Insbesondere: Die steuerliche Haftung des Vereinsvorstandes
Das Thema Steuerhaftung ist als einziger, maßgeblicher Haftungsbereich für die persönliche Inanspruchnahme von Vorständen hervorzuheben. Da das Thema sehr umfangreich ist, wird es nicht nur in dieser Ausgabe der Kolumne „kurz & bündig“ aufgegriffen, sondern in den folgenden beiden Ausgaben fortgesetzt.
I.
Seit dem Ende der Pandemie kommt das Vereinsleben in den Vereinen des Schwäbischen Chorverbandes wieder in Bewegung. Zögerlich manchmal, aber deutlich feststellbar. Den Aufschwung bremsen vor allem zwei Umstände: Sänger:innenschwund und Vorstandsschwund. Während der Pandemie sind den Vereinen Mitglieder sowie Sängerinnen und Sänger abhandengekommen. Vor allem ältere Vereinsmitglieder haben hin und wieder den Anschluss an Chor und Verein verloren oder aufgegeben. Es stellt sich teilweise als schwierig, jedenfalls mühselig dar, sie wieder zurückzugewinnen.
Bei Chorsänger:innen beeinträchtigt der „Sängerschwund“ zusätzlich die Singfähigkeit mancher Chöre, vor allem dadurch, dass einzelne Stimmen nicht mehr ausreichend besetzt werden können. Es ist allgemein bekannt, dass die ältere Stimme an Flexibilität und Spannkraft nachlässt, jedenfalls der besonderen Pflege und stetigen Übung bedarf. Dies war während der Pandemie über längere Zeiträume nicht möglich; dort, wo mit alternativen Probenformen gearbeitet wurde, insbesondere durch Videoproben, konnten viele ältere Chormitglieder nicht dabei sein, weil sie nicht über die notwendigen technischen Voraussetzungen verfügten.
Neugründungen statt Rückkehr
Andererseits ist in der Zwischenzeit festzustellen, dass jüngere Sängerinnen und Sänger verstärkt zum Singen und zu den Chören (zurück-)kommen. Oft geschieht dies allerdings auch dadurch, dass sie neue Chöre und Ensembles gründen, statt bestehende Chöre zu verstärken. Mit diesem Thema haben wir uns in der Vergangenheit wiederholt beschäftigt.
Bei vielen Beratungsgesprächen im Rahmen der kostenlosen Erstberatung des Schwäbischen Chorverbandes hat sich in den vergangenen Monaten allerdings herausgestellt, dass die Existenz mancher Vereine an etwas anderem hängt: Nach „Wiederanfahren“ des Vereinslebens finden sich nicht selten keine Vereinsmitglieder mehr, die bereit sind, Vorstandsverantwortung im Verein zu übernehmen.
Eine eindeutige, nachvollziehbare Erklärung hierfür gibt es nicht, auch keine Erhebungen oder Untersuchungen. Vorstandsmitglieder, die lang im Dienst ihres Vereins standen, stellen sich nicht zur Wiederwahl und es gelingt ihnen und dem Verein im Übrigen nicht, neue Vorstandskandidat:innen zu gewinnen.
Gründe hierfür gibt es sicherlich mehrere; das Vereinsleben und die Vereinsstruktur sind durch Corona teilweise gehörig durcheinandergebracht worden, teilweise „aus den Fugen geraten“. Mangels ausreichender Kommunikationsmöglichkeiten der Mitglieder untereinander – und auch im Vorstand – während der Corona-Zeit, haben sich unterschiedliche Auffassungen über die Vorstandsarbeit entwickelt, die nicht in ausreichendem Maße untereinander ausgetauscht und diskutiert werden konnten. Deshalb ist auch eine Zunahme von Auseinandersetzungen innerhalb der Vereine und ihrer Vorstände zu beobachten.
II.
Ein wichtiger Grund für die Probleme bei der Nachwuchsgewinnung für den Vorstand scheint nach wie vor und trotz aller Bemühungen das Thema „Haftung“ zu sein. Das Thema ist nach wie vor „angstbesetzt“, wobei diese Angst sich nach meiner Beobachtung vor allem auf zwei Gesichtspunkte konzentriert: zum einen die nach wie vor in zu starkem Maße vorhandene Bürokratie, wie sie von Politik und Verwaltung einerseits, innerhalb des Vereins aber auch andererseits besteht und das Vorstandsleben schwerer macht. Oft auch nur „gefühlt schwerer macht“. Denken Sie an die unzähligen Veröffentlichungen und Verlautbarungen zum Thema „Kindeswohlgefährdung“ oder „Datenschutz“.
Man darf nicht vergessen, dass die Bürokratie im Verein – und die Angst davor – eine ganze „Veröffentlichungsindustrie“ in Gang gesetzt hat. Werfen Sie einen Blick ins Internet, falls Sie es noch nicht getan haben: Sie werden finden, was ich meine. „Das Geschäft mit der Angst“ ist außerordentlich einträglich. Angebote von Veröffentlichungen, Zeitschriften, Seminaren – sie werden in großer Zahl beworben und mit der Behauptung verbunden, dass ohne die Wahrnehmung solcher Angebote die Gefahr groß ist, ins Räderwerk der Bürokratie und der Haftung zu geraten. Hinzu kommt eine in der Medienlandschaft unübersehbar gewordene Zunahme von „Angstmacherei“ durch die Entfaltung von Zeitdruck („Das Info-Paket steht Ihnen nur noch bis heute Abend zur Verfügung“ o.ä.). Sie alle kennen inzwischen diese unappetitliche Methode, die nichts anderes als den Effekt auslösen will, aus Angst vor den ausgemalten Folgen von diesen Angeboten schnell Gebrauch zu machen.
Vermeintlich schreckliche „Haftungsszenarien“
Häufig befassen sich diese Veröffentlichungen mit dem Thema „Haftung“ und malen schreckliche „Haftungsszenarien“ an die Wand, die zur Folge haben sollen, diese Angebote anzunehmen in der Hoffnung, dass dadurch die Angst vor Haftungsinanspruchnahme besänftigt werden kann.
Meist stellt sich später heraus, dass die angebotene, angeblich höchst wirksame Hilfe eine solche gar nicht war oder ist und die Gefahren, vor denen gewarnt wurde, nicht bestehen oder beseitigt werden können. Sei es, weil die „Druckwerbung“ viel mehr verspricht, als sie halten kann, zum anderen, weil Probleme dargestellt werden, die in der Praxis der Vorstandsarbeit gar keine sind. Hierzu sind zahlreiche Beispiele vorhanden.
Zum anderen arbeiten diese Veröffentlichungen teilweise mit angeblichen Praxisbeispielen, die gar keine sind, und die Haftungsfälle konstruieren, die in der Praxis nie vorkommen. Man muss dazu wissen und daran erinnern, dass die Haftung von Vorstandsmitgliedern in der Spruchpraxis der Gerichte eine verschwindend geringe Rolle spielt und sich Haftungsfälle – wenn überhaupt – in Urteilen und Beschlüssen nur finden lassen, wenn wirklich eklatante Fälle krassen Fehlverhaltens oder absichtsvollen Handelns abgeurteilt werden, deren Richtigkeit jeder und jedem auf den ersten Blick einsichtig ist, beispielsweise die Veruntreuung von Geld aus der Vereinskasse oder ähnliche, nur vorsätzlich oder in grober Fahrlässigkeit begehbare Sachverhalte.
Haftung nur bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit
Ich habe wiederholt darüber berichtet, dass inzwischen die Haftungsrisiken der Vereinsvorstände in allen Bereichen durch gesetzliche Maßnahmen, aber auch durch gerichtliche Entscheidungen auf ein absolutes Minimum reduziert worden sind. Zivilrechtich haftet ein Vereinsvorstand nur, soweit ihm Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zur Last gelegt werden können. Das ist in weit über 80 Prozent der Fälle, in denen einem Verein (Innenhaftung) oder einem Dritten (Außenhaftung) ein Schaden zugefügt wird, nicht der Fall; hier liegt ganz überwiegend die Schuldform der einfachen Fahrlässigkeit vor, die die Haftung (ausschließlich) beim Verein belässt (§ 31 BGB) und den Vorstand hinsichtlich einer persönlichen Haftung vollständig entlastet – einschließlich eines Freistellungsanspruches gegen den eigenen Verein.
Es ging mir darum, dies im Rahmen dieser Kolumne „vor die Klammer zu ziehen“.
Fortsetzung dieses Themas in den SINGEN-Ausgaben 06/24 und 07_08/24.
Rechtsanwalt Christian Heieck
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Dieser Beitrag gibt die Auffassung, Kenntnisse und Erfahrungen des Autors aus vielen Jahren Vereinsrechtpraxis wieder. Wir bitten dennoch um Verständnis, wenn im Hinblick auf die Vielfalt der individuellen Fallgestaltungen, die im Vereinsrecht vorkommen, eine Haftung für die gegebenen Aus-
künfte im Hinblick auf konkrete Einzel-
fälle nicht übernommen werden kann.