Es wird wieder „losgehen“
Die Zeichen stehen auf Neubeginn. Dieser Neustart beginnt sicher mit einer Bestandsaufnahme: Was alles ist verlorengegangen? Welche Verluste an Mitgliedern haben wir zu beklagen? Die Stimmen sind eingerostet; sicher wird nicht selten die zumindest vorübergehende Einstellung eines Stimmbildners sinnvoll sein. Aus vielen Vereinsberatungen in der Coronazeit weiß ich, dass wesentliche Aufgaben der Vorstände die Beantragung von Fördermitteln und die Abwicklung fehlgeschlagener Veranstaltungen (Stornierungskosten etc.) waren. Auch eine betriebswirtschaftliche Bestandsaufnahme wird daher häufig notwendig sein. Auch, was das Vereinsrecht angeht, kann und soll der Neustart dazu dienen, Aufgaben neu zu verteilen, Vorstände neu zu besetzen, Satzungsregeln auf den neuesten Stand zu bringen, die vertraglichen Regelungen mit dem Chorleiter zu überprüfen und Änderungen vornehmen und anders mehr. Für die neuen Vorstandsmitglieder, die jetzt gewählt werden, und die bewährten Kräfte, die den Verein sorgfältig und engagiert durch die Krise gesteuert haben, hier einige Anregungen und Hilfen für den Neustart:
- Es fängt mit der Satzung an.
Viele Satzungen, die die Pandemie überdauert haben, warten auf ihre Entstaubung und Auffrischung. Der Gesetzgeber hat in der Krise die Vereine gerade im Hinblick auf die Notwendigkeiten im Zusammenhang mit der Mitgliederversammlung deutlich entlastet. So konnte ein Verein nicht vorstandslos werden, wenn keine Mitgliederversammlung durchgeführt werden konnte. Das Gesetz (des Bundes) zur Abmilderung der Folgen der Covid 19-Pandemie regelt in Art. 2 § 5 Ziff. 1, dass während der Dauer der Pandemie Vorstände, deren Wahlperiode abgelaufen ist, bis zur Neuwahl oder Abberufung im Amt bleiben. Deshalb haben viele Vereine in der Krise auf die Durchführung von Mitgliederversammlungen verzichtet und es wird im zweiten Halbjahr 2021 und danach viele Doppel- oder gar Dreifach-Mitgliederversammlungen geben, um die Jahresabschlüsse nachzuholen, Satzungsänderungen beschließen zu lassen, Neuwahlen durchzuführen und vieles andere mehr. Das sollte auch geschehen: Die gesetzliche Regelung mit Erleichterungen für die Durchführung der Mitgliederversammlung ist auf den 31.12.2021 befristet.
- Die Pandemie hat neue Formen der Mitgliederversammlung hervorgebracht.
Das ist im genannten Gesetz – ebenfalls auf den 31.12.2021 befristet – geregelt worden. Hier ist die digitale oder virtuelle Mitgliederversammlung ebenso zu nennen wie die sogenannte Hybrid-Versammlung, schließlich die schriftliche Beschlussfassung zu wichtigen Fragen, die keinen Aufschub dulden. Diese alternativen Formen der Mitgliederversammlung machen den Umgang mit Videokonferenzen oder computergestützten virtuellen Versammlungen notwendig. Im Verbandsbereich sind oft monatelang alle Veranstaltungen auf alternativem Wege durchgeführt worden; es hat sich eine gewisse Routine und „Normalität“ eingestellt. Man hat festgestellt, dass manche Präsenzversammlung, die immer auch mit Fahrtkosten und zusätzlichem Zeitaufwand verbunden ist, durch alternative Formen der Versammlung, ersetzt werden können. Und zwar auch nach Ende der Pandemie. Deshalb haben schon viele Vereine die alternativen Formen der Mitgliederversammlung in ihre Satzung aufgenommen. Dafür ist das ganz normale Verfahren nach den Bestimmungen der jeweiligen Satzung erforderlich. Man sollte deshalb prüfen, ob man nicht vor dem Jahresende durch Satzungsänderung diese alternativen Formen der Durchführung einführt oder von Teilen davon. Nach dem 01.01.2022 gilt wieder das normale, seither geltende Recht.
- Wird die Satzung geändert, muss insbesondere im Bereich der Gemeinnützigkeitsregeln „entstaubt“ werden. Das Bundesfinanzministerium hat über die Jahre neue Anforderungen an die Satzung formuliert, die allerdings erst in eine bestehende Satzung eingefügt werden mussten, wenn auch andere Satzungsbestimmungen zur Änderung anstanden. Ansonsten hatte die alte Satzung, die ja bereits irgendwann einmal vom Registergericht und von der Finanzverwaltung akzeptiert worden war, Bestandsschutz.
- Ein weiteres zur Satzung: Es hat sich gezeigt, dass die herkömmlichen Vorstandszusammensetzungen in der Satzung und die Anzahl der zu wählenden Vorstandsmitglieder Besetzungsschwierigkeiten bereiteten. Es hat zwar keine unmittelbaren rechtlichen Folgen, wenn bei einer Mitgliederversammlung ein Vorstandsamt nicht besetzt werden kann, doch muss dem Verein schon aus Gründen der notwendigen Arbeitsteilung daran gelegen sein, möglichst alle Vorstandsämter zu besetzen. Deshalb zwei Anregungen: Die Registergerichte akzeptieren inzwischen, wenn in der Satzung lediglich eine bestimmte Unter- und Obergrenze an Vorstandsmitgliedern als zu wählen geregelt ist und der Verein dann eben so viele Vorstandsmitglieder hat, wie er hat wählen können. Außerdem kann man in der Satzung regeln, dass die Zuweisung der Funktion des jeweiligen Vorstandsmitglieds dem Vorstand überlassen wird, dem es dann obliegt, von den Gewählten die am besten für das jeweilige Amt Geeigneten die entsprechende Vorstandsfunktion zuzuweisen.
Der 1. Vorsitzende, besser aber auch alle vertretungsberechtigten Vorstandsmitglieder (§ 26 BGB) sollten aber von der Mitgliederversammlung – „ad personam“ gewählt werden. Das stärkt die Autorität und das Vertrauen, welches diesen Ämtern von den Mitgliedern entgegengebracht wird. Bei sehr verstaubten Satzungen ist an eine Neufassung zu denken. Satzungen müssen heute flexibler sein als noch vor fünfzig Jahren, um die Vereinsarbeit nicht zu behindern oder gar zu blockieren. Die Mustersatzung des Schwäbischen Chorverbandes gibt gute Anhaltspunkte, auch wenn sie wegen der Corona-Krise auch demnächst eine Überarbeitung erfahren wird. Es besteht die Möglichkeit, sich für eine Überprüfung und ggf. Anpassung oder gar Neufassung beraten zu lassen. Wenden Sie sich dazu an die Geschäftsstelle des SCV, oder an die Erstberatungshotline.
- Vorstand und Haftung: Hier gilt, dass die Haftung des Vorstands und anderer im Auftrag des Vereins tätiger Mitglieder für angerichtete Schäden, die dem Verein durch Fehler in der Vorstandsarbeit entstehen, auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt ist. Das gilt jedenfalls dann, wenn das Mitglied seine Tätigkeit nicht nur ehrenamtlich, sondern auch unentgeltlich ausübt oder höchstens den Betrag als „Ehrenamtspauschale“ erhält, der von § 3 Nr. 26a BGB als Höchstgrenze angesetzt ist. Vereine können ihren Vorstandsmitgliedern und sonst tätigen Vereinsmitgliedern seit Janiar 2021 den Steuerfreibetrag von 840 € jährlich zukommen lassen, ohne dass die Gemeinnützigkeit gefährdet wäre; Voraussetzung ist natürlich, dass die Satzung eine entsprechende Regelung enthält. Diese ist der Mustersatzung zu entnehmen.
- Verträge des Vereins: Der wichtigste Vertrag des Vereins ist der Chorleitervertrag. Dieser sollte den Chorleiter als freien Mitarbeiter bezeichnen und darstellen. Es gibt einige Fallstricke, die zu vermeiden sind, um nicht durch den Chorleitervertrag oder die Praxis der Vertragshandhabung ein Scheinarbeitsverhältnis herbeizuführen, das den Chorleiter zum Angestellten des Vereins macht, mit schwerwiegenden steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Folgen. Auf der Homepage des SCV finden Sie einen Mustervertrag für Chorleiter nebst Erläuterungen, in die auch die jüngste, ver-
schärfte Rechtsprechung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg eingearbeitet ist. Verträge des Vereins über die Anmietung von Veranstaltungsräumen, Engagementverträge mit beauftragten und eigenen Künstlern, Reise- und Beherbergungsverträge bedürfen angemessener Aufmerksamkeit und Sorgfalt. Das Vertragsmanagement sollte in der Hand eines geeigneten Vorstandsmitglieds konzentriert werden.
- In diesem Zusammenhang: Die Aufgabenverteilung im Vorstand ist ein wichtiges und haftungsminderndes Element der Vorstandsarbeit. Ein Geschäftsverteilungsplan, der bei jeder Vorstandswahl überprüft wird, ist notwendig, damit jedes Vorstandsmitglied weiß, für welchen Bereich es zuständig ist. Der Gesamtvorstand muss allerdings die gegenseitige Überwachung und Kontrolle sicherstellen; immer wieder kommen Fälle vor, in denen ein Vorstandsmitglied unkontrolliert und im stillen Kämmerlein fehlerhaft oder gar untreu mit dem Vereinsvermögen umgeht und Vermögen beiseiteschafft. Wenn dann auch noch die Kassenprüfung der gewählten Kassenprüfer nicht funktioniert, ist dem Verein schwerer Schaden zugefügt, für den es meist nicht nur einen Verantwortlichen gibt.
Es gibt einen Gesamtvertrag zwischen dem Deutschen Chorverband und der ARAG Versicherung für alle rund 15.000 Vereine des Deutschen Chorverbandes, also auch für die des SCV. In diesem ist auch eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung eingeschlossen, die in solchen Fällen eingeschaltet werden kann. In diesem Paket sind im Übrigen auch Haftpflichtversicherung, Rechtsschutzversicherung und Unfallversicherung enthalten. Durch diese Versicherung und die Haftungserleichterung in §§ 31a, 31b BGB ist das Risiko für ein Vorstandsmitglied, persönlich in Anspruch genommen zu werden, stark reduziert. Etwas anderes gilt nur für den Bereich der steuerlichen Haftung; hier ist eine persönliche Inanspruchnahme durch die Finanzverwaltung möglich und geschieht hin und wieder auch.
- Der Datenschutz hat seit 2017 im Verein stark an Bedeutung zugenommen. Jeder Vorstand muss ein für den Datenschutz verantwortliches Vorstandsmitglied bestellen, welches auch Ansprechpartner für die Vereinsmitglieder, Vertragspartner und andere Dritte ist. Er ist dafür verantwortlich, dass die DSGVO im Verein bewusst gemacht und umgesetzt wird. Auf der Homepage des SCV gibt es einen Leitfaden, in dem in knapper Form alles zu finden ist, was der Verein für die Praxis des Datenschutzes braucht.
- Das Urheberrecht und die entsprechende Lizenzierung ist nicht nur Sache des Chorleiters, sondern auch des Vorstandes. Beide müssen dafür sorgen, dass das Repertoire öffentlicher Veranstaltungen dem SCV bzw. der GEMA gemeldet wird. Das gilt für Konzertveranstaltungen wie für gesellige Veranstaltungen. Bei letzteren erhält der Verein eine Lizenzrechnung von der GEMA, bei ersteren nicht. Diese Rechnungen werden zentral gesammelt und im Rahmen eines Gesamtvertrages zwischen GEMA und DCV aus einem „GEMA-Topf“ bezahlt, der aus den Mitgliedsbeiträgen der Vereine gespeist wird.
- Kopieren von Noten ohne Erlaubnis des Rechteinhabers. Gegen dieses Verbot wird in der Praxis sehr häufig verstoßen; eine gerichtliche Ahndung erfolgt selten; eine ungute Situation besteht trotzdem. Der Gesetzgeber hat es bis heute nicht geschafft, zwischen den Interessen der Komponisten und Verlage einerseits, der Vereine und Orchester andererseits einen angemessenen Ausgleich zu schaffen.
- Das Urheberrecht begegnet der Vereinspraxis auch bei Bearbeitungen fremder Musikstücke, meist durch den eigenen Chorleiter. Hier ist auch grundsätzlich die Zustimmung des Rechteinhabers oder der GEMA erforderlich. Diese einzuholen, ist in aller Regel Sache des Chorleiters selbst.
Ein „Streifzug“ wie dieser durch das Vereinsrecht kann sicher nicht alle Aspekte und Notwendigkeiten beleuchten, die vom Vorstand eines Vereins zu beachten sind. Die wesentlichen Stichworte sind aber gegeben.
Und: Der Verein ist im SCV gut geschützt vor Fehlern und Informationsmängeln: Die Geschäftsstelle erteilt auf Anfrage gern Auskunft oder leitet die Fragen an die zuständige Stelle weiter; über eine Hotline hat im Übrigen jeder Mitgliedsverein die Möglichkeit, sich unentgeltlich im Rahmen der Erstberatung von einem Fachmann beraten zu lassen. Machen Sie davon Gebrauch!