ersten Chores vertrauensvoll übertrug. Eine Chance, die mir meinen Weg zum Berufschorleiter ebnete.
„Wenn du hinfällst, musst du mit einem Lächeln wieder aufstehen und Deinen Weg weiter gehen, egal was die Anderen sagen.“ Ein Leitsatz, den Gotthilf mir immer wieder mit auf den Weg gab und der mich bis heute in der täglichen Chorarbeit begleitet und beflügelt. In den letzten 35 Jahren haben wir viele Chorproben und Konzerte, kleine und große Auftritte, TV-Shows und Konzertreisen in alle Welt, aber auch unterhaltsame, authentische und gesellige Abende gemeinsam erlebt. Für diese Erinnerungen, aber auch für die vielen Momente, in denen ich viel von ihm lernen durfte und er mir sein Vertrauen geschenkt hat, bin ich ihm sehr dankbar. „Frieden sei dieser Welt, und dir, lieber Gotthilf, beschieden!“
Jörg Thum
auch wenn wir musikalisch sicher nicht immer 100 % auf einer Linie waren, hast Du es in all den vielen Jahren geschafft, auf Deine unnachahmliche Weise und wie kein zweiter, Menschen zum gemeinsamen Singen zu bringen, Menschen zusammen zu halten und vor allem das Deutsche Volkslied – als unser aller Kulturgut – in Deinen vielen Auftritten weiterleben zu lassen. Oft durfte ich mit Dir (am Flügel oder an der Orgel) seit 1987 gemeinsam auf der Bühne stehen und die Atmosphäre bei den Proben und Konzerten war immer einzigartig allein dadurch, dass eigentlich niemand genau wußte, was tatsächlich aufgeführt wird am Konzertabend (ohne Noten). Flexibilität – Umsicht und ein unglaubliches Repertoire, welches Deine Chöre wirklich immer auswendig vortrugen, prägten neben den unvergesslichen Konzertreisen und Großveranstaltungen der Fischer-Chöre all Deine Sängerinnen und Sänger, Deine Auftritte und letztendlich die gesamte Deutsche Chorlandschaft. Wenn auch viele studierte Kollegen oft auf unsere Chorarbeit mit Amateurchören etwas herablassend herunterschauen, Du hast es ein halbes Leben lang damals – und selbst heute zu Deiner Beisetzung – in alle großen Fernsehsender geschafft und das muss Dir erst mal einer nachmachen. Chapeau! Alle Sängerinnen und Sänger der Chorgemeinschaft Kai Müller, vornehmlich die der Concordia Schmiden, bei der Du von 1959 bis 2018, also insgesamt 59 Jahre lang das musikalische Zepter in der Hand gehalten hast, und auch ich ganz persönlich verneigen sich vor Deinem unendlich großen chormusikalischen Lebenswerk.
Mögest Du in Frieden ruhen!
Kai Müller