Schweifsterne haben schon immer für Aufregung gesorgt
Erst kürzlich hat ein Komet namens C/2023 A3 (Tsuchinshan-ATLAS) unseren Planeten passiert. Der Besucher war bei klarem Nachthimmel ein paar Tage lang mit bloßem Auge erkennbar: ein heller Punkt mit einem längeren Schweif.
Im Volksmund nennt man diese Himmelskörper deshalb auch Schweifsterne. Genau genommen sind sie aber gar keine Sterne, sondern aus Eis und kosmischem Staub zusammengebackene bzw. zusammengefrostete Klumpen von eher geringer Größe. Wenn sie im Vorbeiflug der Sonne näher kommen, dampft etwas Material ab, was wir dann als Schweif dem Kern hinterher ziehen sehen.
Manche dieser Wandergesellen sieht man nur einmal und dann nie wieder, andere kreisen auf Bahnen im Sonnensystem und lassen sich erst nach Jahrzehnten oder Jahrhunderten wieder blicken. Einer davon ist der „Halleysche Komet“, benannt nach Edmund Halley, der 1705 als erster die Flugbahn dieses Brockens berechnet und seine Wiederkehr vorausgesagt hat. Etwa alle 75 Jahre taucht der „Halleysche“ erneut am Himmel auf. Früher hat er dabei öfters für Unruhe gesorgt.
Himmlische Vagabunden als Unruhestifter
Kometen betrachtete man in der Antike und besonders im Mittelalter als göttliche Boten mit meist unangenehmer Botschaft. Sie galten u.a. als ein Vorzeichen für einen gewaltsamen Herrscherwechsel. Als z.B. der Halleysche Komet im Jahr 1066 am Himmel auftauchte, verlor König Harold II. im Kampf gegen William den Eroberer in der Schlacht bei Hastings sein Leben. Der bekannte „Bildteppich von Bayeux“ hat das Ereignis ein paar Jahre später unter der wohl ältesten Darstellung dieses Kometen in Szene gesetzt.
Eine positive Bedeutung bekamen Kometen erst, nachdem der biblische „Stern von Bethlehem“ mit einem Schweifstern in Verbindung gebracht wurde. Es war der Maler Giotto di Bondone, der den Halleyschen Kometen, den er wohl 1301 mit eigenen Augen gesehen hatte, 1304 in einem Gemälde als Vorbild für den Stern der drei Weisen aus dem Morgenland nahm. Nach und nach ist dann der Schweifstern zum Liebling aller Weihnachtsdekorationen geworden. Er glänzt, leuchtet und blinkt heute über den meisten Krippen und Christbäumen, wird in Liedern besungen und versüßt uns auch als Gebäck die dunkle Jahreszeit.
Weltuntergang ja – aber bitte mit Gesang
Trotz der weihnachtlichen Kometen-Aufwertung hielt sich aber weiterhin eine ziemliche Skepsis gegenüber den Schweifsternen. Manche schrieben ihnen sogar noch bis ins 20. Jahrhundert hinein weltzerstörerische Eigenschaften zu. Einen kuriosen Hinweis darauf liefert uns eine Rede des Stuttgarter Publizisten Wolfgang Menzel, die er am Neujahrstag 1836 zum Jahresfest des Stuttgarter Liederkranzes gehalten hat. Dort finden wir die folgende Bemerkung:
„Es ist das verhängnisvolle Jahr 1836, von dem die Prophezeiungen melden, dass darin die Welt untergehen werde. Sollte dieser betrübte Fall eintreten, so fassen Sie sich ein Herz und – singen. Der Schwan singt, wenn er stirbt. … Endlich hat schon ein Dichter vom Weltuntergange vorhergesagt:
Wenn die Erde, ganz in Feuer,
Einst in tausend Stücke springt,
Steht der Sänger mit der Leyer
Auf dem letzten Stück und – singt.“
Deshalb bringt Menzel in seiner Rede die Hoffnung zum Ausdruck, dass „künftig die Singvereine von ganz Deutschland zusammen kommen werden, um Männerchöre aufzuführen, vor deren gewaltigem Klange alle weltzerstörenden Kometen auf ihrer Bahn zurückbeben werden.“
Giftgas im Schweif – Viel Lärm um nichts
Menzel spielt hier ironisch auf jene Kometenpanik an, die um 1820/30 durch das Erscheinen einiger neuer Schweifsterne sowie des Halleyschen Kometen ihrem Höhepunkt entgegen trieb. Der Stuttgarter Redakteur kannte sicher Johann Nestroys Posse „Der böse Geist Lumpacivagabundus“, in der der Autor diese Stimmung 1833 auf die Schippe genommen hat; Nestroys „Kometenlied“ (Musik von Adolf Müller) ist ein noch heute berühmtes Wiener Couplet. Eine historische Aufführung mit dem grandiosen Attila Hörbiger findet der geneigte Leser in YouTube.
Eine weltweite Schweifsternhysterie brach dann ein dreiviertel Jahrhundert später noch einmal aus, wieder ausgelöst durch das Erscheinen des Halleyschen Kometen. Damals, 1910, ging die Furcht um, im Schweif des Kometen, der angeblich die Erde berühren sollte, befände sich das Giftgas Zyankali.
„In Istanbul standen 100.000 Menschen in Nachtgewändern auf den Dächern, in Chicago verstopften die Hausbewohner alle Tür- und Fensterfugen mit Lappen, und Papst Pius X. verurteilte das Hamstern von Sauerstoffflaschen. Alle Welt fürchtete den Tod durch Giftgas“, so berichtet ein Chronist. Als der Komet dann vorbeigezogen war, zeigten die aufgestellten Messgeräte – nichts!“