Christmas Caroling – a Very British Tradition
Im 19. Jahrhundert wurde in England das öffentliche Singen von Christmas Carols (Weihnachtsliedern) wiederentdeckt und gefördert.
Die Weihnachtszeit ist in England reich an eigenen Traditionen. So bringt dort nicht das Christkind die Geschenke, sondern „Father Christmas“, und zwar 25. Dezember. Am folgenden Tag, dem „Boxing Day“, wurden früher die Dienstboten mit einer Geschenke-Box bedacht. Heute schleppen die Leute am Boxing Day ihre Schachteln mit den unpassenden Geschenken zum Umtausch zurück in die Geschäfte. Außer-
dem gibt es an Weihnachten das Küssen unter dem Mistelzweig, das Tragen von „Paper Crowns“ beim Christmas Dinner und last not least: Die kulinarischen Spezialitäten! Truthahn- und Gänsebraten, Christmas Figgy Pudding und Wassail Bowl. Der beliebteste englische Weihnachtsbrauch aber ist: Singen was das Zeug hält! Überall bilden sich – oft spontan – kleine Gruppen, die auf Straßen und Plätzen alte und neue „Christmas Carols“ trällern. Daneben treten dann auch noch viele traditionelle Chöre zu einem öffentlichen „Caroling“ auf.
Singen für Pudding und heißes Bier
Ihren Ursprung hat diese Tradition wohl in mittelalterlichen Heische-Umzügen, bei denen Kurrendesänger und Angehörige ärmerer Schichten mit einem Lied vor den Häusern reicher Leute ein „Frohes Fest“ wünschten und für sich selbst eine kleine Gabe erbaten. In älteren Carols ist das manchmal noch zu vernehmen, z. B. wenn dort der „Figgy Pudding“ oder die „Wassail Bowl“ (heißes gewürztes Bier mit Bratäpfeln) als Gegenleistung erwähnt werden. Auch heute ist das Caroling noch oft mit einer Bitte um eine Spende verbunden. Allerdings steht da nicht der eigene Magen im Zentrum, sondern eine Sammelbüchse für wohltätige Zwecke. Ein englischer Schriftsteller und ein deutscher Prinzgemahl
Christi Geburt war seit jeher ein Hochfest, aber so, wie es heute gefeiert wird, als Familien- und Schenkfest, kam es erst im 19. Jahrhundert auf. Voraussetzungen dafür waren ein wachsender Wohlstand, die Wertschätzung des Familienlebens und der eine oder andere Förderer der Festidee. Ein solcher Förderer des Weihnachtsfests war der Schriftsteller Charles Dickens. In seinem Buch „A Christmas Carol“ beschrieb er 1843 die Bekehrung eines hartherzigen Geizhalses zu einem freigiebigen Gönner der Armen. Die Geschichte wurde weltweit berühmt und hat damals eine starke gesellschaftliche Wirkung entfaltet.
An dieser Stelle darf man auch an Prinz Albert von Sachsen-Coburg erinnern, den Gemahl von Queen Victoria. Er soll den Weihnachtsbaum in Großbritannien populär gemacht haben. 1848 erschien in der „Illustrated London News“ ein Bild der königlichen Familie vor einem von Albert selbst geschmückten Christbaum – ein herrschaftliches Vorbild, das sicher viele Nachahmer gefunden hat.
Alte und neue Carols
Mit der Neuausrichtung von Weihnachten wurde auch die musikalische Seite des Fests wieder populär. So hat man damals die alten Lieder zusammengetragen und neu publiziert. Dazu gehörte z. B. das be-
kannte „God Rest You Merry, Gentlemen“ aus dem 18. Jahrhundert, dessen Text sich auf die Verkündigung an die Hirten bezieht. (Schon Dickens hat das Lied in seinem „Christmas Carol“ zitiert; es ist später viel bearbeitet worden und taucht sogar als Parodie in einem Harry-Potter-Roman auf.)
Im 19. Jahrhundert sind selbstverständlich auch viele neue Carols entstanden. Um sie unter die Leute zu bringen, haben die Verleger sie als Lied-Flugblätter gedruckt und den Carolern, die sie auf der Straße vorgesungen haben, zum Weiterverkauf übergeben. Eine Karikatur aus den London News von 1847 zeigt uns eine solche Situation.
Caroling im Commonwealth und hierzulande
Von England aus hat sich das Caroling im Commonwealth ausgebreitet. Wir finden es nicht nur in Canada, sondern auch in Australien, wo Weihnachten in den Sommer fällt. Hier erfreuen sich inzwischen „Christmas Carols by Candlelight“, zu denen die Besucher mit brennenden Kerzen kommen, großer Beliebtheit. Allerdings passen Texte mit Winter und Schnee nicht wirklich zur Jahreszeit. Die Songwriter haben deshalb etwas nachgeholfen: In „Six White Bommels“ z. B. wird der Schlitten des Weihnachtsmannes statt von Rentieren von Kängurus gezogen.
Auch bei uns nimmt das Caroling inzwischen an Fahrt auf. Die „Alpine Carolers“ etwa, ein österreichisches Vokalquartett, präsentieren internationale Advents- und Weihnachtslieder auf Weihnachtsfeiern, in Kirchen, Konzertsälen sowie outdoor in Fußgängerzonen und auf Christkindlmärkten. Carols bilden auch das Repertoire der „Enchanting Carol Singers“ aus dem Saarland. Sie treten ebenfalls auf Weihnachtsmärkten auf und tragen dazu noch historische Kostüme.
Weihnachtsmarken, singende Frösche und andere lousy Singers
Zum Schluss ein Streifblick auf die bildliche Seite des Weihnachtssingens. Seine Bedeutung für England und den Commonwealth zeigt allein schon die Fülle der Briefmarken, die Bilder zu diesem Thema tragen. Ebenso bedienen alle Sparten des Kunstgewerbes die kitschsüchtige Kundschaft mit Carol Singer-Darstellungen, bevorzugt mit Lamplight-Romantik. Und auch im Puppenspiel und im Comic ist das Caroling alljährlich präsent. Von Kermit dem Frosch und Miss Piggy, von Wallace und Gromit, von Snoopy oder Hägar dem Schrecklichen mit seinen plündernden Wikinger-Gesellen hören wir dann:
„We wish you a Merry Christmas,
And a Happy New Year!“