Ein Interview mit Samira Golderer über Digitalisierung, Herausforderungen und die Kunst der Festivalorganisation
Das Landes-Musik-Festival ist weit mehr als bürokratische Planung. Die Projektleiterin, Samira Golderer, koordiniert Termine, plant Programme und setzt auf Digitalisierung, um den Überblick über Ensembles und Helfer zu behalten. Schnelle Entscheidungen und die Herausforderung, unterschiedlichste Gruppen zu berücksichtigen, prägen ihre Arbeit. Geduld, Struktur und Kommunikationsfähigkeit sind entscheidend. Für 2024 wünscht sie sich, das Motto „Natürlich Musik“ mit Verknüpfung von Natur, Musik und Nachhaltigkeit umzusetzen, um allen Teilnehmenden Freude zu bereiten.
SINGEN: Was ist ein Objekt oder ein Hilfsmittel, auf das du als Projektleiterin des Landes-Musik-Festivals nicht verzichten kannst?
Samira Golderer: Also grundsätzlich natürlich Laptop und Smartphone, um mit allen Engagierten auch vor Ort in Kontakt zu bleiben.
Also trifft das Klischee der herumwuselnden Festivalmanagerin auf dich zu?
Genau. Vor allem am Festival-Tag selbst liegt der Schwerpunkt auf Koordination und Kommunikation.
Die Arbeit für dich als Projektleiterin ist nur zu kleinen Teilen Büroarbeit?
Nein, im Gegenteil. Die Hauptarbeit reicht von der Koordination der Terminabsprache über das Inhaltliche, wie zum Beispiel das Motto, bis zur Programmplanung. Allerdings war ich auch bereits in Wangen im Allgäu und Singen, den ausrichtenden Städten 2024 und 2025, zu Besuch. Der Planungszyklus startet durchaus anderthalb Jahre vorher mit einer ersten Begehung der Örtlichkeiten und der möglichen Bühnen. Ganz konkret wird es ein halbes Jahr vor der Veranstaltung, wobei sich auch die Zusammenarbeit mit der ausrichtenden Stadt intensiviert.
Das klingt jetzt natürlich nach einem riesen Berg an Aufgaben. Wo fängst du da an?
Manche Aufgaben und Abläufe wiederholen sich, manche Prozesse sind relativ klar, wie zum Beispiel, wann die Anmeldung für Ensembles und jene für die Helferinnen und Helfer beginnt. Da man in jeder Stadt aber eine unterschiedliche Infrastruktur vorfindet, muss individuell angepasst werden.
Gibt es einen Punkt, an dem die Projektleitung anfängt? Dinge, die geklärt werden müssen, damit du weiterarbeiten kannst?
Als allererstes braucht man eine grobe Struktur, einen Plan, wann was passiert sein muss, damit das Projekt gelingen kann. Das geht mit der Anmeldung der Chöre, Orchester und Ensembles im Oktober los und weiter bei den Programm- und Kommunikationsplänen, also wann müssen zum Beispiel Plakate in den Druck; wo werden die Plakate verteilt?
Die Verantwortung, dass alles zur rechten Zeit und rechtzeitig geschieht, liegt in deiner Hand. Wie schaffst du es, den Überblick zu behalten und worauf musst du besonders achten?
Hauptsächlich mit Hilfe von verschiedenen Planungstools. Ich muss einfach schauen, dass alles rechtzeitig angestoßen wird. Es sind Orchester mit sechzig Mitwirkenden, aber auch kleinere Gruppen wie Kammermusik-Ensembles und Chöre da, die alle unterschiedliche Interessen und Bedürfnisse haben. Die Herausforderung: Sie alle zu kennen und auf sie einzugehen. Durch die Digitalisierung spart man schon extrem viel Zeit. Wir starten in diesem Jahr erstmalig mit einer rein digitalen Anmeldung, da die Geschäftsstelle so klein ist und nicht alles händisch eingetragen werden kann. Eine große Aufgabe ist dabei das Thema Teilhabe, dass durch die digitale Anmeldung dennoch alle mitmachen können. Daher gibt es Infoveranstaltungen oder auch telefonische Sprechzeiten, wo dann auch Rückfragen zur Anmeldung gestellt werden können, was Vereine unterstützen kann..
Wie groß ist die Gruppe an Menschen, die dieses Festival organisiert, also sprich, deren Kopf du bist?
Der Landesmusikverband veranstaltet das Festival mit einem jährlich wechselnden Kooperationspartner. In diesem Jahr ist das der Deutsche Harmonikaverband bzw. der Landesverband des DHV. Und in der Geschäftsstelle sind wir zu zweit, aber auch die Kulturämter, unsere Mitgliedsverbände im Landesmusikverband waren in den letzten Jahren mit an Bord und wir hatten Unterstützung aus örtlichen Musikschulen. Im Kernteam sind das in Summe meist nicht mehr als fünf Leute aus dem Hauptamt. Doch insbesondere am Festivaltag haben wir auch von ehrenamtlich Engagierten Unterstützung. Hier suchen wir aktuell auch Ehrenamtliche, die Lust haben, beim Landes-Musik-Festival 2024 in Wangen im Allgäu mitzumachen.
Welche Aspekte der Projektleitung sind elementar, werden aber von Personen, die wenig Kenntnis von einer solchen organisatorischen Tätigkeit haben, gern mal vergessen?
Vielleicht tatsächlich die Vielzahl an unterschiedlichen Entscheidungen, die man auch in kürzester Zeit treffen muss. Manchmal wird vielleicht unterschätzt, dass es bei manchen – zuweilen marginal erscheinenden – Entscheidungen einfach auf die Geschwindigkeit ankommt und man etwas einfach mal festlegen muss.
Zum Beispiel?
Bei Druckzeiten des Programmhefts. Man kann natürlich über das Design immer wieder streiten und es nochmal zurückstellen, falls ein Ensemble den Namen falsch eingetippt hat, um es zu optimieren. Aber ab einem bestimmten Punkt muss man dann einfach die Entscheidung treffen und sagen ‚Okay, wir gehen jetzt in Druck, weil es ansonsten nicht mehr rechtzeitig fertig wird‘. Was vielleicht auch vergessen oder von vielen nicht so beachtet wird, ist, dass es bei einer so kleinen Geschäftsstelle inhaltlich sehr schwierig ist, wirklich an alle Ensembles gleichzeitig zu denken. Ich hatte einmal ein Telefonat mit einem Ensemble. Die wollten gar nicht glauben, dass nur zwei Personen Bescheid wissen, wer sich im Einzelfall angemeldet hat oder Änderungswünsche annimmt.
Was, würdest du sagen, kann eine Projektleitung erschweren und was kann sie aber auch vereinfachen?
Sicherlich die Form der Kommunikation und des Vertrauensverhältnisses zu den Partnern. Auf der anderen Seite spielen die Örtlichkeiten eine große Rolle, etwa die Akustik oder die Frage ‚Was mache ich, wenn es regnet?‘ Im Bereich der Logistik ist meine Rolle als Projektleitung eher die des Erinnerns. Letztes Jahr sind zum Beispiel fast 40 Reisebusse in Bruchsal angekommen. Wo packen wir die hin? Es ist vielleicht am Ende nicht meine Aufgabe, Busparkplätze zu suchen, aber ich muss es im Blick haben und an entsprechenden Stellen erinnern.
Kannst du weitere Beispiele nennen?
Ein wichtiges Thema ist natürlich, für die Helferinnen und Helfer des Festivals zu sorgen; dass wir dort eine gute Infrastruktur schaffen. Letztes Jahr war es sehr heiß, da müssen wir schauen, dass genügend Wasser zur Verfügung steht. Oder auch die Beschattung ist sehr wichtig. Insbesondere das Stichwort Klimaerwärmung spielt eine Rolle, denn Innenstädte werden immer heißer. In diesem Jahr haben wir das Glück, dass in Wangen im Allgäu die Brunnen in der Innenstadt als Trinkwasserbrunnen betrieben werden. Das Thema Wasserversorgung ist also bereits gesichert.
Gibt es Aspekte, die im Worstcase das Festival ins Wanken oder gar zum Einsturz bringen können?
Grundsätzlich baut natürlich auch das Landes-Musik-Festival auf das Engagement von Ehrenamtlichen, die zum Beispiel bei der Bühnenbetreuung darauf schauen, dass Auftrittszeiten eingehalten werden und dass alle zur rechten Zeit am rechten Ort sind. Es waren in den vergangenen Jahren immer wieder Spannungsmomente, wenn mal eine Gruppe nicht rechtzeitig auf der Bühne war.
Was ist das verrückteste Bedürfnis, das du mal erfüllen musstest?
lacht Ich find es schon immer wieder verrückt, wenn mich Mails erreichen mit der Frage nach Restaurantempfehlungen – und das einen Tag vor dem Festival.
Was würdest du sagen, sind die wichtigsten Eigenschaften, die du als Festival-Managerin brauchst, damit du deine Aufgabe souverän und erfolgreich lösen kannst?
Geduld. Die braucht man in jedem Fall. Das bringt die Arbeit bei einem überwiegend ehrenamtlich getragenen Festival mit sich. Und natürlich Struktur, aber auch eine Art von Kommunikationsfähigkeit, um allen Bedürfnissen und Aufgaben, die ein Festival mit sich bringt, gerecht zu werden.
Was ist aus Leitungssicht dein Wunsch an das Landes-Musik-Festival 2024?
2024 steht unter dem Motto ‚Natürlich Musik‘ und ganz nach diesem Gedanken sollen Natur und Musik miteinander verknüpft werden. Natürlich soll auch eine Verbindung zur Landesgartenschau geschaffen werden und die Nachhaltigkeit im Vordergrund des Programms stehen. Da haben wir verschiedene Rahmenprogrammpunkte geplant, die auch ein Herzensanliegen von mir sind, sei es von Recycling und Upcycling bis hin zu Anknüpfungspunkten oder Verbindungen, die dann zur Musik geschaffen werden. Und die natürlich den Musikerinnen und Musikern sowie Gästen des Festivals Freude bescheren sollen. Das wäre schön.
Liebe Samira, vielen Dank für diese Einblicke in deine Arbeit!
Das Interview führte Sandra Bildmann.