Singen und Alkohol – ein Thema nicht nur zur Faschingszeit
„Ein volles Glas, ein frohes Lied verscheucht alle Sorgen“: Solche und ähnliche Sprüche finden wir oft auf alten Scherzkarten und Bildern, die das Singen mit dem Genuss von Alkohol assoziieren. Das Bedürfnis, den Alltagszwängen für kurze Zeit durch ein Rauschmittel zu entfliehen und dieser Flucht einen musikalischen Ausdruck zu verleihen, ist nicht neu. Schon die Minnesänger des Mittelalters haben das berauschende Nass, das „die Kehle schmiert“, mit dem Vortragen heiterer Lieder verknüpft. Und diese Tradition dürfte noch deutlich weiter zurückreichen, vermutlich bis in die Anfänge der Alkoholproduktion in Noahs Zeiten.
In der organisierten Sängerschaft des 19. Jahrhunderts gehören dann Lieder, die den Alkohol thematisieren (genauer: verherrlichen) zum Repertoire eines jeden Männergesangvereins. Regelrecht kultiviert hat man das in der Studentenschaft. „Akademische Liedertafeln“ wie z.B. die Tübinger hielten ihre öffentlichen Singstunden ab 1830 an Biertischen ab, das gegenseitige „Zutrinken“ war dabei festes Ritual.
Liederbuch mit Bierkrug-Silhouette
So genannte „Bierlieder“, respektive „Weinlieder“, fanden sich in den studentischen Liederbüchern, so z.B. im „Kommersbuch“, von dem es übrigens eine Auswahl gab, die um 1900 in einem Büchlein mit der Form einer Bierkrug-Silhouette veröffentlicht wurde. Da die Auswirkungen des Alkoholkonsums natürlich allen bekannt waren, wurde in den Vereinen durchaus über die Disziplin der Sänger in diesem Punkt diskutiert. Berauschend sollte der Gesang sein, nicht aber der Sänger berauscht.
Karl Pfaffs Empfehlung 1842:
Wein und Lieder
„Wo sich in trauter Runde
vereint der Sängerbund,
Da tut bei Wein und Liedern
sich laut die Freude kund,
Da glüht der Sänger Brust
Von Wein und Liedes Lust
Und Lied und Wein
Das Herz erfreu‘n,
Drum soll‘n sie stets
Gepriesen sein.“
Neben dem Wein (z.B. hier in Württemberg) war es andernorts das Bier, dem der Sänger huldigte. Dazu finden wir viele Hinweise in der populären Bildwelt, in der Karikatur oder in alten humoristischen Bildpostkarten.
„Ein Prosit der Gemütlichkeit“ und „1, 2, 3 g‘suffa“
Einige dieser Karten aus der Zeit um 1925 zeigen uns Dirigenten mit Taktstock und Maßkrug in der Hand, die auf Bierfässern stehen und eine deutlich beschwipste Mannschaft – ebenfalls mit Humpen in Händen – zum Singen (oder Grölen?) animieren. Mottos wie „Ein Prosit der Gemütlichkeit“ und „1, 2,3, g‘suffa“ begleiten die Szenen. Andere Darstellungen zeigen uns einzelne Sänger versunken in Bierseligkeit, z.B. eine Karte von 1915. Dort sitz ein betrunkenes Mitglied des Regensburger Liederkranzes vor einem Laternenpfahl, neben ihm liegt das Liederbuch des Vereins und eine zerbrochene Maß. Als ironische Deutungshilfe lautet die Überschrift „Stumm schläft der Sänger“ (Titel eines damals bekannten Grablieds).
mit roter Pappnase und einer Flasche in der erhobenen Hand.
Singen in der Kneipe
Dem Klischee des auf Alkohol fixierten Sängers folgt schließlich auch die Branche der Bierbrauer selbst. Eine gezeichnete Getränkereklame um 1965 zeigt uns ein Quartett mit einem Dirigenten. Alle Fünfe haben während ihres Auftritts eine Bierflasche in der Gesäßtasche. Diese Darstellung spielt wohl auf den Sachverhalt an, dass früher häufig Gasthöfe Proberäume für Chöre zur Verfügung stellten.
Heute ist das Thema Chor und Alkohol kein Gegenstand für die populäre Bildwelt mehr. Singchöre werden auch nicht mehr herablassend als grölende Horden charakterisiert. Dass Alkoholkonsum in der Sängerschaft ein diskutiertes Thema bleibt, ist aber völlig in Ordnung.
Trotz der Gefahren und Nachteile von Gersten- und Rebensaft für Gesundheit und Stimme: Allen Singenden (Feucht-)Fröhliche Fasnacht / Fasching / Karneval!