Ein Forum für Chor & Stimme
Erstmalig arbeiten 2021 der Badische Chorverband, der Schwäbische Chorverband und der Baden-Württembergische Sängerbund Hand in Hand, um zusammen ein Bildungsangebot zu schaffen: Die Chorakademie Baden-Württemberg ist ab 2022 ihr gemeinsames Forum für Chor & Stimme.
Die ersten Meilensteine stehen:
- Im Herbst 2021 startet das Beratungsprojekt „Neustart Chor“
- Das Auftaktprogramm der Chorakademie startet ab Januar 2022, das komplette Programm der Chorakademie beginnt mit dem Schuljahr 2022/23
- Das Ende des Pilotprojektes liegt im August 2023 – dann muss die Chorakademie so aufgestellt sein, dass sie dauerhaft „das“ Forum der Chorverbände Baden-Württembergs für Chor & Stimme werden kann
Bis dahin gilt es viel zu entwickeln, zu durchdenken, zu überprüfen und zu kommunizieren – und dabei gehen Form, d. h. die strukturelle Entwicklung der Chorakademie, und Inhalt Hand in Hand. Was bedeutet diese Meilensteine also für die inhaltliche und die strukturell-arbeitsorganisatorische Entwicklung der Chorakademie BW?
Strukturell-arbeitsorganisatorische Entwicklung
Mit Stand September 2021 ist die Chorakademie ein befristetes Kooperationsprojekt, getragen durch die drei beteiligten Verbände. Sie arbeitet dezentral, um ein umfassendes und landesweites professionelles Bildungsangebot für die Akteure der Chorszene in Baden-Württemberg zu schaffen.
Im Laufe des Pilotprojekts gilt es, entsprechende Weichen zu stellen:
Um die Chorakademie dauerhaft zu platzieren, braucht es ein positives Commitment der drei kooperierenden Verbände für einen langfristigen Betrieb. Verbunden damit sind Entscheidungen zur Finanzierung, zur Struktur und Betriebsform der Chorakademie nach der Beendigung der Pilotphase. Hier sind unterschiedliche Modelle denkbar, die alle verschiedenen Vor- und Nachteile mit sich bringen. Dabei unbedingt mitzudenken ist eine tragfähige Gremienstruktur, die die Verbände schlüssig in die Arbeit der Chorakademie einbindet.
Transparenz und Kommunikation
Ganz zentral ist: Neben der inhaltlichen Überzeugungskraft des Angebotes der Chorakademie sind die Werte „Kommunikation und Transparenz“ entscheidend für die dauerhafte Tragfähigkeit dieses ehrgeizigen und visionären Gemeinschaftsprojektes. Sie haben daher hohe Priorität in der Pilotphase und sind leitende Werte für die Gestaltung der Strukturen und Angebote. Bei einem solch komplexen Projekt mit vielen Playern, die noch dazu komplett unterschiedlich strukturiert sind – so liegen beim BCV die aktuellen Bildungsangebote fast komplett auf der Ebene der Regionalchorverbände, beim SCV deutlich stärker auf Verbandsebene – ist das eine große Herausforderung. Es gilt das Projekt „Chorakademie“ im Dialog zu entwickeln, sowohl strukturell als auch inhaltlich. Um diese Werte, Transparenz und Kommunikation, auch auf der Ebene der Inhalte umzusetzen, bedarf es u. a. eines klaren und transparenten Qualitätsmanagements: Für welche Qualitätskriterien steht die Chorakademie auf der inhaltlichen Ebene, wie kommuniziert sie diese, wie setzt sie sie um und wie kann die Einhaltung laufend evaluiert werden?
Weitere strukturelle Entwicklungsaufgaben der Chorakademie Baden-Württemberg
Ein weitere Herausforderung ist die Entwicklung dieses Projektes „on the fly“: Die Chorakademie arbeitet bereits und wird gleichzeitig entwickelt. Teil der Pilotphase ist daher konsequenterweise eine engmaschige Eigenevaluation der Schritte. Neben dem steuernden und regelmäßig tagenden Lenkungskreis binden dabei verschiedene Jour fixe aktuell die unterschiedlichen Arbeitsebenen ein.
Für die Organisation des Bildungsprogramms gilt es jetzt außerdem, einen gemeinsamen Rahmen für Teilnehmergebühren abzustimmen, organisatorische Abläufe zu fixieren und dabei die Aufgabenaufteilungen zwischen den Verbänden für die Pilotphase festzulegen. Auch braucht die Chorakademie ein „Gesicht“, mit dem sie an den Markt geht – ein Corporate Design, das ihrer Marke entspricht und prägnant diese Marke nach außen repräsentiert.
Nach innen gilt es, die Vision und Marke „Chorakademie“ weiter zu schärfen: Wofür steht sie, welche Werte verkörpert sie? Werte können u. a. sein: Hohe Qualität, Orientierung am Bedarf der Chöre, großes Angebot dezentral und in attraktiven Musikzentren, das Ehrenamt stärken, Netzwerke knüpfen, Diversität leben, professionalisieren, Kultur für ländliche und urbane Räume anregen.
Inhaltliche Entwicklung
Form und Inhalt greifen ineinander – und so wirken die strukturellen Momente und Werte in die Inhalte der Chorakademie hinein, wie auch die Struktur passgenau für die Inhalte sein muss. Inhaltlich beginnt die Chorakademie allerdings nicht bei Null: Die bisherigen Bildungsangebote der Verbände werden gut angenommen – wo aber werden Zielgruppen vielleicht noch nicht erreicht? Welche Bildungsthemen unter dem Dach der Chorakademie an welchen Standorten und in welchem Turnus Sinn? Mit diesen Fragen verknüpft sind Zielgruppenanalysen, Bestandsaufnahmen der Programme der Chorverbände und strategische Überlegungen zum künftigen Programm der Chorakademie. Auch diese Aufgaben gilt es im Dialog zu lösen und so gemeinsam die Vision Chorakademie zu realisieren.
Das Bildungsprogramm – Ziele und Struktur
Als Ziele des Bildungsprogramms der Chorakademie sind gesetzt:
- alle Zielgruppen in den Chorverbänden zu erreichen und alle relevanten Themen abzudecken
- eine regional ausgewogene Versorgung zu bieten
- eine gleichermaßen hochwertige Qualität zu garantieren
- die Herausforderungen für Chöre im 21. Jahrhundert anzugehen und Innovationen in der Chorlandschaft Baden-Württembergs anzuregen
Qualitativ hochwertige Bildung im Bereich Chor, Stimme und Vereinsmanagement, Beratung für Vereine, künstlerische Impulse, Innovation – all dies ist also die Chorakademie. Dabei kooperiert sie auch mit anderen Verbänden und Institutionen sowie dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst.
Das künftige Bildungsprogramm strukturiert sich in die zwei Bereiche: Qualifikation und Profilbildung, wobei Qualifikation alle mehrphasigen Ausbildungen umfasst. Dieser Bereich wird mit einem Auftaktprogramm bereits im ersten Halbjahr 2022 beginnen. Es umfasst neben den Ausbildungen C2, C3 und D mit der Kinderchorleitungsausbildung ein komplett neues Angebot der Verbände, das anschlussfähig auf zwei Stufen (KC2 und KC3) angeboten wird. Der KC3 kann auch mit einer kleinen Aufnahmeprüfung separat absolviert werden. Perspektivisch werden beide Ausbildungen als landesweites Angebot ausgerollt. Damit wird ein für die Nachwuchsgewinnung und -bindung sehr wichtiges Thema angepackt. Die Qualität der Angebote im Auftaktprogramm ist gewährleistet durch die einheitlichen Richtlinien des DCV und außerdem durch bereits erzielte inhaltliche Abstimmungen zwischen den Verbänden. Die Profilbildung – alle einmaligen oder kurzphasigen Fortbildungen – startet dann ab dem Schuljahr 2022-23 im vollständigen Programm der Chorakademie. Dieser Bildungsbereich wird sich u. a. gliedern in Stimmbildung, Singen in jeder Lebenslage (Kindheit, Jugend, Alter, Inklusion/Integration), Management & Organisation sowie Festivals, Kongresse & Spezialprojekte. Dazu gehören auch Kooperationen im überfachlichen Bereich mit externen Partnern. Mit der neuen Gliederung wird eine gemeinsame Struktur für die Verbände geschaffen. Die Unterteilung in die Bereiche Qualifikation und Profilbildung trägt dem akademischen Anspruch des gemeinsamen Projekts Rechnung. Die neue Kategorie „Singen in jeder Lebenslage“ denkt von den Bedürfnissen aus, die Zielgruppen in unterschiedlichen Lebenslagen haben und verwendet ein inklusionsorientiertes Wording.
Zitate
„Endlich ist es gelungen die Aus- und Weiterbildung von einer hauptamtlichen, studierten Musikerin zu koordinieren. Das ist ein lange ersehnter Fortschritt. Da die drei baden-württembergischen Chorverbände dies gemeinsam auf den Weg gebracht haben, ist das der Startschuss einen Anachronismus, der überall belächelt wird, zu Grabe zu tragen.“
Marcel Dreiling, Musikdirektor SCV
„Das Pilotprojekt Chorakademie bietet eine gute Chance, die Zusammenarbeit der Chorverbände für unsere vielfältige Chorlandschaft in Baden-Württemberg im Sinne einer positiven Zukunftsperspektive zu vertiefen.“
Matthias Böhringer, Musikalischer Direktor BCV
„Der Chorakademie wünsche ich ein klingendes Haus, unter dessen Dach sich viele Sänger:innen quer durch alle Genres aufgehoben fühlen und anregende Impulse in alle Himmelsrichtungen mitnehmen.“
Klaus Rother, Verbandschorleiter BWSB
„Die Chorakademie hilft uns, das Aus- und Fortbildungsprogramm unserer Verbände auf gemeinsame Standards zu heben und zu professionalisieren. Außerdem wird sie mit der Entwicklung neuer Formate die Lücken in unserem bestehenden Seminarangebot schließen.“
Andreas Schulz, Musikdirektor der Chorjugend im SCV
„Chorakademie Baden-Württemberg – die neue Adresse für professionelle Ausbildung, Qualifizierung und Zukunftssicherung der Chöre und Gesangvereine in der Vokal- und Amateurmusik-Szene.“
Wolfgang Denecke, Vizepräsident BCV
Innovative Impulse
Ein zentrales Anliegen der Chorakademie ist, den Vereinen im Land Hilfestellungen bei den Herausforderungen für Chöre im 21. Jahrhundert zu geben und Innovationen in die Chorlandschaft Baden-Württembergs zu spielen. Die Themen sind vielfältig: Nachwuchsgewinnung und -bindung, Männerstimmenmangel, Repertoire, Choreographie, Multimedia, Digitalisierung, zeitgemäße Führung, Relevanz, multisensorisches Arbeiten, Inklusion, Integration, Interaktivität, Konzertkonzeption, generationenübergreifende Arbeit etc. Ein Motor für Innovation werden künstlerische Projekte sein, die sich aktuellen Themen widmen wie u. a. Kompositionswettbewerbe. Für das Feld der Inklusion beginnt gerade die Konzeption eines Bildungsangebots mit u. a. einer mehrphasigen Qualifikation Community Singing.
Beratungsnetzwerk für Chöre – Auftakt mit „Neustart Chor“
Ein wichtiger Baustein der Chorakademie wird ein Beratungsangebot für Chöre in Baden-Württemberg sein: Gerade jetzt, in den Zeiten der Pandemie, stehen viele vor einem Scherbenhaufen und wissen nicht, wie sie dieses Puzzle zusammensetzen sollen. An dieser Stelle setzt „Neustart Chor“ an, ein landesweites Coaching-Projekt, auf das sich Chöre aus ganz Baden-Württemberg ab Herbst
bewerben können, die dann beraten werden, wie sie sich gestärkt neu positionieren können. „Neustart Chor“ bildet den Auftakt zu einem breiter aufgestellten Beratungsangebot und -netzwerk der Chorakademie.
Perspektive
Ein Gedankenspiel für die Zukunft: Wo kann die Chorakademie in fünf Jahren stehen, wenn sich die Verbände zu einem langfristigen Commitment entscheiden? In fünf Jahren kann sie als Marke für qualitativ hochwertige Bildung im Bereich Chor, Stimme und Vereinsmanagement stehen, Anlaufpunkt für Beratung der Chöre im Land sein und künstlerische Impulse und Innovation nach Baden-Württemberg bringen. Sie soll sich vom Pilotprojekt zu einem fest etablierten Player entwickelt haben, der landesweit seinen Platz und bundesweit Strahlkraft hat, wenn es um Bildung in der Vokalszene sprich, um Chormusik geht.
Die Chorakademie soll zum Forum für Chor & Stimme werden, ein Think Tank für die Chormusik im Land. Jeder, der die Chorakademie besucht, kann sich seine Aus- und Fortbildungen mit einem Transcript of Records zertifizieren lassen. Dieses Zertifikat ist ein wichtiger Mehrwert auch für Bewerbungen. Und ein Thema, das gerade jetzt sehr deutlich zutage tritt: Die Chorszene braucht eine starke Vernetzung auch über die Verbandsgrenzen hinaus, also z. B. mit den Hochschulen. Sie muss unbedingt ihre Bündnisse stärken, um mit einer Stimme zu sprechen und Bewusstsein zu schaffen für die kulturelle und gesellschaftliche Bedeutung der Chorarbeit.