Rezension: „Schleichwege zur Klassik“
In seinem Buch „Schleichwege zur Klassik – Musik aus fünf Jahrhunderten neu entdecken“, 2024 im Insel-Verlag erschienen, nimmt Gabriel Yoran Leser:innen an die Hand, um ihnen Hemmungen und Berührungsängste mit klassischer Musik zu nehmen.
Yorans größter Trumpf ist seine Fachkompetenz aus der Sicht des Überforderten: „Ich komme zwar aus einer Musikerfamilie, fand aber selbst erst spät zur klassischen Musik. Ich weiß, wie es ist, diese Musik nicht zu verstehen“, erklärt sich der Autor selbst. „Da ich ziemlich genau nachzeichnen kann, wie ich von völligem Desinteresse zu großer Begeisterung kam, unternehme ich ebendiesen kleinen Versuch, anderen in diese Welt hineinzuhelfen.“
Und das gelingt ihm ausgezeichnet. Aus seiner Sprache und seinem Schreibstil spricht ein lockerer Ton, der Lesenden das Gefühl des Verstandenwerdens und von emotionaler Geborgenheit vermittelt. Denn Yoran nimmt ihnen sämtlichen Druck. Jede:r solle selbst entscheiden, was gefällt oder nicht. Seiner subjektiven Interpretation könne man sich anschließen, „und wenn nicht, auch okay.“ Viele Leute hielten Klassik für eine Geheimwissenschaft: „Aber das soll uns jetzt egal sein.“
Interaktives Nachvollziehen
Es sind Gebrauchsinspirationen, die Gabriel Yoran teilt. Dabei handelt es sich weniger um eine konkrete Anleitung zum Rezipieren von klassischer Musik, sondern viel mehr um einen Steigbügel in eine neue Welt. Eine schier unendliche Welt, die für so manche:n vielleicht bislang ohne Kontur war: suspekt, elitär, nebulös. Aber auch wer sich bereits gut auskennt, wird durch dieses Buch bereichert. Yoran hat sich für kurze themenbasierte Kapitel entschieden und verlinkt konkrete Hörempfehlungen direkt im Text mit QR-Codes. Interaktives Nachvollziehen.
Dieses Buch ist ein wunderbarer Steigbügel für Neueinsteiger:innen, genauso wie für alle, die schon lange im Klassik-See schwimmen, aber eben auch irgendwann an einer bestimmten Stelle hineingeplumpst sind und nur einen kleinen Teil dieses großen Ozeans kennen.
Für die Erschließung neuen Publikums, zur Nachwuchsgewinnung von Rezipient:innen ist dieses 133 Seiten zählende Buch ein hervorragendes Instrument, ein Medium, das einfach funktioniert. Nur: Wer mit der Klassik bislang nichts am Hut hat, wird wohl kaum im Dunstkreis klassischer Musik nach Literatur suchen. Eine große Aufgabe besteht darin, dieses Buch zu verbreiten. Denn man möchte allen zurufen: „Da – ließ!“