Beispiele für gute Konzerte: Nachmachen erwünscht!
Konzerte sind das Kerngeschäft eines jeden Chores – voller besonderer Erfahrungen für die Musizierenden und das Publikum. Diese Erfahrungen werden umso tiefer, je stimmiger das Gesamtkonzept einer Aufführung ist:
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Ort
Zu einem Konzertort kann prinzipiell jeder Ort werden, an dem man Musik machen kann – drinnen wie draußen, privat oder öffentlich, alltäglich oder ungewöhnlich. Jeder Ort bringt eine eigene Atmosphäre und eigene Möglichkeiten mit sich, die ein Aufführungsformat inspirieren können: Welches Thema und Repertoire passt hierher? Welche Tageszeit? Wen spricht der Ort an?
Im Fokus steht der Ort etwa bei musikalischen Führungen, die sich besonders eignen für Kirchen, Museen, Gärten oder Gebäude wie Burgen und alte Handwerksorte. Dabei kann die Musik mit Hintergrundwissen, Anekdoten oder Poesie verbunden werden. Ähnlich sind Wandelkonzerte, bei denen sich das Ensemble und/oder das Publikum im Laufe der Aufführung bewegen. Musikalische Wanderungen stellen mehr die Gemeinschaft und die Natur in den Mittelpunkt: Hier kann der Chor alleine oder gemeinsam mit dem Publikum wandern und mehrere (Mit-)Sing-Stationen einlegen. Je nach Ziel der Wanderung, ob Berg, Fluss oder Nachbardorf, wird das Repertoire entsprechend ausgewählt. Für den öffentlichen Raum bieten sich vor allem Mitsing-Aktionen oder Flashmobs an, für den privaten Raum Ständchen oder Musizieren auf Balkonen, in Gärten und Wohnzimmern.
- Philharmonischer Chor Weimar: KlangKultur&Klassiker – Musikalische Stadtführung mit Texten der Weimarer Dichter und dazu passender Chorliteratur
- Davos Festival Kammerchor – Festivalwanderung gemeinsam mit dem Publikum zu einer Almwiese für ein offenes Singen, kleine Ständchen zwischendurch
- Kinder- und Jugendchor Herz-Jesu Bad Kissingen: Mose – Videodreh des Musicals an wiedererkennbaren und sehenswürdigen Orten in der Stadt
- Berliner Capella: Klingende Fassaden – Proben und Konzerte in Höfen von Wohnkomplexen und Hotels mit den Sänger:innen an einzelnen Fenstern und Balkonen
- CHORona Malberg: Nikolaus Drive-In – Weihnachtssingen über Funkkopfhörer im Autokino
- Bachchor Salzburg: Flashmob im Einkaufszentrum zur Bewerbung des nächsten Konzerts
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Zeit
Der Zeitpunkt – im Jahr, in der Woche, am Tag – kann die Konzertform maßgeblich definieren. Während sich die Jahreszeit meist eher auf Repertoire und Ort auswirkt, sind Wochentag und Tageszeit besonders relevant für die Publikumsgruppen: Wer interessiert sich für Mittagskonzerte, wer für Lange Nächte? Dazu kommt noch die Dauer: Der Wunsch nach einem abendfüllenden Hörerlebnis oder die Konzentrationsfähigkeit von Kindern – auch hier ist die Zielgruppe ein entscheidender Faktor. In den zeitlichen Überlegungen spielen außerdem Dramaturgie und Pausen eine tragende Rolle. Manchmal ist es wegen der Länge oder des Repertoires sinnvoll, eine Pause zu machen, manchmal ist es wirkungsvoller, mit dem Repertoire einen dramaturgischen Bogen zu entwerfen und die Spannung weiterzuführen. Übrigens: was passiert eigentlich in einer Pause?
- Musik einer Welt: Augsburg singt! – Offenes Singen in der Altstadt jeden Montag after work (17.30 Uhr)
- Bayerischer Landesjugendchor: stars&planets – Jahreskonzert im Deutschen Museum mit drei Abschnitten und jeweils passendem Repertoire in drei verschiedenen Räumen
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Thema
Themen sind beste Ausgangspunkte für Konzertideen. Das Thema dient dabei als roter Faden, der sich durch das Repertoire, aber möglicherweise auch den Ort, den Darbietungsstil, die Kleidung und das Rahmenprogramm einer Aufführung zieht. Themen der Musik wie bestimmte Gattungen, Genres oder Komponist:innen (im Fokus, kombiniert oder kontrastiert) eignen sich genauso wie außermusikalische Themen (z.B. Nacht, Skandinavien) und die Wirkung der Stücke (z.B. empowernd, Erinnerungen weckend). Auch Anlässe, insbesondere Jubiläen, Jahres- und Welttage, sind gute Aufhänger, die außerdem Aufmerksamkeit schaffen. Vor und nach dem Konzert sowie in den Pausen kann das Thema im Konzertrahmen aufgegriffen werden: durch passende Getränke, Aktivitäten, spezielle Eindrücke beim Einlass, im Programmheft, mit kreativen Selfie-Möglichkeiten, Gewinnspielen, Meinungsumfragen…
- Junges Vokalensemble München: Bach2 – Bach im Quadrat – Konzertreihe mit Motetten von J. S. Bach
- POLITICALied: Chor mit ausschließlich politischem Repertoire
- Arco Bremen-Osterholz: Aufführung von Beethovens Pastorale in der Natur am Weltumwelttag als Zeichen für den Umweltschutz
- Wir Kinder aus M-V: Blumen – Sommerkonzert mit zu den Stücken passenden Projektionen, blumigen Raumdekorationen und Kleidungsaccessoires
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Publikum
Die Zielgruppe einer Aufführung bedingt wesentlich deren Form. Vor der Konzeption eines Konzerts sollte man daher überlegen, welche Menschen damit angesprochen werden sollen. Eine Gruppe von Menschen kann z.B. anhand ihres Alters, ihrer Wünsche, Bedürfnisse und ihrer musikalischen Vorerfahrung charakterisiert werden, jedoch auch im Verhältnis zu einer anderen Gruppe, etwa den Chormitgliedern oder dem gewohnten Publikum. Besonders spannend ist es, eine Zielgruppe zu suchen, die sich von bestehenden Gruppen unterscheidet (z.B. anderer kultureller Hintergrund) oder sie sogar kontrastiert (z.B. Senior:innen und Kinder). Eine neue Zielgruppe kann viele Konzertaspekte verändern: die Zeit, den Ort, die Performance, die Interaktionen – und natürlich die eigenen Erfahrungen. Es hilft dabei, mit Menschen dieser Gruppe direkt in Kontakt zu treten und sich über Interessen und Kommunikationsformen auszutauschen.
- Singpaten: Einzelne Senior:innen besuchen Kindergärten und Kitas zum gemeinsamen Singen
- MitMachMusik: Kulturbrücken – Multikulturelles Jugendensemble, das an Festtagen der verschiedenen Kulturen vor den Familien auftritt, die dafür jeweils ihre traditionellen Speisen und Rituale vorbereiten
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Inszenierung
Neben dem klassischen In-Szene-Setzen durch Lichtstimmungen kann für ein Konzert eine grundsätzliche „Erzählung“ entwickelt werden, die die Stücke in einen inhaltlichen oder emotionalen Kontext bringt. Dieser rote Faden kann von bestimmten Personen, z. B. einer (stummen) Spielrolle oder einer Running-Gag-Person im Chor, vorangetrieben werden sowie sich auf die Kleidung und die Raumgestaltung auswirken. Hier stellt sich außerdem die Frage: Welchen Raum bzw. wie viel Raum nutzen wir eigentlich? Nur den Bühnenraum oder auch den Publikumsraum, Gänge, Emporen, Bereiche draußen? Ein Chor ist geradezu prädestiniert für die Bewegung im Raum – für wechselnde Formationen (z.B. verteilt, als Pulk, als Kreis, in Posen, sich gegenüber, um das Publikum) und für Bewegungen: Tänze, Choreografien mit natürlichen Bewegungen oder Gebärden.
- Vokalconsort Osnabrück: Brahms Requiem – Szenisches Konzert mit Formationen, multifunktionalen Requisiten und einer Tänzerin als Hauptrolle
- Tanzchor60+: Goldenglück – Kombination von Chor- und Solostücken zu einem Gesamtkonzept mit choreografierten natürlichen Bewegungen und vielen Lichtstimmungen
- Sing&Sign: Bach – mit den Augen hören – Verbindung des musikalischen Ausdruck von singen und gebärden
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Kooperationen
Für Konzerte kann vielseitig künstlerisch und organisatorisch kooperiert werden. Naheliegend sind hier andere Chöre und Instrumentalensembles derselben oder anderer Altersgruppen und Genres (z.B. Gospelchor und Knabenchor, Konzertchor und Akkordeonorchester, Jugendchor und Saxophonquartett). Ganz besondere Erfahrungen schafft eine Kooperation mit anderen Künsten: mit Tanz, Poesie, Literatur, Schauspiel, bildender Kunst oder Medienkunst – in der Aufführung wie im Proben- und Entstehungsprozess. Profis aus den pädagogischen Bereichen, der Regie, Technik und dem Design arbeiten ebenfalls gerne mit Chören zusammen. Darüber hinaus können sich regionale Partner finden, etwa die Stadt/Gemeinde für Auftrittsorte und Öffentlichkeitsarbeit (z.B. Stadtfest, Schlossgarten, Social Media) oder Museen für Formate im Kontext der Museumsinhalte. Und auch Unternehmen können einbezogen werden, z.B. mit einem Getränkeangebot für die Pause oder einem Gewinnspiel zur Bewerbung des Konzerts und der Unternehmensmarke.
- Integrativer Chor Frisch Gemischt: frisch gemischt auf Reisen – Besuch von Chören aus dem Umland zur Begegnung und zum gemeinsamen Musizieren
- Musikverein Böhringen: Klangkunst&Farbenspiel – Dreiteiliges Projekt, das Musik und bildende Kunst verbindet: Ein Konzert mit von Kunstwerken inspirierten Kompositionen, die Entwicklung eines neues Musikstücks basierend auf einem Kunstwerk, das Fertigen eines Kunstwerks live zum Abschlusskonzert
Genannte Beispiele und weitere Inspirationen für Konzerte gibt es in den „Praxis-Impulsen“ und in „Schritt für Schritt“ auf frag-amu.de.