Vor 150 Jahren starb in Stuttgart der Kirchenmusiker Konrad (Conrad) Kocher; der Komponist und Pädagoge war auch ein wichtiger Förderer der weltlichen Laienchorbewegung und des Schwäbischen Chorverbands.
Im Februar-Heft wurde hier über das Entstehen der ersten weltlichen Liederkränze in Württemberg vor 200 Jahren berichtet. In dieselbe Zeit fällt auch die Gründung erster Kirchengesangvereine, so z. B. durch Konrad Kocher in Stuttgart. Über die Situation in der Residenzstadt schreibt Sängervater Karl Pfaff in seiner „Geschichte der Stadt Stuttgart“ 1846:
„Eifer und Liebe für die Musik, vornehmlich den Gesang, sind es, welche sich seit einigen Jahrzehnten in Stuttgart immer mehr verbreitet und Gelegenheit zur Bildung mehrerer Vereine gegeben haben. Der älteste dieser Vereine ist der Kirchengesangsverein, der seinen Ursprung dem jetzigen Stiftsorganisten Konrad Kocher, einem um den Gesang überhaupt sehr verdienten Manne, verdankt. Dieser gab 1822 nach seiner Rückkehr aus Italien eine Schrift: Die Tonkunst in der Kirche, heraus, worin er seine Ideen über die kirchliche Musik entwickelte und dann im August desselben Jahres einen öffentlichen Aufruf zur Gründung eines Vereins erließ, dessen Hauptzweck die Verbesserung des Kirchengesangs seyn sollte.“
Die Bildung des Volks für den Kirchengesang
„Die Sache fand großen Beifall“, berichtet Pfaff weiter, „Geistliche, Lehrer und Personen beiderlei Geschlechts aus verschiedenen Ständen und von verschiedenem Alter schlossen sich an und im März 1823 wurde durch eine Rede des Rektors Zollers der Verein eröffnet, welcher im März 1824 auch eine Gesangschule gründete. Seinen Zweck sucht er zu erreichen, theils durch Einübung und Ausführung von vierstimmigen Figuralgesängen, welche der Würde des Gottesdienstes entsprechen und die Andacht befördern, theils durch Erweckung größeren Interesses des Volks und die Bildung desselben für den Kirchengesang. Er hatte einen so raschen Fortgang, dass schon am 6. Januar 1825 der Messias in der Waisenkirche von 100 Personen aufgeführt werden konnte …“.
Ditzingen – Petersburg – Rom – Stuttgart
Kocher, der Schöpfer des Vereins, war der Sohn eines Schusters aus Ditzingen bei Leonberg und hatte zunächst eine Ausbildung als Dorfschullehrer erhalten. 1805 hatte er dann in Petersburg bei Muzio Clementi und anderen Meistern Musikstudien betrieben und sich den a-cappella-Gesängen des Petersburger Domchores gewidmet. 1819 war er in Rom, wo ihn u. a. a-cappella gesungene Motetten beeinflussten. Nach seiner Rückkehr nach Stuttgart 1821 gründete er dort um 1822/23 den „Evangelischen Kirchengesangverein“, 1827 wurde er Organist der Stiftskirche. Mit Silcher und Frech versuchte Kocher nach dem Vorbild der reformierten Schweiz einen vierstimmigen Gemeindegesang im Gottesdienst einzuführen (was allerdings gescheitert ist). In diesem Zusammenhang arbeitete er am „Vierstimmigen Choralbuch für Orgel und Clavierspieler“ (1828) mit, in dem 22 Choralmelodien von ihm selbst geschaffen wurden.
Ein Förderer der weltlichen Laienchöre
Stiftsorganist Kocher war nicht nur in Sachen Kirchenmusik eine anerkannte Autorität, er hat sich von Anfang an auch in der weltlichen Musik, besonders in der Laienchorbewegung, engagiert. 1824 gehörte er zu den Gründern des Stuttgarter Liederkranzes, 1827 war er einer der Hauptinitiatoren des ersten schwäbischen Liederfestes in Plochingen. Als Komponist hat er sich ebenfalls für die weltliche Chormusik betätigt. Schon in den ersten offiziellen Notenheften der „Allgemeinen Schwäbischen Liederfeste“ um 1830 findet man Arbeiten von ihm.
Kein Wunder, dass die Laienchororganisationen Kocher – wenn auch etwas spät – für seine Verdienste ausgezeichnet haben: 1871 erreichten ihn die Ehrenmitgliedschaften des Schwäbischen Sängerbundes (Chorverbandes) und des Stuttgarter Liederkranzes; die Diplome sind im Ditzinger Stadtarchiv erhalten. Nicht erhalten ist uns dagegen die Grabstätte des Musikers auf dem Stuttgarter Fangelsbach-Friedhof, wo er nach seinem Tod am 12. März 1872 beigesetzt wurde.