2026 tritt das Ganztagsförderungsgesetz in Kraft. Wie sich Vereine vorbereiten und einbringen können
Bereits zum Schuljahr 2026/2027 tritt das Ganztagsförderungsgesetz (GaFöG) in Kraft. Doch was beinhaltet das neue Gesetz und was kann das für Vereine mit sich bringen? Welche Chancen und Risiken bietet GaFöG für die Nachwuchsgewinnung? Anbei haben wir den Status Quo für alle Vereine der Amateurmusik dargestellt.
Im Rahmen der Haushaltsplanungen werden aktuell die Umsetzungen des Gesetzes vom Landtag diskutiert. Gemeinsam mit allen Mitgliedsverbänden im Landesmusikverband beschäftigen wir uns bereits seit dem Jahr 2022 mit dem Ganztagsförderungsgesetz und machen uns dabei für die Amateurmusik in Baden-Württemberg stark. Das GaFöG räumt allen Kindern ein Recht auf Ganztagsbetreuung ein. Die Erziehungsberechtigten können diese Form der Betreuung wählen oder sie nicht in Anspruch nehmen. Der Schulträger (Kommune) trifft die Entscheidung, ob der verpflichtende Ganztag an drei oder vier Tagen pro Woche stattfindet und ob diese Tage dann ein Angebot von sieben oder acht Stunden à 60 Minuten beinhalten.
Wer kann Angebote im Rahmen von GaFöG machen?
Rechtsgrundlagen sind neben der Ganztagsgrundschulverordnung der § 4a Schulgesetz und die Verwaltungsvorschrift Ganztagsgrundschule: „Die Zusammenarbeit mit gemeinnützigen Vereinen und Körperschaften, Kirchen, Religionsgemeinschaften, Verbänden und Organisationen als außerschulischen Partnern erfolgt auf der Basis einer schriftlichen Kooperationsvereinbarung. Entsprechende Formulare und Vorlagen für eine Kooperationsvereinbarung werden den Schulleitungen vom Kultusministerium zur Verfügung gestellt.“ Außerschulische Akteure können auch selbst Träger von Betreuungsangeboten sein oder aber über Vereinbarungen mit den Trägern (der Kommune) von Betreuungsangeboten in deren Auftrag in Betreuungsangeboten tätig sein.
Wie ist die derzeitige Gesetzes Lage?
Ganztagsschulen gemäß § 4a Schulgesetz können zur Einbindung außerschulischer Partner maximal 50 Prozent ihrer zusätzlich zugewiesenen Ganztags-Lehrerwochenstunden nutzen (Stunden können von der Schule beim Land beantragt werden. Diese Stunden nennt man auch monetarisierte Stunden) und damit können auch verschiedene Angebote der außerschulischen Partner (z.B. der Vereine) im Ganztagsschulbetrieb finanziert werden. Die Beantragung liegt dabei im Ermessen der Schulleitung. Das Land macht hinsichtlich der Art der Angebote und der Qualifikationen der eingesetzten Personen keine Vorgaben. Die flexiblen Betreuungsangebote liegen hingegen in der Verantwortung der kommunalen oder freien Träger. Hinsichtlich der Ferienregelung sieht das GaFöG vor, dass die Länder eine Schließzeit der Einrichtung bis maximal vier Wochen im Jahr während der Schulferien regeln dürfen. Eine Regelung der Schließzeit für Baden-Württemberg wird derzeit vom Kultusministerium vorbereitet. Eine Möglichkeit der Ausgestaltung der Schulferien mit Blick auf den Rechtsanspruch in Baden-Württemberg könnte sein, die Vereine und anderen Akteure, die ein entsprechendes Ferienangebot bereitstellen, dergestalt einzubeziehen, dass diese Teile eines Betreuungsangebots in kommunaler oder freier Trägerschaft nach § 8b Schulgesetz werden.
Welche Qualifizierung müssen Personen haben, die Angebote im Rahmen von GaFöG machen?
Für die Ausgestaltung des Angebots sowie für die Fortbildung des Personals sind die jeweiligen kommunalen und freien Träger verantwortlich. Wir machen uns stark für eine leistbare Weiterbildung im Umfang von maximal drei Wochenenden. Im Rahmen des Runden Tisches „Ganztag“, an dem sich auch der LMV beteiligt, wurden bereits verschiedene Fortbildungskonzepte für Personen, die von der Kommune angestellt sind, vorgestellt. Für außerschulische Partner im Ehrenamt halten wir Vereine auf dem Laufenden, sobald es Aus- und Fortbildungsprogramme im Rahmen von GaFöG gibt. Außer Frage steht, dass Personen, die eine pädagogische Ausbildung analog den Lehrkräften der Grundschule absolviert haben, die Angebote durchführen können.
Wie sind die Finanzierung und Kostenstruktur?
Grundsätzlich gilt: Innerhalb des Ganztages müssen die Angebote für die Erziehungsberechtigten der Kinder kostenfrei sein. Für Kinder, die nicht den Ganztag wahrnehmen, können Kosten erhoben werden. Die Finanzierung ist noch nicht abschließend geregelt. Deshalb sollten sich Vereine jetzt auf den Weg machen, um zu erfahren, was vor Ort vom Schulträger angestrebt wird, wie weit das Thema dort bekannt ist und für was wir Vereine uns jetzt einsetzen sollten.
Was sind die Chancen für Vereine?
Durch Angebote im Rahmen von GaFöG besteht eine gute Erreichbarkeit aller Kinder der Grundschule mit unseren musikalischen Bildungsangeboten. Es besteht die Chance einer Verstetigung der Zusammenarbeit mit den Schulen. Außerdem gewinnt die Vereinslandschaft an Bekanntheit in der Kommune vor Ort sowie im politischen Standing.
Was können wir als Verein jetzt tun?
Vereine sollten an ihre eigene Kommune herantreten und sich ein Bild vom Planungsstand zum Thema Ganztag vor Ort machen. Dabei helfen die Fragen:
- Welche Ganztagesform wird gewählt (gebunden nach §4a – dann gilt das GaFöG; nicht gebunden oder eine normale Grundschule mit Mittagsangebot – dann gilt das GaFöG nicht)?
- Welcher Ganztagesrhythmus wird gewählt? Drei oder vier Tage Betreuung? Sind es sieben oder acht Stunden Betreuung pro Tag?
- Ist der Verein schon Kooperationspartner mit Angeboten in der Schule? Kann er dieses ggf. aufrecht erhalten? Wenn nein: Ist bei Träger/ Schulleitung der Wunsch nach Kooperation da?
- Wie können die Vereinsangebote in den Schulen untergebracht werden? Und wie kann ein Stundenplan aussehen?
- Ist es möglich, über die von der Schule erhaltenen Stundensätze qualifizierte Musiklehrer:innen zu bezahlen? Und fördert die Kommune die Betreuungs-, Ferien- und Bildungsangebote der Vereine?
- Werden notwendige Neu- und Umbauten zur Umsetzung des GaFöG für alle Systeme gleich von Kommune und Land bezuschusst? (derzeit nach §4a nur Ganztagesgrundschulen)
Für konkrete Gespräche mit Schulen oder der Kommune müssen sich Vereine folgende Fragen zur Vorbereitung stellen:
- Zu welchen Zeiten können wir Personal für die Betreuung stellen? Wann kann das Angebot im Ganztag stattfinden?
- Wo kann der Unterricht stattfinden? Auch außerhalb des Schulgeländes (im Vereinsheim, in der Musikschule)?
- Welche Ferienangebote oder Bildungsangebote können wir machen? Bläserklassen? Musicalprojekte? Sonstiges?
- Sollen neue Kooperationen gegründet werden (z.B. mit anderen Chören und Musikvereinen oder mit Musikschulen)?
- In welchem Zeitfenster können diese abgehalten werden?
- Es dürfen nur vier Wochen im Jahr ohne Betreuung stattfinden. Wer übernimmt in den restlichen Ferienzeiten?
- Arbeiten wir mit der Musikschule oder eigenen Ehrenamtlichen zusammen? Wie werden unsere Ehrenamtlichen entlohnt? Wandelt die Schule Lehrerstunden über die Monetarisierung in Geld um, um dafür Personal zu bezahlen? Wer übernimmt die Kosten für Instrumente? Wer übernimmt die Betreuung? Und wer bezahlt dies? Die Schule durch die Beantragung von zusätzlichen Stunden, die Gemeinde durch Zuschüsse oder die Eltern mit Beiträgen?
- Können Vereine die Verlässlichkeit garantieren? Wer übernimmt die Ferienzeiten? Können Kooperationen mit anderen Vereinen vor Ort geschlossen werden, um die Verlässlichkeit zu garantieren?
- Welche Qualifikation haben die Ehrenamtlichen? Reicht sie, um im Rahmen der Betreuungszeiten Angebote machen zu können?
Was sind die Aufgaben des LMV?
Derzeit tagt regelmäßig ein Runder Tisch im Kultusministerium mit den außerschulischen Partnern, bei dem der Landesmusikverband vertreten ist. Landtagsabgeordnete und Ministerien sind sehr offen für Informationen und Wünsche aus der Praxis, um das GaFöG bedarfsgerecht umsetzen zu können. Deshalb sind folgende Forderungen an die Politikerinnen und Politiker in den Kommunen und im Land immens wichtig.
- GaFöG braucht eine auskömmliche Finanzierung durch Bund, Land und Kommune – Vereine können keine kostenlosen Angebote machen.
- Änderung Schulbesuchsverordnung: Unterricht an dritten Orten müssen möglich werden!
- Außerschulische Angebote sollen für alle Kinder gleich – für alle mit oder ohne Bezahlung durch die Erziehungsberechtigten – angeboten werden können.
- Qualifizierungsstandards für Lehrpersonal außerschulischer Partner im Betreuungsbereich sowie im rhythmisierten Ganztag müssen definiert werden.
- Koordinationsstellen vor Ort zur Planung des Ganztags müssen eingerichtet werden. Die Kosten sollten – zumindest zum Teil – vom Land übernommen werden. Verein und Schule können diese Aufgaben der Organisation nicht übernehmen.
Für Rückfragen oder Ideen aus Ihren Reihen sind wir jederzeit offen. Nutzen wir gemeinsam die Möglichkeiten, die GaFöG bieten wird! Packen wir‘s als Amateurmusik an!