Klare Regeln – ein Zeichen von Pedantismus oder Professionalität?
„Mappen links oder rechts?“ Während die einen mit den Augen rollen, ist das für die anderen eine sehr ernst gemeinte Frage. Die einen rufen: „Dem Publikum zugewandt!“ Die anderen entgegnen entrüstet: „Nein, abgewandt natürlich!“ Sollten Chöre feste Regeln einführen, die solche Angelegenheiten klären?
PRO
Es gibt eine Reihe Aspekte, die in Chören immer wieder zu hitzigen Diskussionen führen können und meist erst zutage treten, wenn es schon zu spät ist. Man sei davon ausgegangen, dass ja wohl klar sei, dass „Frauen schwarz und lang“ auch lange Ärmel miteinschließe. Bei der Aufstellung hinter der Bühne fünf Minuten vor dem Auftritt fiel nun auf, dass ein paar Damen die Kirche schulterfrei betreten werden. Womit wir beim Auf- und Abgang wären: Gehen die hinteren oder die vorderen Reihen zuerst? Gehen wir von einer oder zwei Seiten? Ist privates Plaudern beim Applaus geduldet? So manche:r Sänger:in macht sich darüber vielleicht gar keine Gedanken und hat kein Bewusstsein dafür, dass das Tuscheln mit der Nachbarin oder dem Hintermann aus Publikumsperspektive unschön aussieht.
Sind solche Punkte von vorne herein klar festgelegt und transparent kommuniziert, hilft das einerseits Neuzugängen im Chor ungemein bei der Orientierung und fördert andererseits die Ensemble-Harmonie. Denn das Chorklima strapazierenden Debatten geht man damit aus dem Weg. Ein Chor ist ein Gefüge aus Unikaten. In einem vertretbaren Maße sollte die Individualität der Einzelnen erlaubt sein, auch wenn man versucht, es zu einem möglichst harmonischen Ganzen zu formen – klanglich und optisch. Die Individualität zeigt sich vielleicht durch die Frisur und ein Accessoire, nicht aber in der Manier, die Mappe zu halten. Um also zur Eingangsfrage zurückzukommen: Eine Einheitlichkeit im Auftreten ist schlicht Ausdruck von Professionalität. Denn bei allem Spaß, mit dem man sein Hobby betreibt, sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, das Konzert ernst zu nehmen – alleine schon aus Respekt den anderen Choristen gegenüber.
CONTRA
Chor bedeutet in erster Linie Spaß am Singen, nicht eine elitäre, nach militärischem Drill aufgezwungene homogene Einheit. Nicht selten gibt es Chöre, die bunte statt schwarzer Kleidung anziehen. Aber: Schwarz ist nicht gleich Schwarz! Man wird kaum einen Chor finden, in dem alle Personen den gleichen Schwarzton tragen – im Gegenteil: Die einen tragen ausgewaschene schwarze – fast graue – Hemden, andere blaue Sakkos und wieder andere ihre roten Konzertsocken als bewussten Kontrast. Zum einen zeigen unterschiedliche Farben unterschiedliche Persönlichkeiten im Chor und können eine größere Anziehungskraft auf das Publikum ausüben. Außerdem stellt einheitliche Kleidung ein Kostenfaktor dar, erst recht wenn viele Sänger:innen nur ein Konzertoutfit besitzen.
Kommen wir zum Beispiel der Mappen. Das Vorweisen einer einheitlichen schwarzen Mappe darf im Profichor sicher nicht fehlen. Auf der Amateurebene sollte aber doch der Spaß im Vordergrund stehen. Aus dem Publikum wird sicher niemand ein böses Wort verlieren, wenn die Mappe nicht einheitlich zum Publikum getragen wurde, das Programm und der Unterhaltungsfaktor aber erste Klasse waren. Hinzu kommt, dass die schwarze Mappe – sollte sie nicht vom Verein einheitlich gesponsert sein – auch gerne ein schwarzer Ordner sein darf, aus der Entfernung des Publikums macht das keinen Unterschied.
Womit wir beim Applaus wären. Ist es nicht schön zu sehen, wie die Sänger:innen während des Applaus auch ihren Spaß haben? In all dem Lärm von klatschenden Händen macht das doch sowieso keinen Unterschied. Lasst uns nicht immer so pingelig, forciert und engstirnig sein, sondern über kleine Dinge hinwegsehen und den Spaß am Singen in den Vordergrund stellen!