Sie ist ein Thema, um das sich gern gedrückt wird: die Vergütung der Chorleitung. Bewerber:innen wollen einen guten ersten Eindruck vielleicht nicht damit trüben, dass sie zu rasch nach dem Geld fragen. Und Vereine wollen geeignete Kandidat:innen vielleicht nicht vorschnell verprellen, obwohl von Anfang an klar ist, wo die Schmerzgrenze liegt. Es ist eine Gratwanderung.
Dennoch sollte stets und frühzeitig respektvoll in gegenseitiger Wertschätzung offen über das Thema gesprochen werden. Dass das nicht selbstverständlich ist, zeigt die repräsentative Umfrage, die die Redaktion der SINGEN anlässlich dieses Beitrags SCV-weit durchgeführt hat..
Dabei sollte niemand Bauchschmerzen haben müssen, denn als Verhandlungsgrundlage sind allgemein anerkannte Honorarempfehlungen bestens geeignet. Sie werden von führenden Institutionen der Branche herausgeben und von Zeit zu Zeit angepasst. Chorleitende, die sich daran orientieren, brauchen sich nicht zu sorgen, unangemessene Forderungen zu stellen, und Vereine, die sich im Vorfeld mit den Standards befassen, können bereits bei der Ausschreibung und dem Bewerber:innen-Casting miteinbeziehen, welche Professionalitäts-Stufe der neuen Chorleitung bezahlbar sein wird. Im persönlichen Gespräch können dann Bedürfnisse und Grenzen ausgetauscht werden, so dass eine für beide Seiten zufriedenstellende Lösung gefunden werden kann: Fairness im Rahmen den Möglichkeiten.
Eine Finanzvorständin berichtet
„Wir wussten, dass wir in Zukunft mehr werden bezahlen müssen“, sagt die Finanzvorständin eines Vereins, der zu Jahresbeginn auf Chorleitungssuche war. Die SINGEN hat mit ihr gesprochen, schützt aber ihre Offenheit durch Anonymität. Bislang hatte der Chor einen ehrenamtlichen Chorleiter, der die beiden unterschiedlichen Ensembles des Vereins gleichsam geleitet hatte. Bei der Suche nach seiner Nachfolge und dem Anspruch, die neue Chorleitung solle nicht nur zum Chor passen und über eine entsprechende Qualifikation verfügen, sondern auch „pfiffig sein und neue Ideen mitbringen“, sei dem Verein klar gewesen, dass das zu den bisherigen Konditionen nicht mehr möglich sein würde. Die Vorständin stellte die Mitglieder vor die Wahl: „Wir müssen entweder neue Ertragsquellen generieren oder die Mitgliedsbeiträge erhöhen.“ Im vereinsinternen offenen Austausch habe man sich darauf geeinigt, dass alle bereit sind, ihren Mitgliedsbeitrag auf umgerechnet zehn Euro pro Monat anzuheben.
Vertraglich vereinbaren
Was eine Chorleitung kostet, hängt nicht nur mit ihrer Qualifikation zusammen, sondern auch mit dem Umfang an Aufgaben, die in ihre Zuständigkeit fallen. Auch hierüber muss vor Aufnahme der Zusammenarbeit unmissverständlich gesprochen und dies ggf. vertraglich festgehalten werden.
Elementar ist auch, die Form der Beschäftigung zu regeln – per Festgehalt in Anstellung oder auf Honorarbasis? Anmerkungen zur Neufassung des SCV-Mustervertrags erläutert Rechtsanwalt Christian Heieck auf den Seiten 18 und 19.
Honorarempfehlungen und Untergrenzen
Verschiedene Institutionen haben Honorarempfehlungen, Richtwerte und Untergrenzen veröffentlicht, die allen Beteiligten als Orientierung dienen können:
• Tonkünstlerverband Baden-Württemberg e.V.
Grundlage für die Honorarstandards, die der Tonkünstlerverband BW seit 2017 veröffentlicht, sind nach eigenen Angaben ausführliche Recherchen und der Austausch mit anderen Verbänden wie etwa ver.di Musik, artbutfair und die Deutsche Orchestervereinigung (DOV). Die Empfehlungen werden in Anlehnung an die Tarifentwicklung im TvÖD und aufgrund von Inflation stetig weiterentwickelt. Fragen beantwortet Referatsleiterin Anja Schlenker-Rapke: rapke.mezzo@gmx.de
www.dtkv-bawue.de/honorarstandards
• Chor- und Ensembleleitung Deutschland e.V. (CED)
Nach der umfangreichen, bundesweit durchgeführten CED-Honorar-Umfrage 2023/2024 (vokal) gab die CED im Juli 2024 ihre Honorar-Empfehlung heraus. Sie stützt sich u.a. auf Berechnungen und Veröffentlichungen des Deutschen Musikrats, ver.di und des Landesmusikrats Berlin.
www.chor-ensembleleitung.de/ honorar-empfehlung
• unisono – Deutsche Musik- und Orchestervereinigung
unisono gibt nicht nur konkrete Empfehlungen für Mindest- und Aushilfshonorare ab, die sich von den durchschnittlichen Tarifvergütungen angestellter Mitglieder eines mittelgroßen Orchesters in einem Stadttheater ableiten (Tarife öffentlicher Hand), sondern hat daraus auch ein Rechenmodell entwickelt.
www.uni-sono.org/projekte-kam pagnen/mindest-und-aushilfenhonorare/
• Deutscher Kulturrat
Seit dem 1. Juli 2024 müssen Honoraruntergrenzen eingehalten werden, wenn ein Projekt oder eine Institution zu mindestens 50 % durch Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) gefördert werden.
Die Honoraruntergrenzen gelten nur für professionelle Künstlerinnen, Künstler und Kreative, die ihrer Tätigkeit erwerbsmäßig nachgehen. Die BKM gibt keine Beträge als Honoraruntergrenze vor und verweist auf Empfehlungen einschlägiger Verbände und Gewerkschaften: www.kulturrat.de/honorarunter- grenzen/honorar-empfehlungen/
Folgende Aspekte sind in Honorargesprächen zu beachten (zusammengestellt von Marcel Dreiling):
1. Qualifikation / Erfahrung
Qualifikation mit Urkunde und Stempel ist leicht nachzuweisen. Oft sieht man aber den Absolvent:innen einer Ausbildung oder gar eines Studium vor einem Amateurchor grandios scheitern. „Erfahrung“ ist nicht offensichtlich und sofort zu erkennen. Sie kann in der Arbeit mit anderen Chören im Probedirigat und innerhalb einer Probezeit gezeigt werden.
Unter dem Aspekt „fordern und fördern“ sowie „lebenslanges Lernen“ ist zu regeln, wie sich weitere Qualifizierungen auch in der Bezahlung auswirken und ob z.B. durch Kostenübernahme eine positive Entwicklung der Chorleitung aktiv vom Verein gefördert wird.
2. Probenzeit/Arbeitszeit
Die zu vergütende Zeit besteht aus der Kontaktzeit mit dem Chor (den Probenzeiten), der Planungs- und Besprechungszeit, und der Vor- und Nachbereitung der Proben. Die CED legt hierfür eine hilfreiche Tabelle vor, die zeigt, dass die Probenzeit nur ein kleiner Teil ist.
Der Verein mit seinen ehrenamtlichen Tätigen kann hier hilfreich sein und durch geschicktes Teamwork und Delegation Entlastung für die Chorleitung schaffen. Dies gilt z.B. in der Konzertvorbereitung (weitere Musiker:innen verpflichten, Entwurf von Plakaten, Pressetexten, Technik, Bühne, Blumen, etc.). Dies betrifft aber nicht die originären Aufgaben der Chorleitung, die von ihr zu verantworten sind, wie z.B. die Erstellung des Programmes.
3. Nebenkosten Sozialleistungen
Welche Lohnnebenkosten fallen an? Stichwort hierfür ist z.B. die KSK (Künstlersozialkasse). Gibt es eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall? Festgelegt werden sollte, wie mit ausgefallenen Chorproben umgegangen wird, wer für Ersatz zu sorgen hat. Die Corona-Zeit hat uns diese Problematik sehr nahe gebracht.
4. Regelmäßige Anpassung und Aktualisierung
Es gibt sicherlich kaum etwas Beständigeres als die Besoldung der Chorleiter:innen. Einmal verhandelt bleibt sie oft über Jahrzehnte konstant. Ein Inflationsausgleich, Lohnsteigerungen, Anpassung der Bezahlung nach Aus- oder Fortbildung sollten regelmäßig vorgenommen werden.
5. Sonderproben/Urlaub
Festgelegt werden muss, wann probenfreie Zeit ist (z.B. Handwerker- oder Schulferien). Werden Zusatz-Proben, Probentage oder Probenwochenende extra bezahlt?
6. Finanzielle Leistungsfähigkeit des Vereins
Die Finanzierung der Chorleitung obliegt dem Verein. Dieser hat die Honorare und eventuelle Sozialabgaben zu bezahlen. In der Generalversammlung im Kassenbericht ist das dann auch meist der größte Posten. Möchte ein Verein eine sehr gute Chorleitung, muss er sich auch um die entsprechende Finanzierung kümmern. Angebracht ist es, die Chorleitung über den Jahresbeitrag der Mitglieder zu refinanzieren, bevor noch ein „Bierfest“ mehr erwirtschaftet wird.