Sie bevölkern nicht nur Teiche und Seen, sondern auch so manche Sängerutensilien: die holden Schwäne
Als Meistersänger der Vogelwelt sind Gänse- und Entenvögel, zu denen auch die Schwäne zählen, nicht gerade bekannt. Dennoch haftet dem Schwan ein ganz besonderes musikalisches Image an.
Ihre langen Hälse haben die Sing-, Pfeif- und Trompetenschwäne nicht, um damit hohe Tonlagen zu erreichen, sondern zum Gründeln im Seeschlamm. Wenn sie dann mal ihre Hälse und Stimmen erheben, klingt es meist weniger nach geschmeidigem Gesang als vielmehr nach scheppernder Blasmusik. Zwar mag manch einer den „melodiös posaunenden und trompetenden Rufen“ auch ästhetische Seiten abge-
winnen, es wundert aber einen dann doch, dass die Langhälse immer wieder als Sinnbild auf Fahnen, Urkunden und anderen Utensilien von Gesangvereinen auftauchen. Nur am eleganten Aussehen der schneeweißen Vögel kann das nicht liegen, es muss da noch etwas anderes dahinterstecken.
Das erste, was einem dazu einfällt, ist der Begriff „Schwanengesang“. Er wird bei uns gern als Synonym für das letzte Werk (lat.: Opus Ultimum) eines Künstlers verwendet. Bekannt ist zum Beispiel der „Schwanengesang“ des Heinrich Schütz, dessen Todestag sich heuer am 16.11. zum 350. Mal jährt. Sein Opus Ultimum, eine Motettenreihe für zwei vierstimmige Chöre zum Psalm 119, hat der damals 86-jährige Meister bewusst als letzte künstlerische Schöpfung und als eine Art musikalisches Vermächtnis ein Jahr vor seinem Lebensende komponiert. (Unvollständig überliefert, ist es erst kürzlich wieder rekonstruiert und aufgeführt worden.)
Schwanengesang – alter Mythos und romantische Wiederbelebung
Schütz hat sein letztes Werk übrigens selbst nicht „Schwanengesang“ genannt, und das gleiche gilt für den „Schwanengesang“ des Franz Schubert. Dieser Zyklus ist eine posthume Zusammenstellung von 13 Liedern, die der Künstler zwar kurz vor seinem Tod 1828 geschaffen hat, allerdings nicht in Erwartung seines baldigen Endes (er starb ja überraschend mit 31 Jahren). Der vom Herausgeber gewählte Titel ist daher manchen Schubertfreunden nicht so ganz koscher.
Seinen Ursprung hat der Begriff Schwanengesang in der antiken Mythologie. Schon der Dichter Ovid erzählt, dass der Schwan am Ende seines Lebens zu einem letzten traurig-schönen Gesang ansetze. Diese Legende hielt sich durch die Jahrhunderte und hat vor allem seit der Romantik erneut die Phantasie beflügelt. Viele Werke sind seither zu diesem Thema entstanden, so z.B. 1902 Franz Schrekers „Schwanengesang op. 11“ für Chor und Orchester mit einer Dichtung von Dora Leen.
Verdünnt ist die Stimme dem Mann – stumpf ragt ein Schnabel am Munde
Die Schwanenmotive in der Bildwelt unserer Chorvereine müssen allerdings eine andere Bedeutung haben als die eines letzten Schwanengesangs. Suchen wir also weiter in der antiken Mythologie, in der das Thema Schwan und Gesang seinen Ausgang nahm. Dort treffen wir z. B. auf die Geschichte des Königs Kyknos (d.h. Schwan). Er war ein Freund des Phaeton, der mit dem Sonnenwagen vom Himmel in den Tod stürzte. Kyknos hob angesichts dieses Unglücks selbst sterbend einen Trauergesang an und wurde von den mitleidigen Göttern in einen Schwan verwandelt und als Sternbild an den Himmel versetzt. Dort funkelt er noch heute nachts in unmittelbarer Nachbarschaft zum Sternbild Lyra, dem Instrument des Sängers Orpheus. Über die Verwandlung des Kyknos zum Schwan während seines Klagelieds schreibt Ovid in den „Metamorphosen“: „Siehe, verdünnt ist die Stimme dem Mann, und weißes Gefieder / macht unkenntlich das Haar, und lang von der Brust in die Höhe / streckt sich der Hals, und ein Band verknüpft die geröteten Zehen; / Fittiche wachsen ihm an; stumpf ragt ein Schnabel am Munde.”
„Mein lieber Schwan!“
Wie Ovid die Verwandlung des Kyknos besingt, klingt allerdings auch nicht nach einer geeigneten Vorlage für unsere Schwanenbilder. So landen wir bei unserer Suche zu guter Letzt bei Apollon, dem griechischen Gott der Künste selbst. Die Schwäne gehören schon zu seiner Geburtsgeschichte und sie bleiben als Symbole für Reinheit und Schönheit auch später seine Reittiere. Auf alten griechischen Vasenmalereien z. B. sieht man den Höchsten aller Künstler und Sänger, wie er mit der Leier im Arm zwischen den Schwingen des Vogels sitzt. In der christlichen Renaissance wurde er dann auch zum Reittier der „Frau Musica“. Hier also hat der fliegende Schwan mit der Leier auf dem Rücken seinen Ursprung. In der Bildwelt steht er für die Musik und für die Reinheit und Schönheit der Tonkunst.
Zuletzt: Auch auf der Spielbühne sind Schwäne gern besungene Wesen geworden. Man denke da nur an Lortzings Zauberoper Undine (1844) mit ihrem Schlusschor „Schwanensang, Schwanenklang“ / Tönet wieder / Auf dich nieder.“ Und natürlich an Wagners Lohengrin (1850), dessen Nachen von einem Schwan gezogen wird, wofür sich der Ritter mit einem Lied bedankt, das sogar zu einem „geflügelten Wort“ geführt hat:
„Nun sei bedankt, mein lieber Schwan!“