Womit ein Verein bei (s)einer Chorleitung punkten kann
Musikmachen gehört zu den schönsten Dingen im Leben. Wenn alles gut auskommt, können Sänger:innen, Publikum, Organisator:innen und Chorleitende durch Musik mit Freude erfüllt werden. Das – unter Einbezug aller damit verbundenen Vorarbeit – tut Leib und Seele gut und hat konkrete Auswirkungen auf unsere Gesellschaft und ihr Bildungsniveau. Damit die Musik ihre volle Kraft entfalten und ein jeder sich auf sie einlassen kann, braucht es Strukturen und Rahmenbedingungen, welche das Genießen und Daraufeinlassen ermöglichen.
Vereinsstrukturen sollen eben dieses leisten und verantworten – qua Amt werden diese Aufgaben dem gewählten Vorstand zugeschrieben, damit die Vereinsaktivitäten lebendig und „am Puls der Zeit“ bleiben. Daran ist viel unverrückbare Wahrheit: In ihren Leitungsaufgaben sind Vorstandsmitglieder maßgebliche Motivator:innen. Doch ist es damit nicht getan und es wäre zu simpel, alles auf wenige Schultern abzuwälzen – wo sich vielerorts das führende Vereinsgremium häufig aus Ehrenamtlichen zusammensetzt, die „nicht schnell genug nein sagen konnten“. Sonst würde es niemand machen!
Mindestens ebenso wichtig ist die künstlerische Leitung des Chores. Chorleitende und Vorstand müssen Hand in Hand arbeiten, selbe Ziele verfolgen und ähnliche bzw. abgestimmte Wege beschreiten wollen. Dabei muss keineswegs alles harmonisch ablaufen: Es darf gestritten und miteinander gerungen werden, solange es um die Sache geht. Dann sind gute Ergebnisse zu erwarten. Seine Absicht
zu hinterfragen und sich ihrer bewusst zu sein, ist stets ein guter Rat, damit Entwicklung gelingt.
Klare Absprachen auf Augenhöhe
Hilfreich für beide Seiten sind klare Absprachen und Aufgabenverteilungen. Bei diesen sollte sich jede:r seiner/ihrer Rolle und den damit verbundenen Kompetenzen bewusst sein: Der/Die Chorleitende sorgt für die Musik und das Vereinswesen für die gebotenen Rahmenbedingungen. Dies führt zu einer Balance, in der jede:r für den anderen Sorge trägt, einen Beitrag zum Gesamten hinzugibt und jede:r sich erforderlich und mitgenommen fühlt. Grundvoraussetzung ist eine funktionierende, verlässliche, verbindliche und regelmäßige Kommunikation. Eine Begegnung auf Augenhöhe mit Respekt und der gemeinsamen Grundhaltung („Wir wollen das Gleiche“) lässt eine effiziente Routine entstehen und die meisten Probleme lösen. Zusammenfassend geht es bei allem Miteinander um einen wertschätzenden Umgang und die Anerkennung dessen, was jede:r für den Chor einbringt und investiert.
Was für die einen Hobby, Ehrenamt und Freizeit ist, stellt sich für die anderen als Berufung dar, mit dem sie ihren Unterhalt verdienen müssen. In puncto Vergütung für die Chorleitung spielen also immer sachliche und emotionale Ebenen mit hinein, was es oft nicht leichter macht. Goldene Regel auch hier: Offen und angemessen darüber sprechen und eine Lösung suchen, die argumentativ nachvollziehbar und schlüssig ist. Orientierung geben klare Kriterien wie Abschlussniveau, zeitlicher Umfang, realistische Vor- und Nachbereitungszeiten einbeziehen, Berufserfahrungen, etc. Einkalkuliert werden sollten zudem Zeiten, in denen kein Geld verdient werden kann (Sommerpausen, Pandemie-Zustände, etc.). Orientierungshilfe zur Honorarhöhe gibt z.B. der Tonkünstlerverband BW e.V. und die CED. Viele Vorstandsmitglieder haben ihren Haupterwerb in anderen Bereichen als der Musik, sodass es sich lohnt, eine Vergleichsrechnung aufzustellen. Letztendlich erbringt der/die Chorleitende eine Dienstleistung, welche mit einem angemessenen Stundenlohn versehen werden sollte. Rechnet man anhand der tatsächlich erbrachten Arbeitsstunden – kurze Telefonate, schnelles Ansprechen beim Einkaufen, etc. einbezogen – den Stundenlohn aus, dürfte es bedauerlicherweise für die meisten Chorleitenden schwierig werden, den Mindestlohn zu erreichen.
Kosten zusätzlich zum Honorar
Neben der Honorarzahlung sind zudem weitere Kosten zu beachten:
Reisekosten zu allen die Tätigkeit betreffenden Terminen (Proben, Konzerte, Sitzungen, etc.) sollten vom Verein für den/die Chorleitende:n übernommen werden. Wird hierbei eine Kilometerpauschale zugrunde gelegt, sollte sich diese am derzeitigen Standard orientieren. Übernachtungen und Verpflegungen beispielsweise bei Probenfahrten, Konzertreisen etc. sollten ebenfalls vom Verein für den/die Chorleitende:n gänzlich übernommen werden. Dem/Der Chorleitenden sollten stets Originalnoten zur Verfügung gestellt werden, die ggf. nicht zurückgegeben werden müssen, da Eintragungen notwendig sind, die über die der Chorsänger:innen hinaus gehen und ein:e andere:r Chorleitender u. U. ganz anders handhabt. Ein Chor kann sich nur entwickeln, wenn sich auch seine Leitung kontinuierlich reflektiert und weiterbildet. Daher ist es empfehlenswert, dass Chorleiter:innen Möglichkeiten zur Fort- und Weiterbildung über ihre Vereine erhalten. Die Höhe der Kostenübernahme sollte nach Art und Mehrwert der Fortbildung erwogen werden.
Vereinbarungen vertraglich festhalten
Alle Vereinbarungen sind in einem Vertrag zusammenzufassen und von allen Parteien zu unterzeichnen. Dem Vertrag sollten neben den finanziellen Regelungen zudem die fachlichen und inhaltlichen Aufgaben und Zuständigkeiten zu entnehmen sein. Die Herausforderung ist es, diese so konkret und umfassend zu erfassen wie nur möglich und dabei das Arbeiten und die Flexibilität nicht völlig einzuschränken. In regelmäßigen Abständen ist der Vertrag inhaltlich zu ergänzen, zu aktualisieren oder ggf. neu zu verhandeln. Zu empfehlen ist es, dass absehbar sich verändernde Aspekte in einem Anhang zusammengefasst werden, da dadurch der eigentliche Vertrag nicht angepasst werden muss, was für den/die Chorleitende:n eine weitere Sicherheit darstellt.
Der Erwerb musikalischer Kompetenzen ist leider nicht primärer Bestandteil der Bildungspolitik in unserer Bundesrepublik – der Gesetzgeber scheitert bereits an einer flächendeckenden musikalischen Grundbildung an Schulen. So ist es seit jeher notwendig, dass bei Interesse und Begabung in Eigenverantwortung der musikalische Werdegang neben der schulischen Pflicht bestritten werden muss. Bis eine Chorleiterin oder ein Chorleiter vor einem Chor steht und damit Geld verdient, wurde viel Zeit und Geld – meist schon in der Kindheit – investiert und oftmals auf so manche anderen Annehmlichkeiten verzichtet. Es ist vielleicht nicht in der Verantwortung eines Vereins diesen Missstand aufzuwiegen, doch bleibt dieser Umstand Tatsache und ist daher miteinzubeziehen.
Mit den Rahmenbedingungen punkten
Geld ist jedoch nicht alles, mit dem ein Verein punkten kann. Ein geeigneter Probenraum, welcher zu Probenbeginn gerichtet ist (und nach der Probe aufgeräumt wird), ein adäquates Instrument zum Proben (welches zuverlässig gewartet und gepflegt wird) und Selbstverständlichkeiten wie regelmäßige Probenteilnahme sowie eine ruhige, arbeitsfähige Probenatmosphäre tragen zur Zufriedenheit aller bei. Je nach Ausrichtung des Chores sollten Möglichkeiten vorhanden sein, Projektideen zu entwickeln und (finanziell) umsetzen zu können.
Viele Vereine stellen die voran genannten Punkte vor erhebliche Herausforderungen. Wie soll das geleistet werden? Wer soll sich mit alldem auskennen? Wo kommt das Geld her? Auf viele dieser Fragen können Chorverbände Antwort geben. Ihre Geschäftsstellen vermitteln Informationsmaterialien und/oder Fachpersonal, welche rechtlich, organisatorisch und individuell beraten können. Voraussetzung ist, dass der Verein Mitglied der Verbandsstruktur ist. Sie können darüber hinaus Auskunft zu Fördermöglichkeiten und aktuellen Förderprogrammen geben. In der Jahresplanung sollten immer Konzerte aufgenommen sein, die in den Ausgaben so gering wie möglich gehalten werden, sodass ein Überschuss, der die Vereinskasse füllt, durch die Einnahmen erzielt werden kann. Über Beitragszahlungen kann ein jährlicher Grundstock gesichert werden – diese müssen hin und wieder angepasst werden.
Realistisch bleiben
Die Zukunft des Vereins und des Chores im Blick zu behalten, bedeutet realistisch zu sein. Realistisch gesehen ist kaum eine Struktur und ein Zustand beständig: Chorleitungen wechseln, Strukturen verändern sich und erfordern es, angepasst zu werden. Daher sollte einem potenziellen Chorleitungswechsel – oder einer Vertretungszeit – vorgebeugt werden. Geeignete Chorsänger:innen können zu Vizechorleiter:innen ausgebildet werden und sollten regelmäßig in die Arbeit einbezogen werden, um in Übung zu bleiben (Stimmproben, Vertretungen, Einsingen, Nachdirigate, Korrepetition, etc.). Der Chor/Verein sollte bei Verbandstreffen eine Repräsentationsperson senden, zum einen, um den Chor zu vertreten und zum anderen, um stets aktuelle Möglichkeiten, Neuerungen und Informationen für den eigenen Verein aus erster Hand zu erhalten (Delegiertenversammlungen, Mitgliederversammlungen, etc.). Bei alldem können insbesondere junge Erwachsene und Jugendliche eingebunden werden. Durch kontinuierliche Partizipation verstärkt dies die Identifikation und damit die Bindung zum Chor und seine Gemeinschaft. Für Jugendliche gibt es weitere Aus- und Weiterbildungsangebote wie u.a. die Mentor:innen- oder Kinderchorleitungsausbildung (KC3). Zukunft für den Chor bedeutet gleichermaßen, aktiv Nachwuchsarbeit zu leisten. Ein Patentrezept, damit ein Chor gelingt, gibt es pauschal nicht (immer), da unzählige individuelle Faktoren in den Gesamtkontext hineinspielen. Bleibt zu wünschen, dass diese Zeilen als Anregung und/oder Bestärkung dienen können, mindestens jedoch die Motivation nähren, für den Chorgesang „am Ball zu bleiben“ – es lohnt sich!