Was muss ich tun, was kann ich tun und wo bleibt hier der Spaß?
Im Jahr 1985 wurde mit der UN-Resolution 40/212 der Internationale Tag des Ehrenamtes eingeführt und seitdem jährlich am 5. Dezember zelebriert. Die Vereinten Nationen verwiesen in ihrem Beschluss auf die herausragende Bedeutung von freiwilliger Arbeit; der Tag soll all jene ermutigen, die teils unter „beträchtlichen persönlichen Opfern“ der Gemeinschaft dienen. Im Jahr 2021 gab es laut der Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse (AWA) in Deutschland etwa 16,24 Millionen freiwillig und unentgeltlich für Vereine, Initiativen oder sonstige Organisationen arbeitende Ehren-
amtliche. Die meisten davon sind im Sport tätig, aber schon auf Platz 2 wird der Bereich „Kultur und Musik“ gelistet.
Erfolgsgeschichte mit Hürden
Eigentlich ein Erfolgsgeschichte. Aber immer wieder wird darüber geklagt, es ließen sich nur noch wenige Ehrenamtliche finden und es fehle der „Nachwuchs“. Dies dürfte mindestens zum Teil an einem gewissen Strukturwandel im Ehrenamt liegen. Menschen engagieren sich heute weniger aus Pflichtgefühl, sondern frei und selbstbestimmt – und mit einem klaren Blick auf den persönlichen Mehrwert: Erfolgserlebnisse, Gemeinschaftsgefühl, Sinn-Erleben. Die Motivation für das Ehrenamt hat sich also verschoben, und mit ihr auch die Bindung an das Amt: Da ehrenamtliche Arbeit freiwillig geleistet wird, steht auch die Entscheidung, die eigene Mitarbeit zu beenden oder zeitlich einzuschränken, jederzeit im Ermessen der Ehrenamtlichen. Und vor diesem Hintergrund rächt es sich zunehmend, dass ehrenamtliche Tätigkeit allzu oft als Sparmodell und Alternative zu bezahlter Arbeit verstanden wurde. Immer wieder stoßen ehrenamtlich Engagierte an die Grenzen ihrer Belastbarkeit – und reagieren darauf heute schneller und konsequenter.
Das erlebt auch Marcela Herrera Oleas, die mit den Worten am Beginn dieses Artikels ihre Erfahrungen als ehrenamtliche Mitarbeiterin bei einer NGO (Non-Governmental Organisations) beschreibt. Als Projektleiterin des Förderprogramms IMPULS beim Bundesmusikverband Chor & Orchester (BMCO) betreut und berät sie heute Ehrenamtliche bei der Antragsstellung, Durchführung und Abrechnung von Förderprogrammen in ländlichen Räumen. „Ich glaube, dass die Leute sehr überfordert sind“, berichtet Oleas. „Jetzt kommen plötzlich Projektmittel und es gibt viele Verwaltungsvorschriften, die zu beachten sind. Und da müssen sich Ehrenamtler am Feierabend und am Wochenende durchwursteln.“
Dies ist ziemlich sicher nicht die Art von ehrenamtlicher Tätigkeit, die Erfolgserlebnisse, Gemeinschaftsgefühl oder gar SinnErleben garantiert. Deshalb rät das IMPULS-Beratungsteam rund um Oleas inzwischen allen Projektträgern klar und deutlich, auf Honorarbasis bezahlte Projektleitungen für die angedachten Projekte einzuplanen – und über das Förderprogramm finanzieren zu lassen. Die Verwaltung der Projektmittel muss nicht im Ehrenamt betreut werden: Bezahlte Projektleitungen können den Ehrenamtlichen den Rücken freihalten, denen so viel mehr Power für die eigentlichen Inhalte ihres ehrenamtlichen Engagements bleibt. So reibt sich wertvolle Motivation nicht an bürokratischen Hemmnissen auf. Der Chorverband Schwarzwald-Baar-Heuberg ist einer der wenigen Regionalverbände im Schwäbischen Chorverband, in dem die Geschäftsstelle nicht ehrenamtlich, sondern hauptamtlich besetzt ist. Die Geschäftsführerin Monika Koch ist bereits Anfang 1990 als Schatzmeisterin in die Chorverbandsarbeit eingestiegen. 2001 ist dem damaligen ehrenamtlichen Geschäftsführer die viele Arbeit über den Kopf gewachsen. So stieg Koch 2001 erstmals mit entlohnter Tätigkeit für ein Projekt ein und organisierte die Chormesse in Trossingen. „Zu dieser Zeit wurde schon über einen Wechsel in der Geschäftsführung nachgedacht, da so viel Arbeit auf dem Tisch war“, erinnert sich Koch. „Wir haben die Aufgaben skizziert und einen Vertrag auf Minijob-Basis geschlossen. Dann kamen immer mehr Aufgaben hinzu, so dass ich inzwischen seit Jahren nahezu alles Organisatorische im Regionalverband mache.“ Ihr Schatzmeisteramt führt Koch parallel nach wie vor ehrenamtlich aus.
Ein lohnenswertes Modell?
Doch wieso leisten sich nicht viel mehr Verbände dieses Modell einer vergüteten Geschäftsstelle? „Wir mussten natürlich die Mitgliedsbeiträge anheben, um die Stelle finanzieren zu können. Aber wir haben den Mitgliedern die Notwendigkeit in einem Vortrag beim damaligen Chortag erklärt: wofür das Geld gebraucht wird und welche Vorteile die Mitglieder dadurch haben“, erzählt Koch. Danach war die Beitragserhöhung gar keine Frage mehr. Andere potenzielle Hindernisse liegen eher auf der persönlichen Ebene: Manche Ehrenamtliche wollen gar nichts aus der Hand geben – und zudem muss ja erst mal eine geeignete Person gefunden werden. „Zu so einer Position als Geschäftsführung gehört schon ein ganzes Stück Herzblut!“
Auch Kai Habermehl, Vorsitzender der Deutschen Chorjugend, plädiert in seinen Workshops seit vielen Jahren für hauptamtliches Personal: „Ehrenamt muss in erster Linie Spaß machen – und es gibt viele Aufgaben im Verband, die keinen Spaß machen. Dafür kann man Leute bezahlen.“ Leider ist der Aufwand gestiegen, was Bürokratie aber auch wichtige Themen wie Kindeswohl und Datenschutz betrifft. „Je größer die Organisation, desto wichtiger wird es, dass das in professionelle Hände kommt und verstetigt wird“, betont Habermehl. „Es sollte unser Ziel sein, dass mindestens auf Verbandsebene alle Geschäftsstellen im Hauptamt arbeiten. Diesbezüglich kamen wir mit der Deutschen Chorjugend dieses Jahr einen großen Schritt weiter und konnten zwölf hauptamtliche Fördermittelcoaches für alle Bundesländer zur Verfügung stellen“, berichtet Habermehl dankbar. Da bleibt abzuwarten, ob das Ministerium diese Notwendigkeit ebenso erkennt und die Fördertöpfe in der zweiten Jahreshälfte verlängert – das würden wir am 5. Dezember gern feiern!