Als Sandra Rohleder zum ersten Mal in einem Chor probte, stand sie nicht zwischen den Sängerinnen, sondern gleich davor. „Wir hatten letztes Jahr im Herbst einen Frauenchor gegründet und ich wollte den C1- und den C2-Kurs absolvieren. Bis dahin hatte ich noch nie in einem Chor gesungen, geschweige denn einen Chor geleitet“, erinnert sie sich. Entsprechend groß war die Aufregung, als sie im Musikzentrum Lauffen am Neckar von Kursleiterin Tabea Raidt begrüßt wurde. Hier fand der C1-Kurs des Chorverbands Heilbronn statt. Doch die Sorge, den Anforderungen nicht gewachsen zu sein, erwies sich schnell als unbegründet. „Tabea ist sehr kompetent und konnte uns den Kursinhalt – Dirigiertechniken, Einsatz, Abschlag, Theorie – sehr kurzweilig vermitteln. Man merkt ihre jahrelange Chorleiterpraxis.“ Für Rohleder war es ein Schlüsselerlebnis, als der Arbeitschor tatsächlich auf ihren Einsatz zu singen begann: „Ein Erfolgserlebnis, das ich so schnell nicht vergessen werde.“
VOM C1 ZUM C2
Darauf aufbauend schloss sich der C2-Lehrgang des Schwäbischen Chorverbands an, der traditionell als Kompaktkurs in denOsterferien im Musikzentrum in Plochingen angeboten wird. Für eine Woche treffen sich dort angehende Chorleiter:innen, um Praxis und Theorie zu vertiefen. „Obwohl es ein sehr großes Arbeitspensum ist, haben es die Dozenten Nikolai Ott, Professor Marius Mack, die Sopranistin und Stimmbildnerin Daniela Gerstenmeyer sowie Anne-Regina Sieber geschafft, die geforderten Lerninhalte verständlich und mit viel Wertschätzung zu vermitteln“, so Rohleder.
Lore Reiter, die den Kurs ebenfalls absolvierte, schildert die Intensität dieser Ausbildungswoche sehr anschaulich. 20 Teilnehmer:innen waren im April in Plochingen zusammengekommen, aufgeteilt in zwei Gruppen: „Um niemanden absagen zu müssen, wurden Team Blau und Team Rot gebildet.“ Der Tagesablauf war klar strukturiert: Frühstück, Stimmbildung, Theorie und Probenarbeit, Mittagspause, Chorleitungseinheiten bis in den Abend. „Die meisten übernachteten im Musikzentrum – eine tolle Gelegenheit, sich besser kennenzulernen und den Austausch zu fördern.“
LERNEN AM CHOR
Besonderen Wert legten die Dozent:innen auf die praktische Arbeit mit dem Übungschor. Sechs Stücke standen auf dem Programm – von Volksliedern wie „Ännchen von Tharau“ über Klassiker wie „Wenn alle Brünnlein fließen“ bis hin zu Edward Elgars „As Torrents in Summer“. Alle Teilnehmer:innen mussten die Werke dirigieren und einstudieren. „Dabei lag der Fokus auf Dirigiertechniken, Repertoirearbeit, Probemethodik, Tempo und Dynamik“, berichtet Reiter.
Auch die Prüfungen verlangten ein hohes Maß an Flexibilität. Neben der vorbereiteten Chorleiterprüfung – inklusive Stimmbildung, Tonangabe mit der Stimmgabel und Dirigat eines bekannten Chorsatzes – mussten alle eine zusätzliche Aufgabe bewältigen: In zehn Minuten galt es, fünf Takte aus einem unbekannten Stück mit dem Chor zu erarbeiten. „Das war eine echte Herausforderung, hat uns aber viel Selbstvertrauen gegeben“, so Reiter.
Neben der Chorleitung standen tägliche Einzelstimmbildung und eine Gesangsprüfung auf dem Programm. Jeder Teilnehmende musste ein Lied in deutscher Sprache vortragen. „Einzige Voraussetzung: zwingend Deutsch“, erinnert sich Reiter. Ergänzt wurde die Ausbildung durch eine umfassende Theorieprüfung: Intervalle, Tonarten, Dreiklänge, Rhythmusfehler erkennen, Gehörbildung – die ganze Palette. Eine Probeklausur am Donnerstag nahm dabei die Nervosität.
GEMEINSCHAFT UND ABSCHLUSS
Trotz des dichten Programms kam die Gemeinschaft nicht zu kurz. Kaffeepausen, Abendessen und ein gemeinsames Konzert mit einem parallel stattfindenden Jazz-Workshop sorgten für Abwechslung. „Am Samstagabend war die Erleichterung groß: Alle Prüfungen waren unter Dach und Fach, und wir konnten unser Können noch einmal vor Publikum zeigen“, so Reiter.
Am Sonntag erhielten die Teilnehmer:innen ihre Ergebnisse in persönlichen Gesprächen mit den Ausbilder:innen. Für Sandra Rohleder war dieser Moment besonders: „.überglücklich hielt ich am Sonntag die C2-Urkunde in der Hand und werde meine neu erworbenen Fähigkeiten an unserem Chor umsetzen.“
EIN INTENSIVER WEG ZUR CHORLEITUNG
Was bleibt nach dieser intensiven Ausbildung? „Diese Woche war nicht nur eine wertvolle Ausbildung, sondern auch eine wunderbare Gelegenheit, neue Chormusiker kennenzulernen und die Leidenschaft für die Chormusik zu teilen“, resümiert Lore Reiter. Und Sandra Rohleder ergänzt: „Meine Zweifel am Anfang waren unbegründet. Ich habe so viel gelernt – und freue mich, das Gelernte in die Praxis umzusetzen.“
Die C-Lehrgänge des Schwäbischen Chorverbands zeigen eindrucksvoll, wie fundierte Ausbildung, praxisnahe Arbeit und eine wertschätzende Lernatmosphäre den Weg in die Chorleitung ebnen können – selbst für Menschen, die ohne Vorerfahrung beginnen.
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