Das Mysterium um die Chorleitungsschule in Schnait
„Silchermuseum wird Seminar für Chorleiter“ lautete eine Schlagzeile in den „Württemberger Nachrichten“ am 20. November 1953. Ein Kuratorium aus Vertretern von Landesregierung und Schwäbischem Sängerbund hatte dies zumindest als Plan. Warum daraus nichts geworden ist, zeigt ein Blick in alte Akten.
Der Schwäbische Sängerbund (SSB) hatte sich 1953 die Aufgabe gestellt, das Silcher-Museum „zu einem kulturellen Mittelpunkt des schwäbischen Musikle- bens auszubauen“, wie es der damalige Präsident des SSB, Michael Jetter, formulierte. Im oben schon angedeuteten Artikel der Württemberger Nachrichten heißt es diesbezüglich, dass auch der Deutsche Sängerbund (DSB, heute DCV) diesbezüglich ein großes Interesse habe. Denn das ursprünglich vom DSB betriebene Germanische Museum in Nürnberg, das auch die Geschichte des Chorwesens beinhaltet hatte, war im Krieg zerstört worden „und das Schnaiter Silchermuse- um [sei] nun die einzige gemeinsame Heimstätte der Sänger im Bundesgebiet“. Das Kuratorium besichtigte das Museum und überprüfte die Möglichkeiten zum Umbau. Im Frühjahr 1954 sollte mit den Umbauarbeiten begonnen werden, wofür 30.000 DM bereitgestellt wurden.
DER KAUFVERTRAG
So geschah es, dass am 28. April 1954 ein Kaufvertrag für zwei Grundstücke zu insgesamt 25.000 DM zustande kam. Die Eigentümerin, Maria Schiller, musste aufgrund der damals noch eingeschränkten Geschäftsfähigkeit für Frauen die Zustimmung ihres Mannes, Karl Schiller, für den Verkauf einholen. Das Ehepaar erhielt im Gegenzug ein Tauschgrundstück. Die Vertragspartner:innen erklärten in der Übereinkunft, dass der Platz „der Erstellung der geplanten Silcherakademie (Chorleiterschule) dienen soll. […] Die Vertragsschließenden vereinbaren für den Fall, dass das Kaufgrundstück nicht für den vorhergesehenen Zweck verwendet oder hierfür benötigt wird, die Einräu- mung eines Wiederkaufsrechts“ mit einer Frist von zwei Jahren. Ebenso war ein Rücktrittsrecht für den Schwäbischen Sängerbund als Erwerber vorgesehen, sollte das Vorhaben der Chorleiterakademie nicht finalisiert werden können oder die Generalversammlung (heute Chorverbandstag) dem nicht zustimmen.
DIE „SINGSCHULE“
Das Kuratorium nannte das Vorhaben „Silcher-Akademie Schnait. Landessingschule des Schwäbischen Sängerbundes“, welches zur musikalischen Weiterbildung, insbesondere für Chorleiter:innen, dienen sollte. Die zugehörige „Singschule“ sollte „besondere kulturelle Beispiel- und Anziehungskraft ausüben“ und „die Erhaltung und Pflege unseres Volksliedgutes und der volkstümlichen Musikkultur im allgemeinen“ sichern. Da für diese Durchführung jedoch ein Gebäude errichtet werden musste, dessen Baukosten sich auf 400.000 DM beliefen, wurde ein Brief an den Finanzminister Dr. Frank geschrieben mit der Bitte, das Land möge den SSB unterstützen, auch mit dem Verweis auf das Deutsche Sängerbundfest 1956 und die damit verbundene Strahlkraft des schwäbischen Chorwesens.
WER SORGTE FÜR DIE VERTRAGSAUFLÖSUNG?
Es bleibt die Frage, was aus der Akademie geworden ist. Tatsächlich wurde der Kaufvertrag 1954 vom Schwäbischen Sängerbund rückgängig gemacht. Gründe hierfür waren sowohl Formfehler beim Vertragsabschluss – die laut Satzung erforderliche Zustimmung der Bundesversammlung fehlte –, als auch ein fehlendes Konzept für die Akademie und den zukünftigen Akademiebetrieb.
Bedenken gab es z. B. bei der Frage, ob insbesondere die kleineren und mittleren Chöre es sich finanziell überhaupt leisten könnten, ihre Chorleiter:innen einmal im Jahr auf eine mehrtägige Fortbildung nach Schnait zu schicken. Außerdem kamen Zweifel am Standort auf, so ist im entsprechenden Protokoll zu lesen: „Voraussetzung für die Errichtung der Akademie in Schnait ist auch, dass Schnait willens und in der Lage wäre, für die Schulung einen Männer-, gemischten und Kinderchor zu unterhalten und für Schulungszwecke an etwa 30 bis 40 Samstagen bzw. Sonntagen zur Verfügung zu stellen.“ Zu guter Letzt fehlte eine Zusage, dass mit einem entsprechend hohen staatlichen Zuschuss gerechnet werden kann.
Bei der Bundesversammlung teilte Vizepräsident Weiß schließlich mit, dass er den Kaufvertrag aufgrund der im Juni 1954 eingeholten schriftlichen Stellungnahme der Präsidiumsmitglieder rückgängig gemacht habe.