Einer der größten und traditionsreichsten Konzertmusikvereine Deutschlands feiert Jubiläum
Der Stuttgarter Liederkranz ist nicht nur ein Chor. Mehrere Chöre und ein Sinfonieorchester darf der Verein sein Eigen nennen. 2024 feiert der Verein seinen 200-jährigen Geburtstag. In zwei Jahrhunderten ist viel passiert: eine Rückschau.
Zu den vereinseigenen Ensembles zählen heute der „KonzertChor Stuttgart“ unter der Leitung von Sebastian Kunz. Hier werden anspruchsvolle weltliche und geistliche Werke der klassischen Chorliteratur für große gemischte Besetzungen einstudiert. Im Sinfonieorchester, das seit den Anfängen besteht, erarbeiten Amateure und Profis gemeinsam jährlich zwei bis drei Konzertprogramme. Hinzu kommt der Kammerchor „stuttgart vokal“, der 2017 von Andreas Großberger gegründet wurde. Außerdem gibt es das Ensemble „SLKplus“, bei dem die Freude am lockeren gemeinsamen Singen „von Madrigal bis Musical“, wie der Liederkranz es nennt, im Vordergrund steht.
Vorgeschichte bis Friedrich Schiller
Zwar wurde der Liederkranz 1824 gegründet, die Vorgeschichte reicht aber noch weiter, bis hin zu Fridrich Schiller, der zusammen mit dem Komponisten Johann Rudolph Zumsteeg bereits 1780 eine Vereinigung gründete, die sich regelmäßig zum Rezitieren sowie zum vokalen und instrumentalen Musizieren traf. Noch im gleichen Monat schlossen sich diesem Zirkel junge Damen der ebenfalls herzoglichen „École des Demoiselles“ und Töchter aus Familien des Bildungsbürgertums, sogenannte „Stadtmädchen“, an. Am 9. Mai 1824 gründeten schließlich 80 Personen den „Lieder-Kranz“. Er war Initiator und Vordenker in dem sich mächtig entwickelnden Laienchorwesen, was sich deutlich in den vielfältigen Kontakten des Vereins zu führenden Persönlichkeiten des Musikschaffens, der Literatur, des öffentlichen und politischen Lebens sowie zu namhaften Dirigenten, Sängern und Schauspielern des Hoftheaters niederschlug. Darunter finden sich Größen wie Carl Maria von Weber, Konradin Kreutzer, Ludwig Uhland, Gustav Schwab und Wilhelm Hauff sowie Eduard Mörike und Justinus Kerner.
Mit Engagement und Vorbildcharakter
Revolutionär für diese Zeit war der „Frauenzimmerchor“, ein Frauenchor. Die ersten Leiterinnen des Frauenchors waren Julie Schubart, die Tochter des Dichters Schubart, und Emilie Zumsteeg, die Tochter des Komponisten. Auch ein Orchester entstand in dieser Zeit, das bis heute besteht und 40 Laienmusiker:innen umfasst. Zudem war der Stuttgarter Liederkranz Initiator für die heutige Stuttgarter Liederhalle und an der Gründung sowohl des Schwäbischen Sängerbundes (1849) als auch des Deutschen Sängerbundes (1862) maßgeblich beteiligt. Aufgrund seiner wichtigen Bedeutung im schwäbischen Raum und seiner langjährigen Aktivität, wurden dem Stuttgarter Liederkranz in seiner Geschichte bereits zahlreiche Auszeichnungen zuteil. Dazu zählen die Große Medaille für Kunst und Wissenschaft, die Pro-Musica-Plakette für das Orchester sowie die Conradin-Kreutzer-Tafel.
Der Oratorienchor im Wandel
Der frühere Leiter Prof. Walther Schneider, ein ehemaliger Musikdirektor des Schwäbischen Chorverbandes, machte den Verein schließlich zum Oratorienchor. Der Stuttgarter Liederkranz erlebte im Laufe der letzten 25 Jahre eine bemerkenswerte musikalische Reise voller Höhepunkte und bedeutender Aufführungen, wie 1999 Max Bruchs „Lied von der Glocke“, 2006 Verdis Requiem, 2014 Haydns „Jahreszeiten“ oder 2021 das Requiem von Brahms. Unter Chorleiter Ulrich Walddörfer wurden nicht nur große Oratorienwerke sondern auch große Reisen in Angriff genommen, zum Beispiel in die Toskana, nach Budapest, Krakau, Rom, Gotha, Erfurt, Wien, Limburg und Dresden.
Zwischen 2011 und 2015 betrat der Stuttgarter Liederkranz mit seinem Pop-Ensemble und einem Kinderchor neues Terrain. Nach dem Abschiedskonzert für den bisherigen künstlerischen Leiter Ulrich Walddörfer übernahm 2018 Andreas Großberger das Dirigat. Das Zukunftsmodell sah mehrere Chöre mit unterschiedlichem Repertoire und auf verschiedenen Niveaustufen unter der Leitung von Großberger und Walddörfer vor. Der so gegründete „KonzertChor Stuttgart“ hat den Anspruch, der Konzertchor von Amateuren in Stuttgart zu sein, „stuttgartvokal“ wurde als Kammerchor etabliert. „SLKplus wurde geschaffen, um nicht mehr nur Oratorienwerke aufzuführen, sondern auch andere Literatur. Als 2023 Andreas Großberger ausschied, übernahm Sebastian Kunz als neuer musikalischer Leiter.
Begeisterung für schöne Chormusik
Für den Stuttgarter Liederkranz war laut Walddörfer immer wichtig, bekannte und unbekannte Werke abzuwechseln und dabei auch verschiedene Genres zu bedienen: Sowohl konzertante Aufführungen musikdramatischer Werke als auch chorsinfonische sowie klassische Oratorienwerke zählen zum Repertoire.
Die Mitglieder sind von ihrem Verein und der musikalischen Arbeit hellauf begeistert. Warum der Stuttgarter Liederkranz so gute Arbeit macht? „Weil ich bisher in keinem anderen Chor so gute, anspruchsvolle Arbeit, gepaart mit so viel Freude und Begeisterung für schöne Chormusik gefunden habe“, so die Chorsängerin Patricia Schleicher. Natürlich hat auch der Stuttgarter Liederkranz mit Herausforderungen zu kämpfen, die viele Chöre kennen. Demografische Veränderungen, Verhaltens- und Wertewandel sowie Stadtflucht wirken sich auf die Mitgliederstruktur aus. Von den 700 Mitgliedern des Vereins kommt nur noch jedes dritte Mitglied aus der Kernstadt Stuttgart. Allerdings sorge die musikalische Arbeit stets für Motivation zwischen Profis und Laien, wie die Orchesterfamilie Pohl es nennt und führe zu einer „schönen Gemeinschaft, in der mit viel Elan, Können und Freude musiziert wird, so der Hornist Hartmut Metzger.“
Im Rahmen des diesjährigen Jubiläums veranstaltet der Verein zahlreiche Konzerte, darunter am 14. Juli in der Leonhardskirche Stuttgart, am 20. Juli im Schubertsaal der Liederhalle sowie am 17. November im dortigen Beethovensaal.
Die Festbroschüre zum 200. Jubiläum ist in der Geschäftsstelle des Stuttgarter Liederkranzes für 10 € zzgl. Versandgebühren erhältlich (Tel. 0711-2991786 / E-Mail: info@stuttgarter-liederkranz.de).