Aber auch schuldlos oder jedenfalls nicht vorwerfbar kann ein Mitglied seinem Verein schaden, etwa, indem er seinen Mitgliedsbeitrag nicht bezahlt, sei es aus Gleichgültigkeit, sei es, weil es aufgrund plötzlicher Arbeitslosigkeit oder in anderer Weise in Not gerät und den Beitrag schlicht
nicht bezahlen kann. Schließlich ist auch in Corona-Zeiten die Frage aufgetaucht, ob der Verein in Zeiten, in denen er seine Satzungsziele nicht verfolgen kann, weil die Probenarbeit untersagt oder aus Abstandsvorschriftsgründen unmöglich ist, und die Vereinsmitglieder bitten oder erwarten, dass in dieser Zeit der erzwungenen Inaktivität der Mitgliedsbeitrag nicht erhoben oder sogar zurückerstattet wird, dieses tun kann.
Alle Fallgestaltungen haben eins gemeinsam:
Der Verein würde in diesen Fällen auf die Erhebung eines durch die Satzung und den Mitgliedsvertrag geschuldeten Beitrages verzichten oder Ansprüche auf Schadenersatz (im Falle der Veruntreuung oder auf andere Weise) nicht geltend machen.
Grundsätzlich darf der Verein das nicht. Es ist ihm verwehrt, auf Ansprüche zu verzichten, die er gegen seine Mitglieder, aber auch gegenüber Dritten hat. Denn: Der Verein wurde vom zuständigen Finanzamt als gemeinnützig anerkannt (mit der Folge des Verzichts des Staates auf sonst fällige Steuern), weil er gemeinnützige Aufgaben entsprechend seiner Satzung erfüllt und sich dadurch in den Dienst der Allgemeinheit stellt. Tut er das nicht oder kann er es nicht, weil ihm infolge Verzichts auf die Einforderung fälliger Verbindlichkeiten die notwendigen Mittel zur Erfüllung dieser gemeinnützigen Aufgaben fehlen, ist die Feststellung der Gemeinnützigkeit nicht mehr gerechtfertigt und das Finanzamt muss prüfen, ob dem Verein nicht die Gemeinnützigkeit entzogen werden muss.
Das ist nach den Buchstaben des Gesetzes, insbesondere der Abgabenordnung (AO), der Regelfall. Es ist aber klar, dass es Situationen gibt, in denen es von diesem Regelfall Ausnahmen geben muss.
Am einfachsten ist es beim Verzicht auf die Beitreibung von Mitgliedsbeiträgen, wenn das betreffende Mitglied in Not geraten ist und den Beitrag nicht bezahlen kann. Dann kann ein Verzicht schon in der Satzung geregelt und einem Vereinsorgan (Mitgliederversammlung oder Vorstand) zur Entscheidung übertragen sein. Gibt es eine solche Regelung nicht, kann der Verzicht nur von der Mitgliederversammlung beschlossen oder ein Verzicht des Vorstandes nur von der Mitgliederversammlung bestätigt werden.
Der Verzicht kann in einer Stundung bestehen, in der Gewährung von Ratenzahlungen, oder einem vollständigen Verzicht. Dieser Verzicht darf nur so lange fortdauern, wie die Notlage fortbesteht.
Wie verhält es sich bei den Auswirkungen der Corona-Pandemie?
Schwieriger ist die Frage zu beantworten, wenn wegen der Corona-Situation das Vereinsleben aufgrund gesetzlicher oder behördlicher Auflagen zum Stillstand gekommen ist. In manchen Fällen haben Vereinsmitglieder verlangt, die Einziehung der Mitgliedsbeiträge auszusetzen oder auf sie zu verzichten. Schließlich finde praktisch kein Vereinsleben statt, insbesondere keine Proben- und Konzerttätigkeit, Mittelpunkt jedes Chorvereinslebens.
Mit dieser Begründung darf auf die Erhebung des Vereinsbeitrages allerdings nicht verzichtet werden. Einfache Begründung: Der Mitgliedsbeitrag ist kein „Eintrittsgeld“, für den der Verein seinen Mitgliedern Gegenleistungen zur Verfügung stellt, sondern ein Beitrag für die Arbeit des Vereins in jeglicher Hinsicht. Auch wenn also keine Proben stattfinden, geht das Vereinsleben selbstverständlich weiter, auch wenn es den Vereinsmitgliedern deutlich ruhiger erscheint.
In Vereinen (vor allem Sportvereinen), die ihren Mitgliedern beispielsweise Tennisstunden oder stundenweises Skitraining (oder Einzelstimmbildung) anbieten, ist eine Gegenleistung geboten, die nicht bezahlt werden muss, wenn sie nicht in Anspruch genommen wird (werden kann). Hier ist natürlich keine Zahlung fällig.
Sonderregelung noch bis Ende diesen Jahres
Bis Ende 2021 gilt die generelle Regelung (die bis dahin auch nicht in der Satzung verankert sein muss), dass der Verein ohne Gefahr für die Gemeinnützigkeit einzelne Mitglieder in Notfallsituationen auf Antrag vom Beitrag befreien kann; dies ist eine aktuelle Regelung des Bundesministeriums der Finanzen (Stellungnahme des BMF vom 22. Januar 2021 zu der schriftlichen Anfrage von Mitgliedern des Bundestages Nr. 236 vom Januar 2021).
Schließlich: Hat ein Vereinsmitglied den Verein vorsätzlich durch Diebstahl, Untreue oder Betrug geschädigt, muss der Vorstand – das gehört zu seinen Vermögensbetreuungspflichten gegenüber dem Verein – alle Ansprüche, insbesondere Schadenersatzansprüche, gegen dieses Mitglied geltend machen und durchsetzen. Dabei kann es immer wieder dazu kommen, dass bei dem untreuen Vereinsmitglied „nichts zu holen ist“; dazu hat es Beispiele gegeben, in denen mit Vereinsgeldern spekuliert und diese dann verloren wurden. Manchmal – glücklicherweise selten genug – geschehen Untreuehandlungen, weil beispielsweise der Kassier oder die Kassiererin finanziell in Not gerieten und sich – dauerhaft oder vorübergehend – aus der Vereinskasse „bedient“ haben. Auch dann muss damit gerechnet werden, dass man die Rückforderungs- und Schadenersatzansprüche des Vereins nicht durchsetzen kann.
In jedem Falle muss der Vorstand den Sachverhalt sorgfältig aufklären und die Schadenshöhe ermitteln. Er muss alle rechtlichen Möglichkeiten ausnutzen, um das fehlende Geld wieder in die Kasse des Vereins zu bringen. Tut er das nicht, gefährdet er allein deshalb die Gemeinnützigkeit des Vereins.
Es kann aber Situationen geben, in denen bei aller juristischer Sorgfalt der Schaden nicht vollständig zurückgeführt werden kann. Oder aber würde dies Jahre dauern und wäre mit erheblichen Rechtsverfolgungskosten verbunden. In diesen Fällen kann es die beste Lösung für den Verein sein, wenn man sich mit dem untreuen Vereinsmitglied einigt, auf Ratenzahlungen beispielsweise oder einen Teilverzicht. Das ist jeweils eine schwierige Entscheidung im Einzelfall, bei der sich der Verein unbedingt rechtlich beraten lassen sollte.
Zusammenfassend:
- Grundsätzlich darf der Verein nicht auf bestehende Ansprüche gegen Mitglieder oder Dritte verzichten. Dieser Grundsatz kennt Ausnahmen.
- In der Satzung sollte ab 2022 eine Regelung enthalten sein, wie mit dem Verzicht auf Mitgliedsbeiträge im Einzelnen aus sozialen Gründen umgegangen wird. Über einen solchen Verzicht ist die Mitgliederversammlung – freilich unter Beachtung der Persönlichkeitsrechte des Betroffenen – zu unterrichten.
- Corona rechtfertigt grundsätzlich keinen Beitragsverzicht. Auch hier nur Ausnahmeregelungen im Einzelfall.
- Wenn der Vorstand auf Leistungen oder Rückforderungen verzichtet, muss die Mitgliederversammlung darüber im Rechenschafts- oder Kassenbericht unterrichtet werden.
Rechtsanwalt Christian Heieck
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Dieser Beitrag gibt die Auffassung, Kenntnisse und Erfahrungen des Autors aus vielen Jahren Vereinsrechtpraxis wieder. Wir bitten dennoch um Verständnis, wenn im Hinblick auf die Vielfalt der individuellen Fallgestaltungen, die im Vereinsrecht vorkommen, eine Haftung für die gegebenen Auskünfte im Hinblick auf konkrete Einzelfälle nicht übernommen werden kann.