„Tschakka“: Initiatorin Ellen Strauß-Wallisch über das neue Projekt für Schulen und Vereine
Ihr schönstes Chorerlebnis kann Ellen Strauß-Wallisch nicht benennen. Unzählige bereichernde Konzerte hat sie erlebt, als dass sie eines davon herausgreifen könnte. „Das Schönste für mich überhaupt ist die Begegnung mit Menschen und da bin ich so dankbar, dass ich bereits so viele tolle Menschen kennenlernen durfte. Gemeinsam musizieren ist einfach immer das schönste Erlebnis!“, schwärmt sie im Interview. Als Chorleiterin arbeitet sie für vier Vereine, leitet einige junge Chöre mit Gospel, Jazz, Rock und Pop – ihrer Leidenschaft. Doch auch einem katholischen Kirchenchor steht sie vor. Intensiv engagiert sie sich für das Singen mit Kindern und hat „Tschakka – Singen macht stark“ – ein Pro-jekt für Schulen und Vereine – initiiert. SINGEN hat mit der Kooperationsbeauftragten im Musikbeirat des Schwäbischen Chorverbandes gesprochen.
SINGEN: Liebe Frau Strauß-Wallisch, was darf man sich unter Ihrer Aufgabe als Kooperationsbeauftragten im Musikbeirat des Schwäbischen Chorverbandes vorstellen?
ESW: Als Kooperationsbeauftragte helfe ich bei dem ganzen Verfahren ‚Wie mache ich eine Kooperation?‘. Ich berate Vereine, Schulen und alle, die Lust haben, in dieses Ver-fahren miteinzusteigen – von der minimalen Möglichkeit bis zur Dauerkooperation. Ich bekomme viele Anfragen und Anrufe rund um das Thema Kooperation, weil den meisten schon aufgefallen ist, dass es bald einen Anspruch auf Ganztagesbetreuung in der Grund-schule gibt. Die Vereine wissen: ‚Bald müssen wir noch mehr und näher an die Schulen heranrücken.‘ Diese Aufgabe macht mir sehr viel Freude, denn ich treffe auf sehr viele engagierte Menschen, die Lust auf Kinder- und Jugendarbeit haben.
SINGEN: Wann und wie entstand ‚Tschakka‘ und was ist die Kernidee?
ESW: Seit Jahren spüre ich schon, dass es im Kinder- und Jugendbereich ganz große Defizite gibt. In Deutschland fehlen 23 000 Musiklehrer. Ich spüre aber auch eine große Frustration und eine Hemmnis, sich im Kinder- und Jugendbereich zu engagieren. Da habe ich schon seit etwa fünf Jahren überlegt: ‚Was können wir tun, dass wir Kooperationen anstoßen?‘ In vielen Gesprächen und bei Vorträgen habe ich live erlebt, dass viele Angst davor haben, auf die Schule zuzugehen oder noch weitere Verantwortung zu über-nehmen. Und so ist die Idee für das Projekt „Tschakka – Singen macht Spaß und stark“ für die Grundschule entstanden.
SINGEN: Und dann?
ESW: Sind viele Anträge gestellt worden. Das hat echt eine Weile gebraucht. Wir wussten: Am schlimmsten drückt der finanzielle Schuh. Wir haben uns im Chorverband zusammengesetzt, viele Anträge gestellt und haben es geschafft, dass wir in diesem Jahr 20 Kooperationen mit den Musikpädagogen finanzieren können.
SINGEN: Warum ist dieses Projekt aus Ihrer Sicht so notwendig?
ESW: Singen und Musik macht stark, weil Musik ein Blitzableiter ist – ein Blitzableiter für Emotionen, für alles, wo mich der Schuh drückt und was mich umtreibt. Ich spüre das jeden Tag im gemeinsamen Singen und Musizieren mit meinen Schülern. Ich spüre, was Musik für sie bedeutet. Und in den Kooperationen, die jetzt gestartet sind, – ich selber betreue vier Kooperationen – merke ich, was es im Schulleben verändert, wenn Musik wieder Einzug hält: Dass plötzlich bei den Adventsfeiern, die ich
jetzt zum Beispiel in einer Schule begleite, Kinder loslegen, musizieren und vorspielen. Ich bin ganz nah dran in der Grundschule und erfahre, was Spaß macht und welche Songs richtig gut laufen. Die Lehrer melden mir zurück, dass es noch nie so rund war und dass die Kinder noch nie so schön gesungen haben. Das berührt mein Herz sehr. Musik gehört an die Schule! Da möchte ich unbedingt einen Beitrag leisten.
SINGEN: Was wurde bisher erreicht und wohin soll es gehen?
ESW: Gehofft hatten wir auf fünf bis zehn Kooperationen, die wir anstoßen können. Jetzt sind wir bei sage und schreibe 20 mit etwa 6.000 singenden Kindern angelangt. Dieser Erfolg hat uns ehrlich gesagt stark überrascht. Es stehen schon die nächsten zehn Schulen auf einer Warteliste, die zum Halbjahr einsteigen wollen. Das ist so ein großer Erfolg, der all unsere Herzen hüpfen lässt!
SINGEN: Wer kann mitmachen und wie funktioniert das?
ESW: Grundsätzlich können alle Vereine, alle Schulen bei uns anfragen. Wir haben auch schon einen kleinen Ableger nach Heilbronn gesendet. Es gibt auch Anfragen für Kinder-garten-/Kitaeditionen. Da arbeite ich gerade dran. Da wird zum Halbjahr auch etwas starten. Wir wollen überall helfen – so gut wir das können. Das Materialpaket und die Idee kann jeder von uns haben: Man muss nur Kontakt zu uns aufnehmen. Wir schicken unse-re Ideen und Erfahrungen überall hin, weil wir gerne behilflich sein wollen, dass Kinder überall singen.
SINGEN: Kostet das was?
ESW: Es kostet die Musikpädagogen, die ordentlich bezahlt werden müssen. Da haben wir Regelsätze herausgegeben. Es ist immer auch eine Verhandlungssache mit dem Musikpädagogen bzw. der Musikpädagogin, was sie für einen finanziellen Bedarf sieht. Wir haben uns auf die Suche nach Sponsoren und Stiftungen gemacht und so haben wir es geschafft, dass die Vereine und auch die Schulen im ersten Jahr kostenfrei an diesem Projekt teilnehmen können. Wir sind an einer Anschlussfinanzierung dran und freuen uns über jede Spende. Wir haben zurzeit eine Start-Next-Kampagne, wozu man nur auf die entsprechende Seite gehen und nach „Tschakka – Singen macht stark“ suchen muss.
SINGEN: Was entgegnen Sie Skeptikern, die zum Beispiel befürchten oder behaupten, dass es während der Schulzeit keine freien Kapazitäten gibt?
ESW: Den Skeptikern sage ich: ‚Sprecht mal mit den Lehrern an den 20 Grundschulen, die mit uns arbeiten und erlebt mal, was es bedeutet, dass die Kinder nach dem An-schuggerle beim Singen wieder ganz anders arbeiten und dass es im Schulalltag so viele tolle Erlebnisse bringt, die Kinder stark machen.‘ Und wer stark ist, kann nachher auch toll lernen und die Kapazitäten nutzen. Es passt außerdem optimal ins Schulcurriculum. Das haben wir mit dem Schulamt abgesprochen: Jede Schule hat freie Kapazitäten, um ihr Schulcurriculum umzusetzen. Es gibt Zeit fürs Singen, denn Singen trainiert auch das Köpfchen. Und alles, was mich stark macht und mein Köpfchen trainiert, schafft, dass ich nachher auch eine tolle Leistung bringen kann.
SINGEN: Was wünschen Sie sich für die Zukunft? Haben Sie eine Vision?
ESW: Für die Zukunft wünsche ich mir, dass viele Leute die Projekte unterstützen; dass es niemals am Geld scheitert. Macht ein bisschen eure Geldbeutel auf, habt keine Angst davor, investiert das Geld auch in euren Vereinen! Es bringt so viele tolle, neue Perspek-tiven zu euch in die Vereine. Macht eure Herzen auf und gebt den Kindern einen Platz! Wir brauchen diesen Nachwuchs. Ich höre oft: ‚Wir finden niemanden, der den oder die-sen Posten übernimmt.‘ Aber wenn ich Vereinsleben als Kind nicht erlebt habe – diese schöne Sache, das Singen, das Gemeinsam-stark-Sein –, wie soll ich da nachher Verant-wortung übernehmen? Lasst uns in die Zukunft und in die Kinder investieren! Das ist genau das Richtige.
„Tschakka“ in Kürze
Mit dem Schulamt Esslingen-Nürtingen, dem Chorverband Karl Pfaff, den Mitgliedsvereinen und Schulen fanden sich „vier Partner, die gemeinsam daran arbeiten, dass das Singen wieder seinen Platz in der Schule findet“, resümiert Initiatorin Ellen Strauß-Wallisch. Als kreativer Kopf von „Tschakka“ hat sie eine Geschichte geschrieben, die sich musikalisch auf der Bühne umsetzen lässt. Dafür hat sie die Songs zusammengestellt, manche sogar selbst komponiert. Die Songs wurden produziert und werden mitsamt Materialpaket an die Projektteilnehmer ausgehändigt. Ziel ist, so viele Kinder wie möglich für das Singen zu begeistern und an entsprechender pädagogischer Stelle die Sorgen rund um die Umsetzung zu nehmen.
www.tschakka-singenmachtstark.de
Zur Person
Ellen Strauß-Wallisch ist musikalische Jugendleiterin im Chorverband Karl Pfaff im Landkreis Esslingen, leitet vier Chöre und ist Kooperationsbeauftragte von Kultusministerium und Schwäbischem Chorverband für Schulen und Vereine. Hauptberuflich arbeitet die 48-Jährige als Lehrerin an einer Gemeinschaftsschule und unterrichtet die Fächer Musik, Wirtschaftslehre und AES (Alltagskultur, Ernährung und Soziales). Sie betätigt sich zudem als Sängerin, Komponistin, Autorin von Kinderbüchern und sagt von sich: „Mein Herz schlägt ganz stark für Musik für Kinder.“ Ellen Strauß-Wallisch ist verheiratet und hat eine Tochter.
www.ellen-strauss-wallisch.de