Über 400 Gäste beim Festakt am Jubiläumstag der Verbandsgründung in Göppingen
Auf den Tag genau 175 Jahre später kehrte der Schwäbische Chorverband an den Ort zurück, an dem er sich am 25. November 1849 als „Schwäbischen Sängerbund“ gründete. Über 400 Gäste waren nun in die Göppinger Stadthalle gekommen, um bei der großen Abschlussveranstaltung des ganzjährig begangenen Jubiläums dabei zu sein.
Rund zehn Minuten lang durfte SCV-Präsident Dr. Jörg Schmidt Ehrengäste begrüßen, die es sich alle nicht nehmen lassen wollten, ihre Verbundenheit zum SCV durch ihre Anwesenheit zum Ausdruck zu bringen. Das anschließende Grußwort oblag Alexander Meier, Oberbürgermeister der Stadt Göppingen, der von einer „Freude und Ehre“ sprach, Gastgeber des Abends zu sein. Der Schwäbische Chorverband stehe für eine „Tradition, die weit über unser Land hinausstrahlt; die Menschen verbindet, Gemeinschaft stiftet und Emotionen Raum gibt.“
Singen öffne Türen, bringe uns nicht nur einander näher, sondern auch uns selbst, befand Meier und betonte: „Musik ist mehr als nur ein Hobby. Sie ist eine Brücke zwischen den Generationen, den Herzen und der Zeit. Beim Chorgesang verschmelzen viele Stimmen zu einer einzigen, ohne dass eine ihre Eigenheit verliert. Jede Stimme zählt. Jede Stimme ist unverzichtbar und gemeinsam entsteht etwas, das größer ist, als die Summe seiner Teile.“ Meier unterstrich den Beitrag, den Chorgesang – insbesondere durch das Engagement des SCV – für die Gesellschaft leistet. Es entstehe „ein Wir, das uns lehrt, dass Harmonie nicht aus Gleichheit entsteht, sondern aus Vielfalt. Dass dieses Wir im Schwäbischen Chorverband so kraftvoll gelebt wird, ist kein Zufall: Seit 175 Jahren ist dieser Verband mehr als nur eine Organisation. Er ist ein Motor des kulturellen Lebens, ein Ort der Begegnung und eine Plattform für die vielen Chöre und Vereine, die unter seinem Dach zusammenkommen.“
Aras über die parallelen von Chorgesang und Demokratie
Die anschließende Festrede hielt Muhterem Aras, Präsidentin des Landtags von Baden-Württemberg, und legte hierbei den Fokus auf die Parallelen von Chorgesang und Demokratie – nicht nur auf deren Gemeinsamkeiten, sondern auch auf den unverzichtbaren Wert des Chorgesangs als Stütze der Demokratie. „Man braucht öfter mal einen ziemlich langen Atem. Zugegeben, in der Politik wie auch in der Gesellschaft insgesamt geht es oft dissonanter zu als im Chor, aber: Zivilisierter Streit gehört dazu! So lassen sich die besten Antworten auf politische Fragen ausloten und ein breites Meinungsspektrum auffächern. Oder anders gesagt: Wie ein Chor entfaltet auch die Demokratie ihren Zauber erst durch Vielstimmigkeit.“
Doch diese Vielstimmigkeit erfordere eine verantwortungsvolle Leitung, die sie ordne und die sowohl den leisen wie auch den lauten Stimmen in der Gruppe ihren Platz zuweise. Ähnlich wie ihr Vorredner betonte Aras die gegenseitige Achtsamkeit: „Bei aller Vielfalt und Verschiedenheit der Stimmen braucht es Koordination und Kooperation. Ein Miteinander funktioniert nur, wenn alle auf ihre Nebenperson achten und sie nicht übertönen. Dieses Zusammenspiel ermöglicht im Chor die Partitur; in unserer Gesellschaft das Grundgesetz.“ Leidenschaftlich fuhr Aras fort: „Wie im Chor gilt aber auch im politischen Miteinander: Der Ton macht die Musik! Und das derzeitige Ausmaß an Dissonanzen ist unserer Demokratie nicht würdig.“ Szenenapplaus in der Stadthalle.
Wulff: SCV ein verlässlicher und stabiler Partner
Es folgte eine Premiere: Der Kurzfilm über die Geschichte des Schwäbischen Chorverbandes wurde auf der großen Leinwand erstmals präsentiert. Anschließend gratulierte Staatsekretär Arne Braun (Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst) dem SCV zu seinen Pionieren, die 1849 erkannt hätten, dass Chorgesang die Gesellschaft empowere und daher gepflegt und gestärkt werden müsste. Der SCV sei durch die 175 Jahre tapfer und anpassungsfähig gegangen, habe Herausforderungen angenommen, aktuelle Trends stets willkommen geheißen und bleibe gleichzeitig seinen Wurzeln treu, so Braun und ergänzte: „Wir, die Gesellschaft, brauchen Ihre Kraft, Inspiration und Glückshormone! Sie bauen mit Ihrem gemeinsamen Wirken Brücken.“
Danach trat Christian Wulff in seiner Funktion als Präsident des Deutschen Chorverbandes ans Rednerpult. Der Bundespräsident a.D. lobte insbesondere die vorbildliche Arbeit, die im SCV geleistet wird, „verbunden mit einem Dank für den Elan und die Zuversicht, mit dem Ihr Chorverband die Aufgaben der Zeit annimmt und für die Kollegialität, mit der er als verlässlicher und stabiler Partner des DCV seit Jahrzehnten mit all seinen Vorgängern wirkt.“
Sein Dank gelte auch allen Menschen, die sich von Musik bewegen und begeistern ließen, sich unermüdlich für andere Menschen einsetzten und mit ihrem ehrenamtlichen Engagement und ihrer Musik anderen Freude bereiteten. „Sie machen hörbar, wofür wir uns alle einsetzen und was uns in tiefstem Herzen bewegt“, sagte Christian Wulff und hob die Stärken des Chorsingens, insbesondere in der Organisationsstruktur von Verbänden, für die Gemeinschaft hervor: „In einer Zeit vieler Probleme sind wir nirgendwo Teil des Problems, sondern immer Teil der Lösung. Wir betonen Kooperationen, wo sich immer mehr daran ergötzen, in Konfrontation zu gehen. Wir sind Orte gelebter Demokratie, bürgerschaftlichen Engagements. Bei uns gibt es keine Aus- und Abgrenzung, nicht einmal soziale Schranken: Jeder hat sein Instrument immer dabei und kann es einsetzen, ohne eine Investition zu tätigen.“
Christian Wulff war nicht mit leeren Händen ins Schwäbische gekommen: Er überreichte Jörg Schmidt als Vertreter des SCV die Ehrenurkunde des Deutschen Chorverbandes. Der SCV arbeite „unglaublich partnerschaftlich“ mit den anderen Chorverbänden im Land – dem Baden- Württembergischen Sängerbund, dem Landesverband Baden-Württemberg des Vereins Deutscher KonzertChöre und dem Badischen Chorverband – zusammen, betonte Wulff in seiner Laudatio und konstatierte: „Und auch damit ist der Chorverband hier ein Vorbild für alle deutschen Chorverbände.“
Stehende Ovationen für die Aufführung von „Earthrise“
Nach einer knappen Stunde an Reden und Grußworten trat Nikolai Ott auf die Bühne und gab eine kurze Werkeinführung zu Alec Roths „Earthrise“, das er als musikalischen Beitrag für die Jubiläumsfeier ausgewählt hatte. Im Kern geht es in diesem Stück, das 2010 uraufgeführt wurde, darum, wie der Mensch mit der Erde umgeht. Roth legte seiner Musik Zitate (in Latein) aus dem Alten Testament zugrunde: „Wo will man aber die Weisheit finden und wo ist die Stätte des Verstandes?“ Immer mit dem Appell versehen: „Ecce!“, zu Deutsch: Schaut hin!
Der SCV-Musikdirektor hatte für den Festakt die Kammermusik-Fassung für zwei Chöre und Kammerorchester vorbereitet. Ott leitete das Ensemble, bestehend aus dem Orchester „Sinfonia02“, dem Projektchor des SCV mit Sänger:innen aus dem Raum Stuttgart, Ludwigsburg und Tübingen sowie dem Projekt-Ensemble, das Ott aus professionellen Sänger:innen zusammengestellt hatte. Das Publikum dankte den Akteur:innen für die Darbietung des fast halbstündigen Werkes mit lang anhaltendem Applaus und stehenden Ovationen. Nicht zuletzt durch die exponierten Chor-Parts wurde bei diesem Festakt deutlich: „Wir feiern Chor!“