Herausforderungen für Vereine im ländlichen Raum bei der Finanzierung großer Konzerte
Jedes Jahr in der Advents- und Weihnachtszeit werden in Deutschland etliche Male Bachs ‚Weihnachtsoratorium‘, Händels ‚Messias‘ und andere große Werke aufgeführt. Veranstalter sind bei genauerer Betrachtung jedoch insbesondere große Konzerthäuser und finanziell starke Institutionen. Kleinere Vereine haben nicht selten mehrere Jahre auf diesen Moment angespart, während die Profis teilweise mehrere Aufführungen pro Woche haben. Dieser Artikel zeigt auf, wie die finanzielle Belastung für Vereine verringert werden kann.
Wer Finanzierungsanträge verstehen will, muss sich durch einen wahren Dschungel an Richtlinien und Vorgaben kämpfen. Das Einwerben von Fördergeldern ist außerdem sehr zeitintensiv und verlangt gutes Netzwerken und Lobbyarbeit.
Von der Projektidee zum Fördermittelantrag
Als Beispiel soll hier der Verein Musterdorf dienen, der zwei Konzerte pro Jahr veranstaltet und einmal wöchentlich probt. Er hat bei Förderanträgen zwei Optionen: das eigene Projekt auf ein bestehendes Förderangebot zuschneiden oder für die Projektidee den entsprechenden Förderantrag suchen. Bei Oratorienwerken ist meist Letzteres gefordert, gerade wenn die Idee für das Projekt schon mehrere Jahre im Voraus getroffen wird. Über 80 Prozent der Fördergelder für Musik sind projektbezogen, wobei die Größe des Ensembles dabei keine Rolle spielt. Wie wird aus der Idee nun das Projekt? Der Konzerttitel (hier z.B. „Bachs Weihnachtsoratorium“) wird der neue Projekttitel. Zur Projektbeschreibung zählen alle Aspekte, die für das Konzert notwendig sind, z.B. die musikalischen (Chorleitung, Proben, Konzertprogramm) und organisatorischen Bestandteile (Probenraum, Konzertort, ehrenamtlich Helfende). Unabhängig vom Weihnachtsoratorium kann das Projekt auf den Förderantrag angepasst werden, besonders hinsichtlich Integration, Inklusion, kultureller Bildung oder internationaler Chortreffen.
Budgetrahmen und Aufführungskosten
Fördergelder sind nicht dazu da, den regulären Probenalltag zu finanzieren, sondern neue und kreative Ideen. Das passiert nicht über Nacht, weshalb es hilfreich sein kann, die eigene Projektidee frühzeitig zu skizzieren und wodurch der erwartbare Budgetrahmen klar sein sollte. Bei Oratorienwerken vom Format des Weihnachtsoratoriums sind es mindestens zwischen 10.000 und 15.000 Euro. Kleine Musikvereine wie der Chor aus Musterdorf haben begrenzte finanzielle Mittel, was die Aufführung großer Werke erschwert. Man nehme an, der Verein habe 1.000 Euro auf dem Konto. In einer Kirche mit rund 500 Plätzen wird mit 300 verkauften Plätzen zu je 20 Euro gerechnet – bedeutet 6.000 Euro durch Ticketverkäufe. Somit fehlen mindestens weitere 4.000 Euro. Auch Notenmaterial, Technik (Licht und Ton) und Miete für den Veranstaltungsort (hier meist die Kirche) sowie Gelder für die Öffentlichkeitsarbeit (Flyer/Plakate) und Ehrenamtspauschalen müssen in der Kostenkalkulation mitgedacht werden. Woher bezieht der Verein also die weiteren Mittel?
Sponsoring
Erste Anlaufstelle können neben dem Kulturbüro Sponsoren sein, z.B. lokale Unternehmen. Bei einer überschaubar großen Firmenstruktur ist es vermutlich einfacher, mit den entscheidenden Personen in Kontakt zu kommen, als bei großen Konzertnen. Auf Basis einer Zielgruppenanalyse lässt sich schnell erkennen, wer in Betracht kommen könnte. Wer Vereinsmitglieder in diesen Prozess mit einbindet, erhöht die Chance, auf weitere Kontakte zu potenziellen Partner:innen bei Unternehmen in der Umgebung. Darüber hinaus können Empfehlungen von anderen lokalen Musikschaffenden zielführend sein. Hierzu zählen Einzelhändler wie Buchhandlungen, Musikgeschäfte, Blumenläden oder lokale Lebensmittelproduzenten. Auch die Gastronomie kann hinzugezogen werden, beispielsweise Restaurants, Cafés oder Weingüter in der Nähe, die an einer Zusammenarbeit interessiert sind oder auch regional ansässige Handwerksbetriebe, sowie kulturelle Institutionen wie Kulturvereine, Musikschulen oder Volkshochschulen, um möglicherweise Interesse an einer Kooperation zu wecken oder weil sie selbst Sponsoring-Möglichkeiten anbieten. Nicht zuletzt kann auch Social Media helfen, auf das Projekt hinzuweisen und eventuelle Sponsor:innen anzuwerben. Als Erstkontakt empfiehlt sich jedoch stets eine persönliche Begegnung. Beim klassischen Sponsoring verhält es sich nicht wie bei Spenden, die keine Gegenleistung verlangen. Sponsoring heißt, dass die Sponsor:innen eine gewisse Sichtbarkeit erhalten. Das meint nicht, dass nur das Logo abgedruckt wird, sondern dass z.B. Sie die Höhe des Sponsorings zeigen, die Webseite verlinken oder Firmeninventar für Ihre Öffentlichkeitsarbeit nutzen. Sponsor:innengelder müssen außerdem voll versteuert werden, anders als Spenden. Neben der reinen Sichtbarkeit für die Sponsoren, gehört auch, den Sponsoren aufzuzeigen, was ihre Vorteile bei der Finanzierung wären, wie etwa die Sichtbarkeit der kulturellen Unterstützung oder eine Art Fürsorge für die Region.
Regionale Fördergelder
Ein Großteil der Fördergelder liegt bei Land und Kommunen, nur etwa 17 Prozent werden über den Bund bereitgestellt. Auf lokaler Ebene, z.B. beim städtischen Amt für Kultur, sind meist entsprechende Anträge und die zugehörigen Richtlinien zu finden. Kommunale Fördergelder werden außerdem schneller und leichter bewilligt, können aufgrund der geringeren Liquidität aber auch geringer ausfallen. Nicht selten gibt es spezielle Jugendförderprogramme oder auch Sonderförderungen für Jubiläen, Teilnahmen an Chorwettbewerben sowie Fahrtkostenzuschläge. Wichtig ist, nicht allen mittelgebenden Stellen gleichzeitig einen Projektantrag zu stellen, denn diese dürfen oftmals nicht miteinander kombiniert werden. Newsletter der Kommunen, Ministerien und (Chor-)Verbände informieren regelmäßig über neue Förderprogramme. Der Schwäbische Chorverband fördert unter Förderlinien Ia (Förderung von Kleinprojekten) und Ib (besondere Förderung innovativer Projekte) Anträge für künstlerische Projekte seiner Mitgliedsvereine und Regionalchorverbände. Der notwendige Eigenanteil liegt bei zehn Prozent des Kostenvolumens (weitere Informationen unter www.s-chorverband.de/vereinsfuehrung/zuschuesse).
Mittels Stiftungsgelder (Bürgerstiftungen, Unternehmensstiftungen und Stiftungen lokaler Banken) lassen sich Zuwendungen aus öffentlichen Fördermitteln kombinieren. Allein in Baden-Württemberg gibt es 170 Stiftungen, die musikalische Projekte unterstützen. Dies bietet sich insbesondere bei Projekten im Bereich Inklusion oder kulturell-musikalischer Bildung an. Der geforderte Inhalt der Anträge kann variieren. Grundsätzlich sollte er aber eine Projektskizze, die Projektziele, eine Kostenkalkulation und die jeweiligen Ansprechpartner:innen enthalten. Weiterhin können auch Fördervereine und Freundeskreise in der Umgebung Anlaufstationen sein. Wichtig hierbei ist die Planungsfrist. Für öffentliche Gelder muss der Antrag in der Regel etwa ein Jahr im Voraus gestellt werden, bei privaten Geldern oder Stiftungen ist die Zeit wesentlich kürzer. Andererseits ist die Höhe der Gelder aus öffentlicher Hand meist größer.
Für den Notfall: Neue Wege gehen
Für den Fall, dass die o.g. nicht den gewünschten Erfolg bringen, hier ein paar Lösungsvorschläge:
Level 1: Die Spar-Variante wäre, das Stück nicht mit ausgebildeten Profis, sondern mit sehr talentierten Personen, Gesangsstudierenden oder Schulmusiker:innen mit Hauptfach Gesang zu besetzen. Aber: Musikstudierende erwarten in der Regel auch mindestens eine Aufwandsentschädigung.
Level 2: Insbesondere aufgrund der Corona-Pandemie gab es immer wieder (Not-)lösungen, um die Kultur aufrecht zu erhalten. Musikverlage haben für einige große Werke eine bearbeitete Fassung mit reduzierter Besetzung herausgegeben. Das Weihnachtsoratorium ist beispielsweise für Soli, Chor und Orgel, statt dem eigentlich vorgesehenen Orchester, verfügbar. Level 3: Wenn ein Amateurchor das Weihnachtsoratorium singen kann, geht das auch mit einem Amateurorchester. Zum einen gibt es regionale Amateurorchester- und Ensembles, die wesentlich preiswerter sind als Profis. Zum anderen könnte sich aus den Instrumentalist:innen im Umfeld der Vereinsmitglieder ein Orchester zusammenstellen lassen. Fehlende Stimmen lassen sich durch andere Instrumente oder mittels einer Orgel meist gut auffangen.
Zum Abschluss
Hat das Projekt einen kirchlichen Bezug – wie es beim Weihnachtsoratorium der Fall ist –, öffnet dies noch ein weiteres Feld potenzieller Förder:innen. Auch ein vereinsnaher Förderverein oder Förderkreis kann einen Teil der Finanzierung übernehmen. Lasset das Zagen, verbannet die Klage, stimmet voll Jauchzen und Fröhlichkeit an, denn es gibt so viele Förderprogramme, dass bestimmt etwas gefunden werden kann!
Weitere Informationen auf www.s-chorverband.de.