Das Abschlusskonzert des Projektes fand im Kulturzentrum Karlskaserne in Ludwigsburg viele begeisterte Zuhörer
Am 27. Oktober fand der vorläufige Abschluss des Recherche- und Begegnungsprojektes „Stimmen der Heimat“ statt. Im Kunstzentrum Karlskaserne in Ludwigsburg präsentierte der Schwäbische Chorverband ein Konzert mit fünf derjenigen Musikgruppen, die das Rechercheteam um Projektleiterin Daniela Höfele im Sommer interviewt hatte. Das Ziel der Interviews bestand darin, mehr über die MusikerInnen und ihre Musik, die aus den verschiedensten Ländern stammt, zu erfahren und auf diese Weise die Vielfalt
der Musikkulturen in Baden-Württemberg aufzuzeigen.
Einen ersten Eindruck dieser Vielfalt vermittelte das Begegnungskonzert „Klänge der Welt“, das die ca. 200 Besucher auf eine musikalische Reise durch Europa und Asien mitnahm. Den Anfang machte das fünfköpfige Vokalensemble „Irida“ aus Stuttgart, das erst Anfang 2016 gegründet wurde. „Irida“ ist das griechische Wort für „Iris“, womit das Zusammenspiel aller Farben gemeint ist. Es steht symbolisch für die Vermischung und Harmonie verschiedener Stimmen. Das Repertoire der Gruppe umfasst traditionelle Lieder aus den verschiedenen Regionen Griechenlands, wobei politische Grenzen hier keine Rolle spielen. So werden bei Regionen, die in Nachbarländer wie z. B. die Türkei oder Bulgarien hineinreichen, auch deren Einflüsse mit einbezogen. Die Leiterin Smaragdi Boura bearbeitet die Lieder und schreibt sie um, so dass sie vierstimmig zu singen sind. Auf dem Konzert zeigten „Irida“ beeindruckende polyphone Stücke aus den nördlichen Regionen Epirus, Makedonien und Thrakien.
Von Griechenland ging es anschließend nach China. Der chinesische Chor „SinoPhonia“ wurde 2008 gegründet und gab seitdem bereits erfolgreich eigene Konzerte in der Stuttgarter Liederhalle. Unter der Leitung von Xinlei Yu singt er Lieder der verschiedenen ethnischen Gruppen Chinas. Auf dem Konzert „Klänge der Welt“ präsentierten die SängerInnen ein Fischerlied, dessen Text von der Arbeit der Fischer auf dem Fluss Ussuri handelte, sowie ein uygurisches, ein mongolisches und ein usbekisches Stück, die alle mit Klavierbegleitung dargeboten wurden.
Es folgte ein Auftritt dreier mongolischer Nomadensängerinnen, die heute in Freiburg leben. Baadma, Baaka und Otgoo Samdandamba sind Schwestern und boten den „Urtiin duu“, zu deutsch den sogenannten „Langen Gesang“ der Nomaden aus dem Altai-Gebirge, dar. Der „Lange Gesang“ gilt als Weltkulturerbe und erhielt seinen Namen aufgrund seiner langen, sehr freien Melodien. Er besitzt keinen Rhythmus, dafür jedoch unzählige Triller und Verzierungen, weshalb er kaum zu notieren ist und bis heute in erster Linie mündlich weitergegeben wird. Die Sängerinnen begleiteten sich zudem instrumental mit einer Pferdekopfgeige und dem Saiteninstrument Tovshuur.
Anschließend ging es mit der Gruppe „Klapa Filiae Croatiae“ zurück nach Europa. Die Tradition der sogenannten Klapa stammt aus der Region Dalmatien im Südosten Kroatiens. Der Begriff „Klapa“ bedeutet „spontane Gruppe“ und stand ursprünglich für eine kleine Gruppe von Männern, die am Strand oder im Restaurant spontan zusammenkamen, um gemeinsam zu singen. Der Gesang entwickelte sich aus dem liturgischen Kirchengesang heraus und ist immer mehrstimmig. Mittlerweile gibt es feste Klapa-Ensembles, die heutzutage auch häufig aus Frauen bestehen. Die „Klapa Filiae Croatiae“ wurde im Jahr 2010 unter der Leitung von Marija Zulj gegründet und stellt eine der ersten reinen Frauen-Klapas in Deutschland dar.
Den Abschluss des Konzerts „Klänge der Welt“ bildete die Instrumentalgruppe „Mosaik Anatolian Duo“ aus Esslingen. Cemil Aydemir und Oliver Dipper spielten mit Baglama und Gitarre traditionelle Musik mit und ohne Gesang aus den verschiedenen Regionen Anatoliens, des asiatischen Teils der Türkei. Die Besonderheit türkischer bzw. orientalischer Musik besteht in den sogenannten Vierteltönen, die es in der traditionellen Musik europäischer Länder üblicherweise nicht gibt, da sie – im Gegensatz zur Baglama – auf vielen Instrumenten gar nicht spielbar sind. In den Texten derjenigen Stücke mit Gesang geht es meist – wie sollte es anders sein – um die Liebe.
Das Publikum des Konzertes nahm die ungewohnte Länderkonstellation äußerst positiv auf, was die Organisatoren sehr freute. Ein herzlicher Dank geht an dieser Stelle an alle Musikgruppen, die mitgewirkt haben, sowie an den Verein Treffpunkt für interkulturelle Zusammenarbeit e. V. Ludwigsburg, der die die Zuschauer und MusikerInnen mit kulinarischen Köstlichkeiten aus verschiedenen Ländern verwöhnte und auf diese Weise die Begegnungsatmosphäre des Konzertes unterstützte.
Doch wie geht es mit „Stimmen der Heimat“ nun weiter? Das Projekt ist zunächst abgeschlossen – jedoch soll es zugleich die Grundlage für einen neuen Beginn darstellen, einen Beginn für weitere Kooperationen zwischen Musikgruppen mit den unterschiedlichsten kulturellen Hintergründen. Bei allen Interviews, die im Rahmen der Recherchephase geführt wurden, sowie beim Begegnungskonzert wurde deutlich, dass
alle Beteiligten die Zusammenarbeit als sehr bereichernd beurteilen und für zukünftige Kooperationen offen sind. Auch dem Team von „Stimmen der Heimat“ selbst bereitete das Projekt viel Freude: „Beginnt man einmal, sich mit der Musik aus anderen Ländern inten-
siver zu beschäftigen, will man gar nicht mehr damit aufhören. Jede Begegnung mit einem Musiker oder einer Musikerin, die wir im Zuge des Projekts erleben durften, war auf ihre ganz eigene Art besonders. Und mehr als einmal hat sich gezeigt, dass der Spruch ‚Musik verbindet‘ keinesfalls eine leere Floskel ist“, so Projektleiterin Daniela Höfele.
In diesem Sinne möchten wir Sie herzlich einladen, sich auf Ungewohntes einzulassen und die musikalische Vielfalt Baden-Württembergs kennenzulernen! Alle Interviews im Rahmen des Projekts sowie ein Mitschnitt des Konzerts „Klänge der Welt“ werden für Interessierte in Kürze in der Geschäftsstelle des Schwäbischen Chorverbandes einsehbar sein.