Das gilt auch für auch andere Regelungen, beispielsweise die Haftungsbeschränkung in § 31a BGB oder entsprechende Regelungen in der Satzung. Ich habe darüber schon einmal, nämlich in der März-Ausgabe 2009 der Zeitschrift „SINGEN“ berichtet. Höchste Zeit, dass dieses wichtige Thema der Vorstandsarbeit wieder einmal – nach 14 Jahren – zur Sprache kommt.
Was ist eigentlich die Entlastung?
Im Gesetz ist sie nicht angesprochen, allenfalls in einer Vielzahl von Satzungen und in gerichtlichen Entscheidungen.
Die Entlastung ist eine Entscheidung der Mitgliederversammlung, mit der diese die Arbeit des Vorstandes bewertet und ihm attestiert, dass er seine Arbeit im Zeitraum des Rechenschaftsberichts, ordentlich, satzungs- und gesetzesgemäß gemacht hat – oder eben nicht. Dieses Attest wünscht und erwartet sich selbstverständlich jedes Vorstandsmitglied, welches seine Arbeit gut und sorgfältig gemacht hat. Die Entlastungsentscheidung bedeutet gleichzeitig, dass die Mitgliederversammlung auf Schadenersatzansprüche gegen das oder die Vorstandsmitglied(er) im Hinblick auf diese Billigung verzichtet.
Aber: Dieser Verzicht geht nur soweit, wie die Mitgliederversammlung auch über die Arbeit des Vorstandes informiert wurde – das Gleiche gilt insbesondere auch für den/die Kassier:in bzw. Schatzmeister:in. Nur im Umfang des Rechenschafts- und des Kassenberichts kann sich die Mitgliederversammlung über die Arbeit des Vorstands und seiner Mitglieder ein Bild über die Korrektheit und Qualität der Arbeit machen.
Offenheit und Transparenz
Vergisst der Vorstand im Rechenschaftsbericht einzelne – für die Entlastungsentscheidung bedeutsame – Berichtspunkte oder verschweigt er diese gar, so erfasst die Entlastungsentscheidung diese Umstände natürlich nicht. Eine Entlastung des Vorstandes oder einzelner Mitglieder scheidet selbstverständlich aus, wenn dieser oder diese verschwiegen haben, dass sie sich aus der Vereinskasse bereichert haben, dass sie Förderanträge für die Arbeit des Vorstandes zu stellen vergessen haben, oder dass sie eine falsche Steuererklärung abgegeben haben, die den Verlust der Gemeinnützigkeit bedeuteten oder ähnliches mehr. Es müssen also auch die Fehler, die ein Vorstand gemacht hat, im Rechenschaftsbericht auftauchen, am besten in großer Offenheit und Transparenz, damit die Mitgliederversammlung auch angesichts solcher Fehler sagen kann: ‚Wir wollen den Vorstand für diesen Fehler nicht in Anspruch nehmen.‘ Die Mitgliederversammlung ist nämlich nicht verpflichtet, einer versagten Entlastungsentscheidung auch die Geltendmachung von Ansprüchen gegen den fehlerhaft handelnden Vorstand folgen zu lassen.
In gemeinnützigkeitsrechtlicher Hinsicht kann das allerdings dazu führen, dass das Finanzamt zu prüfen hat, ob nicht die Gemeinnützigkeit entzogen wird, da der Verein durch Fehler des Vorstandes ja unter Umständen Schäden erleidet, die am Vereinsvermögen entstanden sind, welches dem Verein zur Erfüllung seiner satzungsgemäßen Zwecke anvertraut worden ist.
Was, wenn es keine Entlastung gibt?
Die Mitgliederversammlung kann den Vorstandsmitgliedern und dem Vorstand als Ganzes die Entlastung verweigern. Einen Anspruch auf Entlastung hat der Vorstand und haben seine Mitglieder nicht. In einzelnen Fällen kann die Entlastung erzwungen werden, wenn eine entsprechende Regelung in der Satzung niedergelegt ist. Das ist allerdings in den seltensten Fällen gegeben und ist auch nicht sinnvoll.
Denn: Der Vorstand muss sich andererseits eine unterbliebene Entlastungsentscheidung auch nicht „gefallen lassen“. Er kann den Verein auf Feststellung verklagen, dass Schadenersatzansprüche gegen ihn für das Rechenschaftsjahr nicht geltend gemacht werden können, weil er sich ordnungsgemäß verhalten hat. Es kommt nämlich immer wieder vor, dass die Entlastung nicht erteilt wird, gleichwohl keine Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden – jedenfalls zunächst; solche Ansprüche verjähren nach § 195 BGB in drei Jahren. Damit nicht für einen so langen Zeitraum das Damoklesschwert“ über dem Vorstand oder einzelnen Vorstandsmitgliedern hängt, kann ein Feststellungsinteresse des Vorstandes daran bestehen und als Grundlage für einen Prozess gegen den Verein dienen, dass das Gericht feststellt, dass solche Schadenersatzansprüche nicht geltend gemacht werden können.
Die Entlastungsentscheidung kann einzelne Vorstandsmitglieder betreffen – oder den gesamten Vorstand. Es können also einzelne Vorstandsmitglieder entlastet werden, andere nicht. In der Praxis ist dies hin und wieder im Zusammenhang mit dem „untreuen Kassenwart“ vorgekommen.
Verklagt das nicht entlastete Vorstandsmitglied den Verein auf Feststellung, dass keine Schadenersatzansprüche bestehen, kann er selbstverständlich den Verein als dann Beklagten „gegen sich selbst“ nicht vertreten. Das gilt für alle Vorstandsmitglieder, die nicht entlastet worden sind. Dies ergibt sich aus den §§ 34 und 181 BGB; der Vorstand hat in diesem Zusammenhang – soweit er nicht entlastet worden ist – kein Stimmrecht. Wenn alle Vorstandsmitglieder betroffen sind, kann die Bestellung eines Notvorstandes erforderlich sein.
Und ein Weiteres: In aller Regel sieht die Satzung vor, dass der Verein einen oder mehrere Kassenprüfer hat, welche die Kasse vor der Mitgliederversammlung prüfen und einen Bericht abgeben, in dem sie auch eine Empfehlung über die Entscheidung zur Entlastung abgeben.
Die Kassenprüfer
Bei der Wahl der Kassenprüfer:in dürfen die Vorstandsmitglieder grundsätzlich nicht mit abstimmen. Die Kassenprüfer sind Organ der Mitgliederversammlung und dürfen nur von dieser gewählt werden.
Andererseits sieht das Gesetz nicht vor, dass der Verein Kassenprüfer haben muss. Auf sie zu verzichten, kann aber keinesfalls empfohlen werden; die Kassenprüfer sind dazu da, die Arbeit des Vorstandes und seine finanziellen Aktivitäten zu prüfen und der Mitgliederversammlung einen Bericht vorzulegen, der Grundlage für die Entlastungsentscheidung ist. Sieht die Satzung die Wahl von Kassenprüfern nicht vor, ist es Aufgabe der Mitgliederversammlung selbst, sich über die Ordnungsgemäßheit der Arbeit des Vorstandes zu unterrichten, was vielen Vereinsmitgliedern nicht leicht fallen dürfte, weshalb es unbedingt zu empfehlen ist, in der Satzung Kassenprüfer zu verankern.
Nach der Diskussion in der Mitgliederversammlung entscheidet die Mitgliederversammlung über den Entlastungsantrag. Wer ihn stellt, ist gesetzlich nicht geregelt. In vielen Mitgliederversammlungen wird darum das älteste Vereinsmitglied oder der Bürgermeister gebeten.
Darf der Vorstand bei der Entlastung abstimmen?
Es ist selbstverständlich, dass der Vorstand bei der Entscheidung der Mitgliederversammlung über die Entlastung des Vorstandes nicht stimmberechtigt ist. Auch dies ergibt sich aus § 34 BGB. Es wird häufig beobachtet, dass Vorstände sich bei der Entscheidung über die Entlastung entweder der Stimme enthalten oder einfach mit abstimmen. Beides ist nicht zulässig und kann zur Nichtigkeit der Entlastungsentscheidung führen. Die Vorstandsmitglieder tun sich also keinen Gefallen, wenn sie an der Entlastungentscheidung mitwirken. Die Entlastung kann sich nicht nur auf einzelne Mitglieder beziehen, auf andere nicht; die Entlatungsentscheidung kann sich auch auf bestimmte Zeiten der Legislaturperiode des Vorstandes beziehen und beschränken, etwa deshalb, weil für einen bestimmten Zeitraum eine einwandfreie Klärung offener Fragen noch nicht möglich war. Dann kann die Entscheidung über die Entlastung in Bezug auf diesen Zeitraum bei der nächsten Mitgliederversammlung – oder bei einer außerordentlichen Mitgliederversammlung – nachgeholt werden.
In jedem Fall sollte der Vorstand auf einen sorgfältigen, vollständigen und transparenten Rechenschaftsbericht Wert legen und diesen unbedingt nach der Erstattung zusammen mit dem Kassenbericht als Anhang zum Protokoll nehmen, damit später bewiesen werden kann, worüber der Kassenbericht und der Rechenschaftsbericht Zeugnis abgelegt haben. Werden die Ausführungen zum Rechenschafts- oder Kassenbericht durch Fragen in der Mitgliederversammlung ergänzt, ist unbedingt darauf zu achten, dass der Protokollführer diese Ergänzungen in das Protokoll der Mitgliederversammlung aufnimmt, sodass später kein Streit darüber entsteht, welche Tatsachen und Vorgänge der Vorstand der Mitgliederversammlung berichtet hat.
Entlastungsverweigerungen
„Liegt das Kind im Brunnen“ und wurde dem Vorstand oder einzelnen Vorständen die Entlastung verweigert, kann diese in einer weiteren (ordentlichen oder außerordentlichen) Mitgliederversammlung nachgeholt werden, wenn beispielsweise der betroffene Vorstand seinen Bericht nachgebessert oder nachvollziehbare Erläuterungen für den ursprünglichen Rechenschaftsbericht gegeben hat. Bis zu dieser „zweiten Entscheidung“ bleibt es allerdings bei der ersten und dem fortdauernden Risiko der Inanspruchnahme des betreffenden Vorstandsmitglieds durch den Verein.
Nichtentlastungsentscheidungen sind selten. Das nicht zuletzt aber auch deshalb, weil die Vorstände bei den Rechenschafts- und Kassenberichten in aller Regel große Sorgfalt und Transparenz walten lassen. Nicht verschwiegen werden sollte allerdings auch, dass mancher Rechenschaftsbericht nur „mit Glück“ die Entlastungsentscheidung passiert hat.
Ein letztes Wort zum Verhältnis von Rechenschaftsbericht und Haftungserleichterung nach § 31a BGB: Fehler im Rechenschaftsbericht, deren Zustandekommen auf einfacher Fahrlässigkeit beruht (etwa vergessen), führen auch bei Nichtentlastung nicht zur Möglichkeit des Vereins, Schadenersatzansprüche geltend zu machen. Dies gilt nur, wenn der Fehler im Rechenschaftsbericht auf Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zurückzuführen ist.
Rechtsanwalt Christian Heieck
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