Auch ein:e Amateur:in kann einen Chor leiten: In diese Aufgabe kann man hineinwachsen –und professionelle Kenntnisse beim SCV erlangen.
Zahlreiche Chorvorstände können ein Lied davon singen: der Suche nach einer neuen Chorleitung. Manchmal ist das Glück zur Stelle und es regelt sich alles ganz unkompliziert. Doch in der Mehrzahl der Fälle stehen die Verantwortlichen vor der Kopfzerbrechen bereitenden Frage: Wo kriege ich jetzt eine:n neuen Dirigent:in her und wie stelle ich das am besten an?
Diese Überlegungen können dazu führen, dass auf einmal Menschen für die Tätigkeit in Frage kommen, die von sich aus vielleicht nie die Hand gehoben hätten: Amateure, die (noch) keine spezifische Chorleitungsausbildung abgeschlossen haben; denen das musiktheoretische und dirigentische Handwerkszeug bislang fehlt, die aber andere entscheidende Fähigkeiten mitbringen. Die fehlenden Kompetenzen und Methoden lassen sich aneignen – der SCV bietet dafür zahlreiche Möglichkeiten.
Das Zwischenmenschliche als ein wichtiger Faktor
Für die Leitung eines Amateurchores von enormer Bedeutung ist das Zwischenmenschliche: Stimmt die Chemie zwischen Chorleiter:in und Sänger:innen? Haben beide Seiten das Gefühl, einander zu vertrauen und sich mit derselben Leidenschaft zu engagieren? Es geht nicht nur um ein akkurates Schlagbild des 7/8-Taktes, sondern auch darum, dass der bzw. die Chorleitende die Sänger:innen begeistern und emotional mitnehmen kann; dass die Repertoireauswahl zum Chor passt und man gemeinsam an der eigenen Zukunft tüftelt. Dass die Chorprobe kein Termin im Kalender ist, der aus Gewohnheit wahrgenommen wird, sondern der Abend, auf den man sich eine ganze Woche lang freut. Und das, weil man nicht nur seinem Hobby nachgeht und gute Bekannte trifft, sondern weil man wahre Begeisterung für das gemeinsame Singen mitbringt, die durch den/die Chorleiter:in weiter verstärkt wird.
Aktives Ansprechen
Warum nicht also bei der Suche nach einer musikalischen Leitung auch an Personengruppen denken, die „Chorleiter:in“ nicht auf der Visitenkarte stehen haben? Das können Musikpädagog:innen und Musikmentor:innen sein, genauso wie Amateure, die jahrelange Chor(sing)erfahrung mitbringen; junge Menschen, die Lust haben, neue Ideen einzubringen. Engagierte Menschen, die neue Farbe ins Bild bringen und es damit bereichern ohne ihm seine Identität und Individualität zu nehmen.
Chorleitende berichten (siehe S. 8-12), dass sie oftmals nicht selbst aktiv nach einem Chor gesucht hätten, sondern persönlich angesprochen worden seien, ob sie nicht Lust hätten, diese Aufgabe zu übernehmen. Gerade, wenn die betreffenden Personen jung sind und in die Aufgabe hineinwachsen dürfen, ist das Potenzial groß, dass es „matcht“; dass sich also Chor und Leitung finden, obwohl sie sich nicht direkt gesucht haben.
Ausprobieren und kennenlernen
Herauszufinden, ob die vorgeschlagene Person für diese Aufgabe tatsächlich auch geeignet ist, geht nur darüber, Hemmungen abzubauen und loszulegen! Denn ob die Idee der Theorie auch in der Praxis klappt, lässt sich nur über das Ausprobieren herausfinden. Ohne das geht es im Übrigen auch mit professionellen/ausgebildeten Chorleiter:innen nicht: Im Regelfall wollen potenzielle Chorleitende den Klangkörper erst kennenlernen, bevor sie die Leitung fix übernehmen; eine oder mehrere Proben leiten, um herauszufinden, ob man zu einander passt. Das sollte auch im Interesse des Chores sein. Darum sind bei sogenannten Vordirigaten oder Übungsproben eine wohlwollende Atmosphäre und ein angenehmes Arbeitsklima unerlässlich. Sie sind das Rückgrat der gegenseitigen Rücksichtnahme und Wertschätzung.
Aus- und Fortbildung unerlässlich
Wenn die Basis dann passt, sollte nachjustiert werden. Manche Hürden lassen sich bei genauerer Betrachtung leicht überwinden. Wer zum Beispiel für eine Chorbegleitung nicht ausreichend versiert Klavier spielt, kann diesen Teil an eine andere Person übertragen. Und die Repertoireauswahl kann zu einer gemeinschaftlichen Aufgabe ernannt werden – Inspirationsquellen dazu sind unerschöpflich.
Der Kern des Chorleitens aber sollte gelernt werden, denn ein Ensemble lässt sich nicht im Vorbeigehen führen. Für diesen anspruchsvollen Teil gibt es beispielsweise seitens des SCVs verschiedene maßgeschneiderte Angebote zur Aus-, Fort- und Weiterbildung – für Neulinge und Fortgeschrittene (siehe S. 22/23). Wer dann bereits regelmäßig einen Chor leitet, kann die Lehrinhalte unmittelbar anwenden. Wie so oft gilt auch hier ganz besonders: learning by doing.
Für Verein(svorständ)e kann es also eine wunderbare Option sein, einen Neuling in das Amt des Chorleitenden einzuführen. Unverzichtbar ist dann aber eben auch, für die Ausbildung Geld in die Hand zu nehmen. Für junge Menschen wird die Chance, einen Chor zu leiten, unter Umständen besonders attraktiv, wenn der Verein die Ausbildung finanziell übernimmt. Dies sollte keineswegs als Budget-Belastung, sondern als Investition in die Zukunft wahrgenommen werden. So erhält der Nachwuchs das Rüstzeug, um langfristig und nachhaltig gute Chorarbeit und -entwicklung sowie Stimmbildung leisten zu können.
Aufgaben und Zuständigkeiten klar definieren
Die Rahmenbedingungen und der zwischenmenschliche Umgang sind also mitentscheidende Faktoren für eine erfolgreiche Chorleitungssuche, die auch miteinschließt, dass Kompetenzen und Zuständigkeiten klar definiert und voneinander abgegrenzt werden. Hat ein Verein eine starke Vorstandschaft und engagierte Mitglieder, die das Organisatorische übernehmen, kann sich der/die musikalische Leiter:in voll und ganz auf die Musik konzentrieren. Für viele Chorleitenden ein absoluter Pluspunkt.
Die Erfolgsformel für eine erfolgreiche Chorleitungssuche kann daher ganz natürlich sein: eine gute Kommunikation nach innen wie nach außen verbunden mit einer klaren eigenen Positionierung, garniert mit der Offenheit, unkonventionelle Wege zu gehen, Hemmungen abzubauen und in die Zukunft zu investieren. Dann genügt es manchmal schon, als Chor initiativ auf jemanden konkret zuzugehen anstatt darauf zu warten, dass sich Bewerbungen stapeln. Umhören! Irgendjemand kennt immer irgendjemanden, der jemanden kennt.
Kommentar
„Ihr müsst mehr öffnen! Wir brauchen eine einheitliche Vokalfarbe. Saubere Absprache, Leute: Das t auf die Pause, da klappert es noch! Soprani, Intonation! Tenöre etwas leiser! Bässe, aufwachen!“
Unzählige Chorproben haben sich in meinem Leben angesammelt. Sie können verdammt anstrengend sein, aber auch berührend und beseelend. Die Atmosphäre kann akribisch konzentriert sein und trotzdem allseits bereit für einen Witz im richtigen Moment. Der Geist des Zusammenhalts eines Chores, deren Mitglieder auch über die Musik hinaus miteinander verbunden sind, ist etwas ganz Wundervolles. Gerade in einem Chor, in dem Menschen aus den unterschiedlichsten beruflichen und gesellschaftlichen Ecken zusammenfinden, ist diese Heterogenität etwas sehr Bereicherndes. Nach der Probe gemeinsam ein Bier trinken, nach den Konzerten zusammen feiern: Ein Chor verbindet und schweißt zusammen. Das weiß ich aus eigener Erfahrung, die ich niemals missen möchte. Tiefe Freundschaften sind entstanden, aber auch berufliche Kontakte. Manches Mitglied trifft man außerhalb des Chores vielleicht nicht und trotzdem hat man eine gute Zeit zusammen. Mit dem gegenseitigen Respekt für alles, was der oder die andere kann, aber auch für das, was er oder sie nicht kann, kann Gewaltiges entstehen.
Darum: Nutzt die Chancen, die euch Chöre bieten – ob als Sänger:in oder Chorleiter:in! Seid experimentierfreudig und offen für Neues! Schenkt eurer Chorleitung Vertrauen und bringt Eigeninitiative mit! Seid bereit, in die Zukunft zu investieren, indem ihr beispielsweise jungen Menschen die Chorleitungs-Ausbildung finanziert! Und brennt für das Singen! Dann seid ihr unschlagbar.