Was gelungene Mitgliederkommunikation mit einer mediativen Haltung zu tun hat
Ob sich Mitglieder in einem Verein dauerhaft wohlfühlen, sich engagieren und bleiben, hat viel mit der internen Kommunikation zu tun. Es lohnt sich nicht nur für Vorstände:innen, Chorleiter:innen sondern auch für jedes einzelne Vereinsmitglied, sich ein wenig mit der Psychologie und den Kommunikationswissenschaften zu beschäftigen und dabei etwas von der Haltung der Mediator:innen mitzunehmen.
Betrachten wir Kommunikation, dann denken wir zunächst einmal an das, was uns alltäglich und auf völlig selbstverständliche Art und Weise jeden Tag begleitet und begegnet in unserem menschlichen Miteinander. Kommunikation als ein Prozess, bei dem eine Person Informationen über Ideen, Gefühle, Absichten an eine andere Person übermittelt.
In welcher Form dies geschieht, also ob verbal (mündlich, schriftlich) oder nonverbal (über unsere Körpersprache, über unsere Stimme, unsere persönliche Erscheinung), ist dabei zunächst einmal unerheblich. Wir kommunizieren! Kommunikation ist ein Grundelement aller zwischenmenschlichen Beziehungen. Paul Watzlawick, einer der großen Kommunikationswissenschaftler, hat mit seinen fünf Grundregeln der menschlichen Kommunikation diese erste Regel ganz treffend mit dem Grundsatz „Man kann nicht nicht kommunizieren“ auf den Punkt gebracht.
Kommunikation als Prozess
Wenn Kommunikation ein Prozess ist, dann müssen wir berücksichtigen, dass es nicht nur eine:n Sender:in der Informationen gibt sondern auch eine:n Empfänger:in. Wie diese Person die Informationen aufnimmt, hängt ganz entscheidend von ihrer individuellen Wahrnehmung ab und mit welchem Blick diese Person auf die Welt schaut. Hinzu kommt, dass wir in der Regel mit unserer Kommunikation ja nicht nur Informationen austauschen wollen, sondern wir haben oft noch ein anderes Ziel: Wir wollen Menschen in Bewegung bringen, wir wollen Entscheidungen vorbereiten und manchmal wollen wir auch lediglich ein bestimmtes Image erzeugen.
Schauen wir nochmals kurz bei Paul Watzlawick vorbei und machen uns seinen zweiten Grundsatz für die menschliche Kommunikation bewusst: „Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt, wobei letzterer den ersten bestimmt“. Wer gerne sein Gegenüber in einer Diskussion auffordert, er oder sie möge doch sachlich bleiben, der vergisst, dass unsere Beziehung zur:m Sender:in entscheidend ist, für das wie das Gesagte ankommt.
Kommunikation ist komplex und wertvoll
Spätestens jetzt bemerken wir beim Lesen, dass das mit der Kommunikation ganz schön komplex werden kann. Missverständnisse, Schwierigkeiten, Probleme, Kränkungen und Konflikte sind manchmal die Folge. Gerade im Vereinsleben, wo Menschen aus freien Stücken zusammenkommen und ein gemeinsames Anliegen, eine gemeinsame Passion haben, belastet dies alle Beteiligten sehr und als Vereinsmitglied kann man sich ab einem bestimmten Punkt durchaus die Frage stellen, ob man sich das denn wirklich antun muss. Denn jede:r Sänger:in weiß: „Der Ton macht die Musik“.
Vielleicht ist es aber gar nicht so schwer mit der gelungenen Mitgliederkommunikation, wenn man sich ein paar Anleihen bei den Mediator:innen nimmt, die zu den Profis in Sachen Kommunikation und Konflikt zählen. Mediation ist ein Verfahren zur Konfliktlösung. Die Konfliktparteien streben dabei auf freiwilliger Basis eine Lösung ihres Konflikts mit Hilfe einer Mediatorin oder eines Mediators an. Die Rolle der Mediatorin oder des Mediators ist es, dafür zu sorgen, dass die Konfliktparteien auf Augenhöhe miteinander verhandeln, wertschätzend miteinander umgehen und sich gegenseitig verstehen. Dafür braucht es eine Haltung der/des Mediator:in, die den Konfliktparteien signalisiert: Ich respektiere eure unterschiedlichen Sichtweisen, ich wertschätze euch als Menschen, ich bin bereit, eure voneinander abweichenden Interessen und Bedürfnisse wahrzunehmen und zu akzeptieren, ich bin in der Lage, eure Gedanken, Gefühle und Erfahrungen zu verstehen bzw. nachzuvollziehen.
Diese Haltung zeigt sich sowohl von innen durch das mentale Verhalten als auch von außen durch Gestik und Körpersprache. Der Schlüssel für eine Konfliktlösung in der Mediation ist das gegenseitige Verständnis für die unterschiedlichen Bedürfnisse und Interessen.
Unterschiedliche Interessen und Bedürfnisse
Betrachtet man einen Verein mit seinen Gremien und Mitgliedern, dann sollte man sich klar machen, dass hier Menschen zusammenkommen, die sehr unterschiedliche Bedürfnisse und Interessen haben. Da gibt es die, die dem Verein beitreten, weil die Freude am Singen in der Gemeinschaft im Vordergrund steht (Bedürfnis Gemeinschaft, Zugehörigkeit, Entspannung, Spaß). Die anderen suchen die Herausforderung und wollen anspruchsvolle Konzerte mit dem Verein realisieren (Bedürfnis Anerkennung, Herausforderung, Wachstum, Entwicklung) und wieder andere wollen im Verein zeigen, was sie können und übernehmen beispielsweise eine Funktion (Bedürfnis Verantwortung, Präsenz, Kreativität, Selbstverwirklichung). Könnte es also sein, dass es in der Chorprobe knirscht, weil ein Teil der Sänger:innen sich schon auf den entspannten Ausklang freut, während der andere Teil die anspruchsvolle Passage nochmals üben möchte, weil deren Bedürfnis nach „Meisterschaft“ erfüllt werden will? Allein diese Erkenntnis kann schon helfen, dass hierfür zukünftig eine gute Lösung gefunden wird, weil wir verstehen, dass unterschiedliche Bedürfnisse aufeinandertreffen und dass wir eben nicht mit der gleichen Brille auf die Welt schauen.
Alle im Verein sollten sich bewusst machen, dass es im Gegensatz zum Arbeitsleben keine gegenseitigen vertraglichen Pflichten gibt, die mich – zumindest temporär – binden oder mich verpflichten. Bindung zum Verein wird durch die interne Kommunikation gefördert oder belastet. Die interne Kommunikation ist somit eine wichtige Stellschraube und es darf nicht die alleinige Aufgabe der Vorstände, der Leiter:innen der Chöre und Ensembles oder der anderen Funktionsträger:innen sein, für eine gelungene Mitgliederkommunikation zu sorgen. Es ist die Aufgabe von allen. Eine mediative Haltung in der Vereinskommunikation zu etablieren bedeutet, dass alle vom Vorstand über die Chorleitung bis hin zum Mitglied gemeinsam den richtigen Ton treffen und damit am Klang der Vereinskommunikation arbeiten.
Wir kommunizieren immer
Dabei sollten alle vor Augen haben, dass sie immer kommunizieren – verbal und nonverbal. Die abweisende Geste, der mürrische Blick, das aufmunternde Kopfnicken, das Strahlen der Augen, das Ignorieren eines Redebeitrags, die Abwertung eines Mitglieds, der unerwartete Blumenstrauß als Dank, das Bemühen um Transparenz der Entscheidungen, die Bereitschaft Konflikte zu lösen, die Wertschätzung der Unterschiedlichkeit der Vereinsmitglieder – alles ist Kommunikation und alles erzeugt einen Klang. Und dieser Klang sollte idealerweise harmonisch klingen.
Zum Mitnehmen …
Sich für einen Verein zu entscheiden, basiert auf Freiwilligkeit.
Sich in einem Verein zu engagieren hat etwas damit zu tun, dass ich mein Bedürfnis erfüllen kann, denn jeder Mensch strebt nach der Erfüllung seiner Bedürfnisse. Sein Verhalten wird dadurch bestimmt.
Bindung zu einem Verein hat etwas damit zu tun, ob ich als Mensch Wertschätzung, Akzeptanz und Respekt erlebe, ob ich in Beziehung mit anderen bin.
Eine mediative Haltung in der Vereinskommunikation zu etablieren bedeutet, am Klang
des Vereins zu arbeiten.
Mediation, Moderation & Reflexion, Wirtschaftspsychologin (B.Sc.) und Mediatorin
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