Seit 20 Jahren bildet die Chorjugend im Schwäbischen Chorverband Chormentoren aus. Dieses Jubiläum wird auf dem Chorfest gebührend gefeiert.
Dr. Eckhart Seifert ist Präsident des Schwäbischen Chorverbandes. Nicht mehr lange: Beim Chorverbandstag in Kornwestheim stellt er sich nicht mehr zur Wiederwahl.
Für Menschen, die singen, schlägt Eckhart Seiferts Herz. Für sie setzt er sich nicht erst ein, seit er Präsident des Landesverbandes ist – schon als Ministerialdirigent im Ministerium für Kultus und Sport war ihm ein Anliegen, dass vor allem Kinder früh beglückende Erfahrungen mit dem Singen machen. Susanne Mathes hat sich mit ihm unterhalten – über die Flügel, die das Singen verleiht, die Erdenschwere, die Verbandsarbeit mit sich bringt und über das Chorwesen zwischen bröckelnden Traditionen und Herausforderungen der Zukunft.
Herr Seifert, am Sonntag nehmen Sie beim Chorverbandstag im Kornwestheimer K als Präsident des Schwäbischen Chorverbandes den Hut. Was nehmen Sie von Ihrer Zeit in diesem Amt mit?
Überall, wo gesungen wurde, war es schön! Zu erleben, wie Gesang mitreißt, ob als Willkommensgruß in der Flüchtlingsaufnahmestelle, beim Jahreskonzert des Dorfchores oder beim Schülermusical, da ist eitel Sonnenschein. Der Rest ist Gremienarbeit. Und die ist nicht immer vergnügungssteuerpflichtig.
Wie viele Chöre vertritt der Schwäbische Chorverband?
1600 Chöre mit rund 75000 Sängerinnen und Sänger, beispielsweise auch den Kornwestheimer Männergesangverein, der am Sonntag unseren Chorverbandstag musikalisch begleitet. Wenn auch nur ein Teil der Mitgliedsvereine am Sonntag Vertreter schickt, dann rechne ich mit 200 bis 400 Mitgliedern, die nach Kornwestheim kommen. Dieses Jahr wird es, nachdem ich mein Amt abgebe, sicher recht spannend. Ich denke es gibt seitens der Basis großes Interesse. Die möchte mehr Mitsprache haben, und das ist auch gut so. Das ist nicht mehr wie früher, wo alles vorgegeben und abgenickt wurde. Heute wird nachgefragt, nachgehakt.
Steht denn jemand für Ihre Nachfolge in den Startlöchern?
Stand letztes Wochenende war, dass noch keiner den Finger gestreckt hat, aber wir arbeiten dran. Außerdem kann man sich auch am Sonntag selbst noch zur Wahl stellen. Es dürfte also interessant werden. Zumal es auch noch drei Vizepräsidenten zu wählen gibt.
Warum braucht ein Chor Ihren Verband? Wozu ist der da?
Zu den wichtigsten Leistungen für unsere Mitgliedschöre gehört es, dass wir uns für sie um die Gema-Gebühren kümmern und sie sich bei ihren Veranstaltungen deswegen keine Sorgen machen müssen. Außerdem bieten wir einen Rundum-Versicherungsschutz, vermitteln staatiche Zuschüsse für die Jugendarbeit oder Fortbildungen und bieten unterschiedliche Seminare an.
Wie ist im Moment die Zuschusslage für die Arbeit rund ums Chorsingen?
Derzeit gar nicht so schlecht. Allerdings um einiges schlechter als die Zuschusslage im Sport. Wenn ein Verein drei Chöre hat, bekommt er nur einen Dirigenten bezuschusst, der Sportverein erhält aber Zu schüsse für jeden Übungsleiter. Hier müssen wir mit der Landesregierung im Gespräch bleiben und politische Lobbyarbeit für das Kulturgut Gesang betreiben. Das geschieht auch über den Landesmusikverband, bei dem der Schwäbische Chorverband Mitglied ist.
Welche Themen werden Ihren Nachfolger vor allem umtreiben?
Wie man Chöre weiter öffnet und durch Hilfe am Leben erhält. Die Vereine sind sehr im Umbruch, was wir auch an einem gewissen Mitgliederschwund merken. Es wird zwar weiterhin gesungen, was uns freut, aber die alten, großen Gesangvereine mit vielen aktiven und vielen fördernden Mitgliedern werden altershalber weniger. Dafür gründen sich kleinere Formationen und Chöre, die neu dazu kommen. Aber eine Damengruppe mit acht Sängerinnen kann rein zahlenmäßig den Männerchor mit 80 Mitgliedern nicht ersetzen. Die alten Vereine, die Substanz, bröckeln.
Hat sich das Gesangvereinswesen überlebt?
Die typischen Gesangvereine gibt’s noch in kleineren Städten und Dörfern. Da staune ich manchmal darüber, wie heil dort die Welt noch ist: Die Dorfgemeinschaft hält zusammen, und der Chor ist auch soziales Netzwerk. Und wenn die Mitglieder so alt sind, dass sie keine Konzerte mehr geben können, kommen sie noch zusammen, um ein Viertele oder Kaffee miteinander zu trinken und einfach noch ein bisschen miteinander zu singen. Das ist Gemeinschaft, um die man nur froh sein kann, denn das hält die Gesellschaft zusammen. Für jedes Netzwerk, das verhindert, dass die Menschen alleine sind, muss man dankbar sein.
Aber ansonsten ist es schwierig, mit Silcher noch jemanden zum Singen hinter dem Ofen hervorzulocken?
Es gibt hervorragende Silcher-Sänger. Wir hatten zum Beispiel mal den Leipziger Gewandhauschor bei einem Konzert in Endersbach, bei dem Silcher-Lieder in neuem Gewand präsentiert wurden. Als die das Lied vom „Treuen Kameraden“ gesungen haben, war das so dramatisch, dass mir dabei ganz anders geworden ist. Ansonsten stimmt es schon, man hat den Deutschen ihre Volkslieder ein Stück weit ausgetrieben. Sie sind zwar wieder ein bisschen im Kommen, aber inzwischen steigen zum Beispiel auch verstärkt Schlagermusik aus den 50ern, Pop, Deutschrock oder Liedermacher-Songs zur Chormusik auf. Ob die ursprünglichen Autoren davon immer so begeistert sind, bleibt dahingestellt, aber manches hat auf jeden Fall das Zeug zum Chor-Klassiker.
Wie können es alternde Vereine schaffen, junge Leute in den Chor zu bekommen?
Schwieriges Thema. Ich sage zu den jungen Leuten immer: Geht nicht alleine in den Verein nehmt am besten auch gleich ein paar Freunde mit. Außerdem ist es mit den jungen Leuten, und auch mit den neu entstehenden jungen Formationen, eben so, dass die heutige Gesellschaft dauernde Beweglichkeit voraussetzt. Die jungen Leute ziehen mehrfach um, werden vom Arbeitgeber durch die halbe Welt geschickt, verändern sich immer wieder. Deshalb weiß man bei den jungen Chören nicht so genau, was einmal aus ihnen werden wird. Aber eines ist klar: Wenn jemand mal so eine Gemeinschaft geschnuppert hat, prägt das für immer. Deshalb freut es uns besonders, wenn wir zum Beispiel einen Anruf von einem ehemaligen Mitglied bekommen, das sagt: Mich hat’s nach Düsseldorf verschlagen, wisst ihr da einen guten Chor für mich?
In Kindergärten und Schulen wird beim Thema Singen auch Ambitioniertes geleistet.
Etwas besonders Tolles sind in diesem Zusammenhang die Schulmusicals, die immer mehr im Kommen sind. Komponisten wie Peter Schindler liefern dafür Vorlagen, die allererste Sahne sind und für beglückende Erlebnisse bei den Kindern sorgen. Dass Musik in der Grundschule künftig wieder ein eigenes Fach wird, war überfällig. Allerdings müssen wir auch, was die Lehrerausbildung in diesem Bereich angeht, weiterhin am Ball bleiben. Das Singen gehört in die Lehrerausbildung implementiert. Und früher gehörte es auch dazu, dass man als Grundschullehrer ein Instrument beherrschte, was absolut zu befürworten ist.
Zurück zu den Vereinen: Womit schlagen die sich Ihrer Erfahrung nach auch noch herum?
Mit einer zunehmenden Verbürokratisierung unserer Welt, die uns wirklich zu schaffen macht und für die unsere Ehrenamtlichen gewappnet werden müssen. Um’s mal überspitzt zu sagen: Man kann ja heutzutage nicht mal mehr in den Wald gehen und auf dem Grillplatz eine Wurst braten, ohne den Stecken vorher desinfiziert zu haben. Die Bürokratie ist die Axt am Chor- und überhaupt am Vereinswesen. Unsere Fortbildungen zu Rechtsfragen werden deshalb dankbar angenommen.
Rechtsfragen in der Vereinsarbeit, Zeitmanagement im Ehrenamt, erfolgreiche Chorpräsentation und Stimmtraining für Bühnenpräsentationen: Das sind Fortbildungen, die Ihr Verband am Sonntag im K anbietet. Warum dieser Aufwand zusätzlich zum Chorverbandstag?
Das ist ein bisschen der Klassiker: Wie begeistert man die Vereine, zum Chorverbandstag zu kommen? Der ist ja, wenn man jetzt von den Personalien absieht, aus der Perspektive manches Mitgliedes eher eine trockene Paragrafengeschichte. Wenn man so einen Tag mit Fortbildungen anreichert, haben die Leute zusätzlich etwas davon, dass sie ihren Sonntag für die Veranstaltung opfern.
Und wie kommt’s, dass Kornwestheim Austragungsort wurde?
Wir versuchen, die Chorverbandstage über unser Wirkungsgebiet zu verteilen, letztes Mal waren wir zum Beispiel in Ulm. Die Autobahnnähe ist ein wichtiges Kriterium. Und da Frau Gnann-Hass vom Chorverband Friedrich Schiller Kontakte nach Kornwestheim hat, sind wir dieses Mal eben bei Ihnen. Einen Dank auch noch an die Stadt. Die hat uns sehr freundlich aufgenommen.
Singen Sie eigentlich selbst?
Als Student habe ich sehr viel gesungen. Und so lange meine Frau einen Kirchenchor geleitet hat, war ich da ebenfalls sängerisch im Einsatz.