Zahlreiche Faktoren sind entscheidend für eine erfolgreiche Verbandsarbeit. Eben-
so sind viele Faktoren entscheidend für Spaß und Freude in Chorproben und anderen musikalischen Veranstaltungen. Der Chorjugend des Schwäbischen Chorverbandes liegt in letzter Zeit besonders ein Thema sehr am Herzen: Kindeswohl. Kindeswohl – ein breit gefächerter Begriff. Wie kann man erfahren, wie gut das Wohl von Kindern und Jugendlichen in einem Verband gesichert ist? Wo fängt Kindeswohlgefährdung an? Was zählt als Grenzüberschreitung?
Für uns im Jugendvorstand der Chorjugend steht an erster Stelle: Alle Kinder und Jugendlichen sollen sich sicher fühlen. Angebote wie die Musiklotsen, Mentoren oder D-Lehrgänge, aber auch die Arbeit in Chören der Regionalchorverbände sollen Orte der Begegnung und der Begeisterung sein. Dafür muss vorausgesetzt sein, dass Kinder und Jugendliche sich in einer sicheren Atmosphäre entfalten und öffnen können.
Um präventiv für das gesicherte Wohl der Kinder und Jugendlichen in unserem Verband und in den dazugehörigen Regionalchorverbänden zu sorgen, arbeiten wir seit Sommer 2022 an der Entwicklung eines Schutzkonzeptes zur Vorbeugung von (sexualisierter) Gewalt. Dieses Schutzkonzept gilt als Rahmenkonzept, an dem sich die einzelnen Kinder- und Jugendchöre im Verband ausrichten können. Ebenso soll es Dozenten und Mitwirkenden in Ausbildungen und Veranstaltungen Orientierung für den Umgang mit Kindern und Jugendlichen geben. Zudem hat es eine informative Funktion für Kinder und Jugendliche und deren Eltern.
Im Rahmen der Schutzkonzeptentwicklung gibt es einzelne Arbeitsgruppen, die sich regelmäßig treffen und das Schutzkonzept Stück für Stück erarbeiten. Aktuell befinden wir uns in der Risiko- und Potentialanalyse. Diese dient als Grundlage für das gesamte Schutzkonzept. Unter anderem fand im Rahmen dieser Risiko- und Potentialanalyse eine Online-Befragung statt. Zudem werden die Strukturen der Chorjugend im Schwäbischen Chorverband beleuchtet, kritische Situationen in der alltäglichen Arbeit thematisiert und die schon vorhandenen Dokumente gesichtet. Auf dem Weg wird die Chorjugend von Martina Leidinger (freiberuflich) und Adilia Schweizer (Deutscher Kinderschutzbund Landesverband Baden-Württemberg) begleitet.
Warum braucht es ein Schutzkonzept?
Die polizeiliche Kriminalstatistik liefert einen Überblick über die Anzeigen zu sexualisierter Gewalt an Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Diese jährliche Statistik zeigt allerdings nur das sogenannte Hellfeld. Da viele Taten nicht angezeigt werden, liegt die Dunkelziffer weitaus höher. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht davon aus, dass in Deutschland eine Million Kinder sexualisierte Gewalt erleben oder erlebt haben. Auf der Homepage des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) wird erklärt, dass statistisch gesehen von ein bis zwei betroffenen Kindern pro Schulklasse ausgegangen werden kann. Gewalt an Kindern und Jugendlichen findet überall dort statt, wo Kinder leben, lernen, spielen, betreut und gefördert werden.
Um sich, als Verein oder Jugendverband, gegen sexualisierte Gewalt zu positionieren und um als sicherer Ort für Kinder und Jugendliche zu fungieren, müssen sie präventiv arbeiten und zum Schutz von Heranwachsenden bei möglichen Gefährdungen und in Krisensituationen gut aufgestellt sein: Sie brauchen ein Schutzkonzept!
Was ist ein Schutzkonzept?
Schutzkonzepte dienen dazu, Kinder und Jugendliche vor Übergriffen jeglicher Art zu schützen, präventiv zu arbeiten und die Grenzen der Heranwachsenden zu achten sowie im Verein/Jugendverband als kompetente Ansprechpartner:innen im Themenfeld für Mädchen und Jungen aufzutreten.
Mit der Entwicklung von Schutzkonzepten soll unter anderem sichergestellt werden, dass präventive Maßnahmen verankert sind, klare Interventionspläne vorliegen, die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen im Alltag fokussiert wird, einheitliche Verhaltensweisen umgesetzt werden und die Personalauswahl auch diesbezüglich stattfindet. Ebenso soll ein klarer Leitfaden für mögliche Risikofaktoren der räumlichen Gegebenheiten Klarheit für die räumlichen Strukturen geben. Des Weiteren werden eine Kooperation und Vernetzung zu spezialisierten Fachberatungsstellen empfohlen, Beschwerdemanagementsysteme etabliert und die Öffentlichkeitswirkung in den Blick genommen.
Ziel eines Schutzkonzepts?
Prävention von sexueller Gewalt und das Implementieren von Schutzkonzepten sind Zeichen einer guten, vorausschauenden Kinder- und Jugendarbeit. Ziel ist es, dass der Kinderschutz und das Schutzkonzept im Alltag von allen Beteiligten gelebt und dieses Wissen regelmäßig aufgefrischt wird. Dazu ist es notwendig, einen Diskurs zum Thema Nähe und Distanz zu führen, das Thema „sexualisierte Gewalt“ zu enttabuisieren und ein Klima und eine Struktur zu schaffen, in der Kinder und Jugendliche sich vertrauensvoll öffnen können, wenn es doch Übergriffe jeglicher Art geben sollte. Ein Schutzkonzept dient nicht nur dem Schutz für potentielle Opfer, sondern auch den eigenen institutionellen Strukturen. Insbesondere Chöre sind emotionale Orte und können so auch für Kinder und Jugendliche die Chance bieten, sich bei Vorfällen außerhalb der Strukturen anzuvertrauen und zu öffnen.
Die Chorjugend im Schwäbischen Chorverband ist sehr dankbar über die gute Zusammenarbeit mit dem Deutschen Kinderschutzbund und freut sich über viele interessierte Vereine, die das Schutzkonzept als Leitfaden in ihrer Arbeit mit Kindern und Jugendlichen einbinden werden.
Die Chorjugend im Schwäbischen Chorverband freut sich über Vereine, die den Impuls
übernehmen und sich selbst auch auf den Weg zum Schutzkonzept machen.
Ann-Kathrine Bilic & Adilia Schweizer