Arbeitsbuch D1-Ausbildung
Seit über sechs Jahren ist Andreas Schulz für die D-Ausbildung im SCV verantwortlich. Ab diesem Ausbildungsgang wird das Arbeitsbuch, das ganz auf die D1-Ausbildung im SCV zugeschnitten ist, genutzt. Wir sprachen mit ihm über die Konzeption des Arbeitsbuchs, der Ausbildung insgesamt und warum die D-Ausbildung so wichtig für Chöre ist.
AS: Wir haben auch bisher in den Kursen ein Buch verwendet, das aber nicht von uns selbst gemacht war und das nicht in allen Bereichen speziell unseren Bedürfnissen entsprach. Deshalb war es schon länger unser Ziel, ein eigenes Buch für die Ausbildung herauszubringen. Und die Initialzündung waren dann die Fördermittel, die wir hierfür bekommen haben.
SINGEN: Wie fängt man so ein Projekt denn an? Was waren die ersten Schritte?
AS: Das ging eigentlich schon vor sechs oder sieben Jahren los. Damals habe ich mir das erste Mal Gedanken zur Konzeption gemacht. Und dieses Konzept lag tatsächlich jahrelang in der Schublade. Als es dann hieß, wir können loslegen, haben wir das wieder herausgezogen. Der erste Schritt war dann das Inhaltsverzeichnis: Was muss rein und in welchem Umfang? Da haben wir uns anfangs ein bisschen verschätzt. Ursprünglich war die Rede von 100 bis 120 Seiten, letztendlich sind wir jetzt bei etwa 200. Aber in so einem Prozess ist es wahrscheinlich normal, dass sich da noch mal einiges verschiebt. Im nächsten Schritt ging es dann darum, Autoren zu finden. Ich wollte das nicht alleine machen und am naheliegendsten war es natürlich, meinen Kollegen Robert Kopf, der die D-Lehrgänge mit mir gemein-
sam macht, ins Boot zu holen. Wir haben uns dann zusammengesetzt und sind das Inhaltsverzeichnis gemeinsam durchgegangen und haben die Kapitel untereinander aufgeteilt und bei ProStimme wurden sie dann schließlich wieder zu einem Ganzen zusammengesetzt.
SINGEN: Inwiefern unterscheidet sich das Buch von den bisher in den Kursen verwendeten Werken?
AS: Wir haben uns etwas komplett Neues überlegt. Wobei es natürlich schon so ist, dass es – wenn man beide Inhaltsverzeichnisse nebeneinander legt – Gemeinsamkeiten gibt. Eine sinnvolle Abfolge der Inhalte ist ja zum Teil naturgegeben: Ich brauche nicht über Intervalle zu reden, bevor ich nicht die einzelnen Töne besprochen habe. Da überschneidet sich die Reihenfolge natürlich, aber das geht auch gar nicht anders.
SINGEN: Inwiefern sind die Lehrgangsinhalte denn mit anderen Chorverbänden abgestimmt oder vergleichbar?
AS: Das ist tatsächlich gar nicht so einfach zu sagen. Bei der Konzeption des Lehrgangs 2016 habe ich immer wieder mit dem Deutschen Chorverband gesprochen. Und vor zwei oder drei Jahren hat sich die Deutsche Chorjugend dann tatsächlich unter unserer Mitwirkung mit dem Thema beschäftigt. Die D-Lehrgänge gab es bis dahin eigentlich nur vereinzelt. Und jetzt gibt es zumindest den D1-Lehrgang auch auf DCV-Ebene, allerdings haben da natürlich viele verschieden Verbände mitgewirkt und deshalb entspricht das Niveau nicht ganz dem unserem. Dementsprechend richtet sich dieses Konzept vielleicht auch an eine etwas jüngere Zielgruppe. Uns war es aber wichtig, unser Niveau beizubehalten. Deshalb ist das Arbeitsbuch nun speziell auf unsere Ausbildung im SCV zugeschnitten. Natürlich sind wir da aber weiterhin im Austausch mit dem DCV.
SINGEN: An welche Zielgruppe richtet sich das Arbeitsbuch denn?
AS: Die Jugendlichen, die bei uns D1 machen, sind zwischen zwölf und 15 Jahre alt.
SINGEN: Ist für den D2- und D3-Lehrgang ebenfalls ein eigenes Arbeitsbuch geplant?
AS: Das ist vermutlich eine Frage des Geldes. Es wäre natürlich schön. Und gedanklich haben wir uns bei der Konzeption dieses Buchs natürlich auch immer wieder gefragt, ob wir Inhalte mitaufnehmen oder besser für D2 zurückhalten. Sinnvoll wäre es natürlich auf jeden Fall, so etwas auch für D2 und D3 anzubieten. Momentan gibt es da nämlich kein Lehrwerk, das wir verwenden. Wir arbeiten stattdessen mit eigenen Arbeitsmaterialien. Der Lehrgang funktioniert so, dass die Jugendlichen sich daheim – am besten mit ihrem Chorleiter vor Ort oder in kleinen Gruppen – etwa ein halbes Jahr vorbereiten. Dann kommen sie im Herbst zu einem viertägigen Lehrgang zu uns, wo die Inhalte noch einmal gemeinsam besprochen und auf ein Level gebracht werden. Die komplette Vorbereitung ist in vier Tagen natürlich nicht möglich. Wenn der Chorleiter das entsprechende Know-how hat, braucht er theoretisch gar kein Buch zur Vorbereitung, sondern kann sich die entsprechenden Übungen selbst zusammenstellen. Wir haben aber bei den Lehrgängen immer wieder festgestellt, dass die Vorbereitung daheim oft nicht ganz so gelaufen ist, wie wir uns das vorgestellt haben. Das Arbeitsbuch soll nun dabei helfen, das ganze auf einen Nenner zu bringen. Theoretisch können sich die Jugendlichen damit auch komplett selbstständig vorbereiten.
SINGEN: Wäre es denn eine Möglichkeit, sich bei der Theorie-Vorbereitung mit den Blasmusikverbänden zusammenzutun? Da sind die D-Lehrgänge ja viel etablierter…
AS: Schwierig. Ich hatte in meinen D-Lehrgängen natürlich auch immer mal wieder Sängerinnen und Sänger, die mit ihrem Blasinstrument bereits einen D-Lehrgang gemacht haben. Tatsächlich liegt das Niveau aber auch da etwas unter unserem. Ich hatte bei der Konzeption der Lehrgänge natürlich einen Blick auf die Blasmusik. So ganz kompatibel ist das aber nicht. Singen ist doch etwas ganz anderes als ein Instrument zu spielen. Wer ein Instrument spielt, kann in der Regel auch schon Noten lesen. Sängerinnen und Sänger aber nicht unbedingt. Und ich behaupte, dass es sehr viel schwieriger ist, etwas vom Blatt zu singen, als vom Blatt zu spielen. Wer vom Blatt singt, muss gehörbildungstechnisch ganz anders geschult sein.
Grundsätzlich gibt es aber auch bei uns die Überlegungen, gerade die D1-Ausbildung in Zukunft regionaler zu gestalten, also dass die Ausbildung nicht unbedingt über den SCV organisiert werden muss, sondern beispielsweise in den Regionalverbänden.
SINGEN: Wie werden die D-Lehrgänge denn momentan angenommen?
AS: Natürlich ist es unser Wunsch, dass die D-Lehrgänge im Chorwesen irgendwann genauso etabliert sind wie in der Blasmusik. Aber das ist offensichtlich ein dickes Brett, das wir da bohren müssen. Für meinen Geschmack werden die Ausbildungen momentan noch deutlich zu wenig wahrgenommen. Das dürfte deutlich mehr sein. Ich hoffe natürlich, dass das Arbeitsbuch zusätzliche Anreize gibt, weil es die Vorbereitung – auch für die Lehrenden vor Ort – vereinfacht und die Chorleiter damit weniger Aufwand haben.
SINGEN: Können Sie sich erklären, was darüber hinaus die Gründe sein könnten?
AS: Zum einen sicherlich die sehr geringe Dichte von Jugendchören – gerade im Vergleich zu Jugendorchestern. Und zum anderen ist es wahrscheinlich eine Frage der Gewohnheit. Die gibt es bei den Chören einfach noch nicht. Was ich immer wieder versuche zu vermitteln: Wenn ich in meinem
Jugendchor D-Absolventen habe, steigt automatisch die Qualität des Chores. Ich habe selbst einen Jugendchor und schicke meine Jugendlichen natürlich zu den Lehrgängen – und merke dementsprechend, was für ein Gewinn das ist. Sie können vom Blatt singen, sie können etwas mit dem Notentext anfangen… da kann man ganz anders proben. Und die Qualität des Chores ist letztendlich wieder wichtig dabei, wenn es darum geht, die Jugendlichen zu halten und an den Chor zu binden. Aber dies anderen Chorleitern zu vermitteln, ist wohl gar nicht so einfach. Und letztendlich sind Chorleiter hier die Multiplikatoren. Jugendliche selbst kommen wahrscheinlich nicht unbedingt auf die Idee.
SINGEN: Was würden Sie sich denn wünschen, welche Entwicklung mit Erscheinen des Arbeitsbuchs losgetreten wird?
AS: Zum einen, dass neue Jugendliche motiviert werden, eine D-Ausbildung zu absolvieren. Und zum anderen, dass sich mehrere Chorleiter bereit erklären, die Vorbereitung mit dem Arbeitsbuch zu über-
nehmen, weil der Aufwand damit überschaubar bleibt. Für die Arbeit im Kurs wünsche ich mir ein ähnliches Niveau bei allen Teilnehmern, aber das sollte mit einem von uns selbst geschriebenen Arbeitsbuch mit explizit auf unseren Kurs zugeschnittenen Inhalten eigentlich gewährleistet sein. Und das macht die Arbeit für uns wiederum einen Tick leichter.