Engere Zusammenarbeit der Amateurmusikverbände
Auch wenn die Coronazeit durch ihre Einschränkungen einen wesentlichen Teil des Chor- und Amateurmusikwesens – das Musizieren – zum Erliegen gebracht hat, haben die Verbände im Hintergrund die Zeit genutzt, um ihre Zusammenarbeit auf ein neues Level zu bringen. Sie haben unterschiedliche Themen gemeinsam bearbeitet und voran gebracht.
Eines der großen Projekte, das aus der Taufe gehoben wurde, ist die Chorakademie Baden-Württemberg. Sie ist ein gemeinsames Pilotprojekt der drei Chorverbände Baden-Württembergischer Sängerbund, Badischer Chorverband und Schwäbischer Chorverband.
Drei Chorverbände – eine Chorakademie
Die Idee zur Chorakademie schlummerte schon in dem ein oder anderen Hinterkopf und wurde schließlich Ende 2019 von den drei Chorverbänden gemeinsam beschlossen. Neu daran ist die Zusammenarbeit auf dieser Ebene in einem verbandsübergreifenden Projekt.
Alle Chorverbände haben bisher ihre Bildungsprogramme eigenständig veranstaltet, doch nun steht mit der „Chorakademie Baden-Württemberg im Pilotbetrieb“ ein Überbau für ein gemeinsames Bildungsangebot. Es soll eine einheitliche Ausbildung für ganz Baden-Württemberg geschaffen werden. „Wir wollen eine standardisierte Ausbildung mit zentraler Bewerbung, zentralen Angeboten und zentraler Abrechnung anbieten“, so Wolfgang Denecke, Vizepräsident des Badischen Chorverbands.
Das hätte zur Folge, dass ein Zertifikat entwickelt wird, das von der Chorakademie Baden-Württemberg ausgestellt wird und Anerkennung findet. „Die Zukunftsvision für die Chorakademie ist, dass die Akademie selbst Angebote macht, andere Angebote unterstützt, Hinweise gibt und Beratungen anbietet. Am Ende der Ausbildung steht dann ein Zertifikat der Chorakademie, das bundesweit Anerkennung findet und einen guten Standard bietet, der bekannt ist“, sagt Monika Brocks, die Geschäftsführerin des Schwäbischen Chorverbands.
Dieses Ziel zu erreichen, steht nun auf den Fahnen des Lenkungskreises und der Projektleitungen. Wunsch ist es, künftig auch eine Anrechenbarkeit der Ausbildungsmodule, beispielsweise im Bereich des Musikstudiums, zu erreichen. Bis dahin ist es noch ein langer Weg, aber die Vision steht.
Das Projekt Chorakademie ist eine besondere Art der Zusammenarbeit der drei Chorverbände, die es so bisher noch nicht gab. Da die Finanzierung durch Landesmittel gesichert war, stand der Start schon mal auf festen Beinen. Der bereits länger bestehende Wunsch, auf musikalischer Ebene enger zusammenarbeiten, hat das Projekt dann vorangetrieben. „Ein idealeres Projekt zum Ausprobieren dieser Zusammenarbeit der Chorverbände hätte es kaum geben können, ein sehr guter Einstieg“, findet Monika Brocks.
Jugendliche geben der Amateurmusik eine Stimme
Auch die Landesmusikjugend Baden-Württemberg (LMJ) hat neue Einstiege gewagt. Im Rahmen der klassischen Arbeit der Verbände im Vorfeld von Landtagswahlen wird ein Fragenkatalog an die Fraktionen verschickt. Der LMJ war das nicht genug und sie konzipierte ein besonderes Beteiligungsformat mit dem Ziel, die Amateurmusik und die Politik zusammen zu bringen und einen aktiveren Austausch zu den brennenden Themen im Bereich Amateurmusik und Jugendbildung zu ermöglichen. So wurde das Format „Stimm dich ein“ entwickelt. Damit sollte erreicht werden, dass junge Menschen selbst zu politischen Akteuren werden können und ihnen Sichtbarkeit und Gehör verschafft werden.
Das Format – geplant als Hybridveranstaltung, sprich Präsenz und Digital kombiniert – sollte ursprünglich aus dem Filum, der Musikschule Filderstadt, gestreamt werden. Mit Corona kam es anders und „Stimm dich ein“ wurde als rein virtuelles Format umgesetzt. Doch das hat dem Vorhaben keinen Abbruch getan, da virtuelle Veranstaltungen Anfang 2021 bereits zum Standard gehörten.
Steffen Schmidt, im Vorstand der LMJ zuständig für den Themenbereich Interessensvertretung, betont: „Das Ziel war, dass jede:r, der oder die daran interessiert war, teilnehmen konnte. Das konnten wir durch die virtuelle Umsetzung gut ermöglichen.“ 50 Teilnehmende waren schließlich auch dabei und haben die Vertreter:innen der Landtagsfraktionen von CDU, FDP, Grünen und SPD zu ihren Themen befragt. Dabei war es die Aufgabe der Jugendlichen aus den Verbänden, diese vorzubereiten und vorzubringen. So entstand ein gewinnbringender fachpolitischer Austausch, auf dessen Ebene die Landesmusikjugend nun weiterarbeiten möchte.
„Die Arbeit ist hier noch nicht zu Ende, eigentlich beginnt sie erst. Die ganze Bandbreite an Themen zur Zukunft Schule – Verein oder auch dem ländlichen Raum kamen zur Sprache und sollen nun abgeglichen werden mit dem, was dann auch auf politischer Ebene umgesetzt wird“, so Steffen Schmidt „Ein großer Gewinn war es, festzustellen, dass alle anwesenden Fraktionen als Fürsprecher für die Amateurmusik stehen und sich den Fragen im fairen Dialog gestellt haben.“ Die Landesmusikjugend wird die Politiker:innen in die Verantwortung nehmen und auch das Format transferieren: Es soll auf regionaler und lokaler Ebene etabliert werden. Denn es ist ein Ansatz für die Stärkung der Kultur und Amateurmusik und ein Ergebnis guter Teamarbeit im Vorstand der Landesmusikjugend, wie Steffen Schmidt ausdrücklich betont.
Gemeinsam für die Amateurmusik
Seit 13 Jahren steht über den Amateurmusikverbänden ein Dachverband: der Landesmusikverband Baden-Württemberg (LMV). Er versteht sich als Sprachrohr und Multiplikator für Themen, die über die Verbände und Vereine in die Breite gestreut werden können. Stark wird der LMV dadurch, dass sich in ihm die Fachverbände zusammenschließen und damit die Vereine optimal vertreten werden können.
Besonders in der Coronazeit wurden diese Stärke und der Zusammenschluss deutlich sichtbar. Das gemeinsame, entschlossene Auftreten gegenüber der Politik hat bewirkt, dass die Amateurmusik gesehen und ihre Bedürfnisse berücksichtigt wurden.
Neben der finanziellen Förderung ging es aber auch verstärkt um das gemeinsame Musizieren. Dieses sollte sicher für die Musiker:innen und Zuhörer:innen möglich sein. Deshalb wurde verbandsübergreifend ein gemeinsames Hygienekonzept für alle Disziplinen des Landesmusikverbandes erstellt und gemeinsam verbreitet. Das hat die Einheitlichkeit und das gemeinsame Arbeiten voran gebracht und verdeutlicht.
„Wir haben uns dafür eingesetzt, dass das Freiburger Institut für Musikermedizin als kompetenter Ansprechpartner und Expertenkreis einbezogen wird. Das hat die Landesregierung aufgegriffen und diese Experten dann auch für die eigene Arbeit anerkannt“, erklärt Christoph Palm, Präsident des Landesmusikverbands Baden-Württemberg.
Eines wurde in dieser Zeit ganz deutlich, so Christoph Palm: „Corona war ein treibender Faktor. Was wir in guten Zeiten geahnt haben, nämlich, dass wir zur Einheit fähig sind und das Optimale erzielen können, hat sich jetzt bewiesen. Der LMV ist mehr als die Summe seiner Einzelteile.“
So stellen sich die Mitgliedsverbände gegenseitig ihre Expertise im jeweiligen Bereich zur Verfügung, denn die schwierige Zeit traf alle gleichermaßen. Die Amateurmusikverbände werden gemeinsam und gestärkt aus der Coronazeit hervor gehen.