Die Erinnerung an den „Meister des Volkslieds“ wurde nicht nur musikalisch gepflegt
Dem Tübinger Komponisten huldigt man seit seinem Tod 1860 auf vielfältige Weise, und das auch außerhalb der Konzertsäle. Bereits ein Jahrzehnt nach dem Tod Silchers begannen dessen frühere Studenten und Kollegen in Tübingen, die Errichtung eines Denkmals zu planen. 1874 wurde das (leider verlorene) Monument dann enthüllt. Es war ein Obelisk mit einem Reliefbildnis und einem Gedicht von der Ottilie Wildermuth (1817-77).
Das zweite Denkmal, eine ebenfalls mit einem Porträtmedaillon geschmückte Steintafel, wurde 1882 an Silchers Geburtshaus in Schnait eingeweiht. Das dritte Objekt dieser „plastischen“ Silcher-Verehrung war schließlich eine 1885 für die Stuttgarter Liederhalle geschaffene Portraitbüste. Sie wurde später als Gipsfigur vervielfältigt und den Gesangvereinen zum Erwerb für ihre Vereinsheime angeboten.
Auf Tassen, Ringen, Anstecknadeln – und im Vereinsnamen
Darüber hinaus sind ab 1900 weitere Darstellungen des Komponisten für unterschiedlichste Zwecke hergestellt worden: als Reliefs zum Gebrauch als Wandschmuck, als Gedenkmedaillen zur Dekoration für Vereinsfahnen, als Plaketten für besondere Auszeichnungen (z.B. die Silcher-Nagel-Medaille), als Sammelmünzen und so weiter. Wir finden den Musiker zudem auf Kaffeetassen, auf Fingerringen und Anstecknadeln, ja, sogar auf Spielkarten der „Ravensburger Musikquartette“ (um 1900) und in neuester Zeit auch auf den Regionalgeldscheinen des hiesigen „Remstalers“. Und natürlich auch auf einer offiziellen Briefmarke, die zum 200. Geburtstag des Komponisten 1989 herausgegeben wurde.
Aber nicht nur mit Bildwerken, auch mit dem Aufnehmen und Vergeben seines Namens hat man an den Komponisten erinnert. Gesangvereine namens „Silcher-Chor“ und „Silcherverein“ findet man schon in der Kaiserzeit über das ganze Land verstreut, von Karlsruhe bis Hannover, von Straßburg bis nach Halle an der Saale. Etliche haben die Zeit bis heute überdauert, andere sind neu dazugekommen.
Den Namen Silchers tragen hier in Württemberg auch mehr als ein Dutzend Schulen, daneben noch zahlreiche Straßen und Säle (z.B. der Silcher-Saal der Stuttgarter Liederhalle in direkter Nachbarschaft zur Silcher-Straße). Das jüngste bauliche Großprojekt dieser Art ist das 2010 eröffnete „Silcherkarree“ in Heilbronn.Nebenbei wären dann noch diverse Baumdenkmale wie die „Silcher-Linde“ bei Wendlingen und die „Silcher-Eiche“ bei Stuttgart-Rohr zu erwähnen. Und im Remstal natürlich die „Silcher-Rebe“. Sie wurde 1951 in Weinsberg gezüchtet.
Sogar ein Himmelskörper mit Silchers Namen
Auch im Osten Deutschlands wurden Silchers Lieder und sein Andenken noch nach dem Zweiten Weltkrieg und der deutschen Teilung gepflegt. Wir finden ihn nicht nur im Liedrepertoire, sondern auch unter den Chornamen. So nannte sich ab 1950 der frühere Gesangverein im sächsischen Bernburg „Männerchor Friedrich-Silcher“; der „Frauenchor Friedrich-Silcher“ wurde 1955 dazugegründet. Noch eine andere Silcher-Geschichte dürfen wir mit der DDR verbinden: 1987 hat im thüringischen Tautenburg der Astronom und Musikliebhaber Freimut Börngen (1930-2021) im äußeren Asteroidengürtel einen neuen Himmelskörper entdeckt, den Asteroiden Nr. 10055; er hat auf Wunsch seines Entdeckers hin offiziell den Namen „Friedrich Silcher“ erhalten.
Ferner stammt aus der Feder eines DDR-Lyrikers ein modernes Gedicht auf den Komponisten bzw. auf dessen letzte Ruhestätte: „Silchers Grab“ lautet das Werk. Der in Ostberlin lebende Johannes Bobrowski (1917-65), ein Autor der „Gruppe 47“, hat es nach einem Besuch in Tübingen 1964 verfasst und liegt mit dem Dichternachlass heute im Literaturarchiv in Marbach.
Ein Schillerverehrer als Silcherverehrer
Mehrere Schriftsteller haben sich mit Silcher beschäftigt, z.B. mit Romanen, Lebensbildern und Theaterstücken. Gern widmeten sie ihm auch kleine Gelegenheitsgedichte. Neben dem eingangs erwähnten Gedicht von Ottilie Wildermuth schrieb auch Johann Georg Fischer (1816-97) einige Zeilen.
Der Autor ist vor allem für sein Engagement in Sachen Schiller-Nationalmuseum in Marbach bekannt.
Am 24. Februar 1879 verfasste er auf seinen einstigen Lehrer in Tübingen ein Lied mit dem Titel „Friedrich Silcher“:
Am Dorfweg unterm Lindenbaum,
Da hält er seinen schönsten Traum.
Da weht´s wie Sonnenmorgenglanz
Und wie Schalmei´n vom Schäfertanz.
Da singt und klingt Soldatenmut,
Der Bursche siegt und schwingt den Hut.
Es tönt ein Hall ins Abendrot
Von eines Mägdleins frühem Tod.
Und hüpft ein Paar zum Süßen Mai
Wie junges Rosenblut vorbei,
Dem fallen Lieder in den Schoß.
Die macht er nicht. Man singt sie bloß.